Gesundheitsberufe: Interessant, aber oft wenig attraktiv

Der Arbeitskräftebedarf ist auch jenseits der Pflege groß. Doch Hindernisse wie Schulgeld, antiquierte Berufsgesetze und schlechte Bezahlung lassen junge Menschen zögern, ihre Zukunft in der Gesundheitsbranche zu suchen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Physiotherapeutin bei der Arbeit: Ein schöner Beruf, für den die Absolventenzahlen aber sinken.

Physiotherapeutin bei der Arbeit: Ein schöner Beruf, für den die Absolventenzahlen aber sinken.

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KÖLN. Nicht nur in den Pflegeberufen, sondern auch in den therapeutischen Gesundheitsfachberufen Ergotherapie, Logotherapie, Physiotherapie und Hebammenkunde zeichnet sich ein Fachkräftemangel ab. So kommen bei den Logopäden bundesweit 0,68 Arbeitssuchende auf eine offene Stelle. Bei den Physiotherapeuten gehen die Ausbildungszahlen seit 2012 kontinuierlich zurück (6563 zu 5631 im Jahr 2015), obwohl die Nachfrage und die Inanspruchnahme ständig steigt. Im Schnitt kommen bundesweit 0,72 Arbeitssuchende auf einen vakanten Arbeitsplatz.

Hier gibt es also sowohl einen Nachfragedruck als auch Rekrutierungsprobleme. Hinzu kommt Novellierungsbedarf bei den Berufsgesetzen. Beispielhaft zeigt das die gerade veröffentlichte "Landesberichterstattung Gesundheitsberufe Nordrhein-Westfalen 2015", die das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) im Auftrag des nordrhein-westfälischen Gesundheits- und Pflegeministeriums erstellt hat.

In der Physiotherapie kommt in Nordrhein-Westfalen nach dem Bericht eine als arbeitslos gemeldete Person auf 2,45 Stellenangebote. Nachfragedruck – wenn auch geringer ausgeprägt – sehen die Autoren auch in der Ergotherapie und der Logopädie sowie bei den Hebammen.

Bei der Ausbildung zu diesen Berufen können die bestehenden Schulplätze zwar besetzt werden, die Bewerberzahl hat sich aber deutlich reduziert. "Ein zentraler limitierender Faktor bei der Rekrutierung und Auswahlmöglichkeit von Bewerberinnen und Bewerbern in den Therapieberufen ist die Tatsache, dass die überwiegende Anzahl der Ausbildungsplätze nicht gefördert und damit schulgeldpflichtig sind", erläutert das DIP. Das sei ein grundlegendes Problem, wenn versorgungsrelevante Berufe auf- und ausgebaut werden sollen und dabei im Wettbewerb mit Industrie, Handel, Verwaltung und anderen Bereichen stehen.

Als problematisch sehen die Autoren auch die Diskrepanz zwischen den Ausbildungsprüfungsverordnungen und den beruflichen Anforderungen und Arbeitsinhalten. Insbesondere der Aspekt der Beratung komme zu kurz. "Zunehmend relevante Tätigkeitsfelder der Berufsausübung, beispielsweise im Bereich der Palliation und der Gerontologie (Ergotherapie) sowie der therapeutischen Arbeit mit demenziell erkrankten Personen (Logopädie) werden nicht abgebildet."

Die veralteten Berufsgesetze führten zu einem Innovationsstau in den Ausbildungen, der nur mit hohem Engagement der Bildungseinrichtungen kompensiert werden könne, sagt Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne). "Auf Bundesebene müssen die Berufsgesetze dringend novelliert werden, damit auch bundeseinheitlich Schuldgeldfreiheit eingeführt werden kann." Nach ihrer Ansicht könnten dann Kooperationen zwischen Bildungseinrichtungen und Hochschulen diese Berufe im Wettbewerb mit anderen Branchen attraktiver machen.

Nach dem Bericht waren im März 2016 in Nordrhein-Westfalen 512.174 Personen im Gesundheitswesen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das entspricht einem Anteil von acht Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Rund 322.600 waren in der pflegerischen Versorgung tätig. Zwar steigen in zentralen Bereichen der pflegerischen Versorgung die Beschäftigtenzahlen, die Bedeutung der Vollzeitbeschäftigung nimmt allerdings ab.

In NRW hat sich die Zahl der Ausbildungsplätze in der Altenpflege durch die Einführung einer Umlage erhöht. Um den Fachkräftebedarf der Einrichtungen zu decken, fehlen dort aber immer noch Absolventen, ebenso wie in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege.

"Wir brauchen in Krankenhäusern mehr Fachkräfte in der Pflege und den anderen Gesundheitsberufen, um die Arbeitsverdichtung zu verringern und die Versorgung stärker an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten zu können und damit die Versorgungsqualität zu verbessern", sagt Steffens. "Erweiterte medizinische, therapeutische und pflegerische Möglichkeiten sind ohne gut ausgebildetes Fachpersonal nicht umsetzbar." Das gelte auch für die ambulante und stationäre Pflege.

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Kommentare
Simone Hübner 02.02.201713:58 Uhr

Unter dem Motto: Boss makes a Dollar, I make a dime. That´s why I poop at company time

Ist ja schön und gut, dass in dem Bereich mehr Arbeitskräfte gebraucht werden, aber bei den niedrigen Löhnen - bei solch anstrengenden und anspruchsvollen Tätigkeiten - nebst Arbeit im Schichtdienst und der Aussicht nach einigen Jahren selber eine behandlungsbedürftige Erschöpfungsdepression (Burnout) zu entwickeln, wundert es mich doch sehr, dass der Fachkräftemangel in diesem Artikel nur mit dem Schulgeld bzw. dem Novellierungsbedarf der Ausbildung begründet wird. Ich finde es bedenklich wie viele Menschen diese schlechten Berufsbedingungen in Kauf nehmen müssen, abgespeist damit, dass man doch in solch einem helfenden Beruf sicherlich viel von den Klienten/Patienten zurück bekommt (ein positives Klischee) und es ja sowieso aus purem Idealismus macht (ich übertrebe jetzt mal bewusst an der Stelle) und nicht um so viel Geld zu verdienen, dass man sich und ggf. FAmilie über das nötigste hinaus finanzieren kann...

Jörg Dähn 02.02.201711:54 Uhr

"Wir brauchen in Krankenhäusern mehr Fachkräfte in der Pflege und den anderen Gesundheitsberufen, . . ."

Schön und gut Frau Steffen. Das wir die Leute brauchen steht fest. Interessant bleibt: wer bezahlt was? Das sparen Sie leider aus. Heisse Luft aus PolitikerInnenmund zahlt aber keine einzige Stelle.

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