Hartmannbund
Gröhe mahnt zur Sachlichkeit
Deutliche Worte an die Ärzteschaft: Bei der Hauptversammlung des Hartmannbundes verteidigt Bundesgesundheitsminister Gröhe seine Politik und fordert zu mehr Gelassenheit auf.
Veröffentlicht:BERLIN. Nach rund einem Jahr im Amt weiß Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) genau, wie er Mitglieder von Ärzteverbänden begeistern, aber auch mit deutlichen Worten kritisieren kann: Vor den Delegierten der diesjährigen Hauptversammlung des Hartmannbundes (HB), bekannte er sich ausdrücklich zur Freiberuflichkeit - "fundamental für die ärztliche Versorgung" - und kritisierte im gleichen Atemzug die schrille Debattenführung im Gesundheitswesen.
"Ich werbe dafür, dass wir mit mehr Gelassenheit und Vertrauen in die Diskussionen gehen." Das erwartet er nicht nur von Vertretern der Kassen oder Kliniken, auch die Ärzteschaft könne einiges tun. "Wenn ich sehe, mit welcher Begeisterung viele Ärzte in ihrem Beruf arbeiten, dann wünsche ich mir diese Begeisterung auch in der politischen Debatte", so Gröhe in Berlin.
Bei seiner Rede vor den Delegierten des Hartmannbundes lobte der Minister naturgemäß den Referentenentwurf des Versorgungsstärkungsgesetzes, das sein Haus vor zwei Wochen vorgelegt hat.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Der Entwurf sei auch eine Antwort auf die veränderten Arbeitsbedingungen und Lebenswünschen von Ärztinnen und Ärzten, die immer öfter in Gemeinschaftspraxen arbeiten wollen - auch, um Familie und Beruf zu vereinbaren.
Gelockerte Regelungen und Förderung dieser Modelle werde aus seiner Sicht aber zu kritisch von der Ärzteschaft bewertet: "Das ist nicht Konkurrenz zum niedergelassenen, freiberuflich tätigen Arzt zu sehen.
Vor allem die neue "Soll-Regelung" zum Aufkauf von Praxen in überversorgten Regionen verteidigte der Minister. "Die Soll-Regelung ist der Mittelweg aller Expertenratschläge." Auch hier habe ihn die massive Kritik verwundert: "Die einen sagen: Ihr schärft das Schwert. Die anderen sagen, ihr poliert es nur."
Beim zweiten Reizthema - den Terminservicestellen - versuchte Gröhe die Schärfe aus der Diskussion zu nehmen: "Wartezeiten sind nicht das größte Problem der Bürger, aber es ist nicht so klein, wie Sie denken", rief er den Delegierten des Hartmannbundes zu.
Im Ministerium vertraue man den KVen, dass sie wüssten, was vor Ort zu tun sei und wie sie diese Bestimmung regional umsetzen müsse. "Wir sehen das als Vorschlag zur Konkretisierung des Sicherstellungsauftrages der KVen." "Das ist beruhigend zu hören", antwortete HB-Vorsitzender Dr. Klaus Reinhardt nach Gröhes Rede.
Zuvor hatte er diese Vorgabe attackiert: "Statt die Flatrate-Mentalität bei der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen abzustellen, wird der völlig untaugliche Versuch gemacht, mit einem bürokratischen Overkill dem Problem Herr zu werden."
Reizthema Stimmenverteilung
Beim innerärztlichen Reizthema, der Stimmenverteilung zwischen Haus- und Fachärzten in den Vertreterversammlungen, setzte Gröhe ein Zeichen. "Wenn ich will, dass die Sektoren besser zusammenarbeiten, will ich nicht, dass die Sektoren sich in weitere Untersektoren zerteilen."
Mit den Regelungen könne ein neuer Weg des Vertrauens und der Zusammenarbeit gefunden werden. HB-Chef Reinhardt bezeichnete diese Pläne zuvor als "Posse": "Stimmen im Bundestag künftig die Katholiken alleine ab, wenn es sich um Fragestellungen handelt, die nur sie betreffen?"
Ein weiteres wichtiges Anliegen von Gröhe ist die Stärkung der Allgemeinmedizin: "Ich will, dass es in fünf Jahren normal ist, dass es an jeder Universität einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin gibt. Es soll auch ein starkes Fach in der Forschung werden."
Auch bei der Weiterbildung sieht Gröhe Modernisierungsbedarf: "Dieser Arbeitsabschnitt von jungen Ärzten muss einen privaten Umzug und eine Familiengründung überstehen."
Auch für die Bundesländer, die derzeit mit dem Bund in einer Arbeitsgruppe um eine Klinik-Reform ringen, hatte Gröhe einen Appell parat: "Wer die Planungshoheit hat, ist auch bei den Investitionskosten in der Verantwortung." Die AG tagt nach Informationen der "Ärzte Zeitung" in den ersten November-Wochen.