Ambulant statt stationär
Gassen will Gatekeeper vor Krankenhäusern
Ausschließlich ambulante Einrichtungen an Kliniken sollen nach dem Willen von KBV-Chef Andreas Gassen Patienten abfangen, die keiner stationären Behandlung bedürfen.
Veröffentlicht:BERLIN. Rund um die Uhr vertragsärztlich besetzte ambulante Anlaufstellen sollen nach Vorstellungen des KBV-Vorsitzenden Dr. Andreas Gassen diejenigen Patienten herausfiltern, die statt stationär auch ambulant behandelt werden können. Das ist die Schlussfolgerung aus einem vom IGES-Institut erstellten Gutachtens zum "ambulanten Potenzial in der stationären Notfallversorgung", das am Freitag vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Berlin vorgestellt wurde.
Der Hintergrund: Die Zahl der Krankenhauseinweisungen durch Vertragsärzte war in den Jahren 2009 bis 2014 um drei Prozent rückläufig. Stark gestiegen ist in dieser Zeit jedoch die Zahl der Notfallaufnahme ohne Einweisung und zwar um 22 Prozent. Dadurch stieg die Zahl vollstationärer Fälle um acht Prozent. 44 Prozent der insgesamt 18,5 Millionen Krankenhausaufnahmen finden inzwischen ohne vertragsärztliche Einweisung statt.
Zwei Drittel dieser Aufnahmen passieren während der Sprechstundenzeiten niedergelassener Ärzte, sie sind also nach Auffassung der KBV nicht auf Mängel im kassenärztlichen Bereitschaftsdienst zurückzuführen.
"Patienten wählen von sich aus den direkten Weg ins Krankenhaus, entweder weil das Krankenhaus als Anlaufpunkt sichtbarer ist, weil die Klinikambulanz eventuell aktiv beworben wird oder der Patient eine Komplettversorgung aus einer Hand erwartet", so Gassen. Ursächlich könnten auch Überkapazitäten und intensiver Wettbewerb der Kliniken sein.
Besonders hoch, so die Analyse von IGES, ist der Anteil vermeidbarer Krankenhausfälle im Ruhrgebiet und in den ländlichen Regionen, wo insbesondere die fachärztliche Versorgung - trotz rechnerischer Überversorgung - gemessen am Versorgungsbedarf der Bevölkerung zu schwach ausgebaut ist.
Das habe eine Fehlallokation von Mitteln zur Folge: Nach Berechnungen von IGES bieten vermeidbare Krankenhausfälle ein ökonomisches Potenzial von rund fünf Milliarden Euro, von denen etwa die Hälfte auf den Bereich der Notfallaufnahmen entfallen.
Als Schlussfolgerung aus dem IGES-Gutachten fordert Gassen eine Neuorientierung der Bedarfsplanung. Keinesfalls dürften Notaufnahmen künftig dazu dienen, verzichtbare Klinikstandorte mit Sicherstellungszuschlägen künstlich am Leben zu erhalten. Entscheidungen zur Bedarfsplanung könnten sachgerecht nicht in Ausschüssen in Berlin vorgegeben werden. Gemeint ist der Bundesausschuss, der den gesetzlichen Auftrag hat, die Bedarfsplanungsrichtlinien bis Ende dieses Jahres zu novellieren, aufgrund der Komplexität der Materie eine Verzögerung bis 2018 angekündigt hat.
Vielmehr müsse, so Gassen, die Kompetenz der zuständigen regionalen Akteure, insbesondere der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Länder, gestärkt werden. Im Rahmen eines bundeseinheitlichen Kriterien-Rasters sollen vor Ort transparente Entscheidungen zum notwendigen Strukturwandel in den Regionen getroffen werden.
Gassen: "Wer die Medizin der Zukunft bezahlbarer machen will, muss die ambulante vertragsärztliche Versorgung stärken." Seite 2