Große NRW-Koalition gegen Schäuble

Sparen, sparen und nochmals sparen: Finanzminister Wolfgang Schäuble bleibt hart und fordert auch vom Gesundheitsfonds seinen Anteil. In Nordrhein-Westfalen gehen die Ministerin, Ärzte und Krankenkassen auf die Barrikaden.

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Finanzminister Schäuble will sparen - auch beim Gesundheitsfonds.

Finanzminister Schäuble will sparen - auch beim Gesundheitsfonds.

© Herbert Knosowski / dpa

KÖLN (iss). Ungewöhnliche Koalition in Nordrhein-Westfalen: In einem gemeinsamen Schreiben haben zentrale gesundheitspolitische Akteure Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aufgefordert, die Pläne zur Kürzung des Bundeszuschusses zur gesetzlichen Krankenversicherung fallen zu lassen.

Unterzeichnet haben den Brief Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne), die Vorstandsvorsitzenden der KVen Nordrhein und Westfalen-Lippe, der AOK Rheinland/Hamburg, der AOK Nordwest und des BKK Landesverbands, die NRW-Leiter der Techniker Krankenkasse und des Ersatzkassenverbands vdek sowie der Geschäftsführer der Landeskrankenhausgesellschaft.

Sie weisen Schäuble darauf hin, dass der Bundeszuschuss keine staatliche Alimentierung der GKV ist, sondern der Finanzierung versicherungsfremder Leistungen dient, die die Kassen im Auftrag der Gesellschaft beziehungsweise des Staates erledigen.

Gesellschaftlich Erwünschtes könne aber nicht allein von der GKV-Solidargemeinschaft finanziert werden. Außerdem benötige das GKV-finanzierte Gesundheitswesen dringend ruhigeres Fahrwasser.

"Alle Akteure brauchen Planungssicherheit, um sich auf ihre eigentlichen Aufgaben, die Versicherung und Versorgung, konzentrieren zu können", heißt es in dem Brief, der zur Information auch an Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) gegangen ist.

"Wir brauchen eine nachhaltige und verlässliche Finanzierung auch der versicherungsfremden Leistungen in der GKV und keine Finanzierung nach Kassenlage", heißt es in dem Schreiben.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 25.02.201216:15 Uhr

Sparen, bis der Arzt kommt 2.0

Da kann man die ''Protestanten'' aus NRW nur zu ihrer ''Großen Koalition'' beglückwünschen! Denn die Pläne von Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU), die GKV über eine Kürzung des steuerlichen Bundeszuschuss zu schröpfen, sind abenteuerlich. Sie finden jedoch Unterstützung beim jetzigen FDP-Parteivorsitzenden und Bundeswirtschaftsminister Dr. med. Philipp Rösler (FDP), der wohl nicht verstehen will, worum es bei den 14 Milliarden € aus Steuermitteln an den Gesundheitsfonds geht. Denn er fällt damit seinem Parteikollegen, dem amtierenden Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), in den Rücken.

Der Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds ist k e i n e s f a l l s fiskalpolitische Manövriermasse zugunsten der gesamteuropäisch motivierten Schuldenbremse und Schäubles verzweifelter Haushaltskonsolidierung, Banken-, Hedgefonds- und Griechenlandrettung. Er dient rechtsverbindlich der "Mitfinanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben" wie dem Sozialausgleich bei GKV-Beitragsfreiheit für bis 18-Jährige, nichtarbeitende Ehefrauen, geringfügige GKV-Beiträge bei prekären Arbeitsverhältnissen, Minijobs, geringen Renten und ALG I+II-Beziehern. Er bildet Befreiungen von Praxis- und Verordnungsgebühren bzw. Zuzahlungen ab.

Die GKV bedient zusätzlich die Finanzierung sämtlicher Krankheitsfolgen von Alkohol, Tabak, Verkehrs- und sonstigen Unfallverletzungen. Das gilt auch für a l l e Attentatsopfer und durch Straftaten Verletzte, wenn sie nicht durch Beihilfe, Private Kranken- und Unfallversicherung, Opferentschädigungsgesetz oder gesetzliche Unfallversicherung versorgt werden.

14 Mrd. € Bundeszuschuss sind bei 180 Mrd. € GKV-Gesamtumsatz gerade 7,8 Prozent. Das ist eine deutliche U n t e r d e c k u n g für die per GKV-Gesundheitsfonds als Vorleistung erbrachten Solidar-, Transfer- und Subsidiärleistungen. Es stimmt mich persönlich bedenklich, dass ein juristisch hochqualifizierter Finanzminister ausgerechnet im Gesundheitswesen Mittelzuwendungen streichen will, während das Vorhalten von Rettungs-, Krankenhaus- und Versorgungsstrukturen bzw. Rehabilitationsressourcen ihm persönlich das Leben und seine Arbeitsfähigkeit gerettet haben.

Der Präsident des Bundessozialgerichts (BSG), Peter Masuch, fragte öffentlich, "mit welcher Rechtfertigung der Rettungsschirm für die Finanzmarktkrise durch Einsparungen im Sozialhaushalt finanziert werden könnte?". So lange zweistellige Milliardensummen von den GKV-Versicherten durch Praxis- und Rezeptgebühren, Zuzahlungen, Zusatzbeiträge und Leistungsausschlüsse in Eigenleistung z u s ä t z l i c h erbracht werden müssen bzw. demografische, innovative und epidemiologische, diagnostische, kurative, operative und palliative Herausforderungen noch zu bestehen sind, darf der Bundeszuschuss an die GKV-Gesundheitsfonds nicht angetastet werden.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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