EU-Ratspräsidentschaft
Frankreich will die europäische Gesundheitsunion vorantreiben
Die Coronavirus-Pandemie hat Schwachstellen bei der Gesundheitsversorgung in der EU offengelegt. Bei einigen Themen wollen die Mitgliedsstaaten enger zusammenrücken.
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Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron trägt sich ins Gästebuch des EU-Parlaments ein. Sein Land hat in den ersten sechs Monaten dieses Jahres die EU-Ratspräsidentschaft inne. Seine Pläne stellte er in Straßburg vor.
© Philipp von Ditfurth/dpa
Paris. Mit der Einrichtung einer neuen Digitalplattform will die EU Engpässe bei Arzneimitteln und Medizinprodukten rechtzeitig erkennen und möglichst verhindern. Angesiedelt werden soll die Plattform bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) in Amsterdam.
Nicht nur Behörden, sondern auch Ärzte und Patienten sollen Zugang zu den Daten der Plattform bekommen. Das soll für mehr Transparenz beim Thema Arzneimittelengpässe sorgen. Am 19. Januar hat das EU-Parlament die entsprechende Verordnung verabschiedet, die bereits Anfang März in Kraft treten soll.
Diese neue Aufgabe der EMA gehört zu einer größeren Gesetzgebungsinitiative, die dazu beitragen soll, die EU besser gegen Gesundheitsrisiken zu wappnen.
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Engere Kooperation nur begrenzt möglich
Das Programm wurde bereits im Sommer 2020 nach Absprachen mit den wichtigsten Verbänden von Heilberuflern und Medizinprodukteherstellern entwickelt, nachdem die Corona-Pandemie die Schwachstellen bei der Gesundheitsversorgung ans Licht gebracht hatte.
Die Mitgliedsstaaten einigten sich darauf, ein gemeinsames Vorgehen bei Gesundheitsthemen zu stärken, auch wenn die europäischen Verträge bei diesem Thema nur eng begrenzte Kompetenzen der europäischen Institutionen vorsehen.
In den kommenden Monaten sollen weitere Kapitel dieses Programms umgesetzt werden. Der Schwerpunkt liegt hier vor allem beim grenzüberschreitenden Gesundheitsschutz. Geplant ist dafür die Einführung einer neuen Behörde, die unter dem Namen HERA gemeinsame Antworten auf Not-und Krisensituationen koordinieren wird.
Arzneimittelengpässe im Fokus
Frankreich, das seit dem 1. Januar die sechsmonatige Präsidentschaft des Europäischen Rates übernommen hat, hofft, die meisten dafür notwendigen Richtlinien noch in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit der im zweiten Halbjahr geplanten tschechischen Ratspräsidentschaft verabschieden zu können.
Gleichzeitig sollen neue Industriestrategien europäischer Hersteller von Arzneimitteln und Medizinprodukten unterstützt werden. Im Rahmen einer sogenannten „Important Project of Common European Interest “ (IPCEI) sollen Mitgliedsstaaten mehr Möglichkeiten bekommen, trotz geltender Wettbewerbsregelungen Subventionen an heimische Hersteller zu zahlen, vorausgesetzt, dass ihre Produktion auch europäischen Interessen entspricht. Vereinfacht werden auch die dafür nötigen Verfahren.
Da die Corona-Pandemie die bestehenden Schwierigkeiten bei der Lieferung von Arzneimitteln, die heute in erheblichem Umfang in Indien und China produziert werden, noch verschärft hat, fordern europäische Pharmahersteller, den Standort Europa zu stärken. Seit zwei Jahren hat sich die Bundesregierung dafür stark gemacht und Frankreich hat dieses Thema nun zu einem Schwerpunkt seiner Ratspräsidentschaft erklärt. In den kommenden Wochen sollen dazu konkrete Pläne vorgestellt werden.
Schub für Digitalisierung
Bei der Debatte über die französische Ratspräsidentschaft vergangene Woche im EU-Parlament, kündigten Staatspräsident Emmanuel Macron und EU-Kommissions-Vize Maroš Šefcovic an, dass ein IPCEI Projekt auch die Weiterentwicklung der IT und der Digitalindustrie unterstützen wird. Es sei überlebenswichtig, so Šefcovic, Chips wieder in Europa herzustellen, um Fortschritte durch Digitalisierung auch im Gesundheitswesen zu sichern.
Die Zukunft der Digitalisierung gehöre ebenfalls zu den Hauptaufgaben der französischen Präsidentschaft, betonte Macron, und ein Großteil der in den kommenden Monaten zu verabschiedenden Entwürfe über Digitalisierung betreffen Gesundheits-und Medizinprodukte sowie das Gesundheitswesen.
Gleichzeitig will Frankreich aber auch auf Datenschutz und die Einhaltung ethischer Regelungen bei digitalen Gesundheitsanwendungen achten. Anfang Februar findet in Paris dazu eine Ministerkonferenz statt.
Pandemiehilfen können Solidarität stärken
Vor wenigen Tagen diskutierten in Paris Minister und Sachverständige über die Resilienz der verschiedenen Gesundheitssysteme in Europa. Im Klartext ging es um die Bewertung der Vorteile, die eine EU-Mitgliedschaft in diesem Bereich hat.
Laut EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides haben die Beiträge in Milliardenhöhe, die die EU seit der Pandemie ausgegeben hat, nicht nur den Mitgliedsstaaten geholfen, ihre Gesundheitssysteme zu stärken, sondern auch die Solidarität zwischen den Ländern sowie mit dem Rest der Welt zu verbessern. Unter anderen durch die Covax-Initiative. Bei den Corona-Impfungen sei diese Solidarität mit Entwicklungsländern besonders wichtig, betonte Macron im Europaparlament, und gab an, die Zahl der Impfstoff-Spenden an ärmere Länder erhöhen zu wollen.
Bei weiteren Konferenzen während der französischen EU-Ratspräsidentschaft geht es um die psychische Gesundheit von Jugendlichen sowie um seltene Erkrankungen und den Kampf gegen Krebs.