Zukünftiger Kurs
Grüne sind bei Homöopathie gespalten
Homöopathie-Therapie fördern oder erschweren? Die Grünen gelten traditionell als Verteidiger alternativer Therapien. Doch schon vor dem Parteitag im November sind die Lager meilenweit auseinander.
Veröffentlicht:Berlin. Die Grünen bereiten sich bei ihrem Parteitag Mitte November in Bielefeld auf ein ungewohntes Konfliktfeld vor: die Homöopathie.
Der Streit lauert beim Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“. Grüne Kreisvorstände von Flensburg bis Passau haben zum Umgang mit der Homöopathie völlig konträre Anträge aufgesetzt – die Moderation dieses für die grüne Parteiseele sensiblen Themas könnte für den Parteivorstand ein Balanceakt werden.
Das Bundestagswahlprogramm 2017 enthielt noch das Bekenntnis einer „besseren Erforschung von alternativmedizinischen Verfahren mit anerkannten Methoden“. Um diese Harmonie zwischen Schul- und Alternativmedizin bemühen sich einzelne Anträge für die Bundesdelegiertenkonferenz erst gar nicht.
Federführend formuliert es Tim Demisch vom Kreisvorstand Berlin-Treptow/Köpenick: „Bevorteilung der Homöopathie beenden!“. „Einer der Grundsätze unserer Politik ist es, wissenschaftliche Fakten wahrzunehmen und sie als Grundlage für politische Steuerung zu nutzen“, heißt es darin.
260 Mitglieder wollen Homöopathie-Sonderrechte abschaffen
Demisch fordert im Namen von rund 260 Antragstellern, dass die „Sonderrechte“ für Homöopathie im Arzneimittelgesetz oder SGB V „aufgehoben oder zumindest kritisch überdacht werden“. Die Apothekenpflicht fast aller Homöopathika habe in der Praxis weniger zu einer Beratung durch die Pharmazeuten geführt, sondern vielmehr eine „Statusaufwertung“ dieser Mittel bewirkt.
Die Registrierung oder vereinfachte Zulassung dieser Mittel solle ebenso abgeschafft werden wie die Bezahlung durch die Kassen im Rahmen von Satzungsleistungen, heißt es im Antrag.
Pro-Homöopathie-Fraktion: Keine Verbotspartei sein
Ganz anders hört sich das bei Ulrich Geyer vom Kreisvorstand Heidenheim an. Unter dem Rubrum „Förderung der integrativen Medizin“ warnt er, die Grünen seien keine „Verbotspartei für bestimmte Lebenskonzepte, für bestimmte Glaubensformen oder für eine Einengung auf eine Wissenschaftssicht“. Im Kern gehe es um einen „sachlichen Wissenschaftspluralismus“ und für „therapeutische Vielfalt unter bewährten und erprobten Behandlungsmethoden“.
Ein Parteitag, warnt er, sei kein Ort „einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung über die Studien zur Homöopathie“. Wissenschaftler, die sich mit Integrativmedizin beschäftigen, sähen „eine klare Evidenz für eine Wirkung homöopathischer Substanzen jenseits des Placeboeffekts“, so Demisch.
Grundsätzlich politischer formuliert es der Antrag von Kay Müller vom Kreisvorstand Halle. Er betont, fast gleichlautend wie die Homöopathie-Skeptiker in seiner Partei, wissenschaftliche Fakten müssten „als Grundlage für politische Gestaltung“ genutzt werden – zieht daraus aber völlig andere Konsequenzen. Denn die Grünen stünden „mehr als jede andere Partei für alternative und naturgemäße Methoden wie die Homöopathie“.
Diesen grünen Markenkern gelte es zu stärken. Angesichts der Zweifel an der Wirksamkeit, „streben wir eine Aktualisierung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes an“. Ob sich die grünen Delegierten mit einer solchen dialektischen Wendung zufriedengeben? Viel hängt in solchen Fällen von einer klugen Parteitagsregie ab.