DEGAM-Kongress

Hausärzte sind „Anker und Türöffner im digitalen Versorgungsalltag“

Die Digitalisierung wälzt gerade Teile der bekannten Versorgungslandschaft um, mahnt die DEGAM. Sie ruft daher die Hausärzte dazu auf, neue Prozesse aktiv mitzugestalten und stärker als Mittler zwischen Patient und Technik aufzutreten.

Von Dirk Schnack Veröffentlicht:
Der Hausarzt als Mittler zwischen digitalen Anwendungen und Patient. Das funktioniert aber nur, wenn Ärzte auch in Aus-, Fort- und Weiterbildung die Chance erhalten, sich digitale Kompetenzen zu erarbeiten.

Der Hausarzt als Mittler zwischen digitalen Anwendungen und Patient. Das funktioniert aber nur, wenn Ärzte auch in Aus-, Fort- und Weiterbildung die Chance erhalten, sich digitale Kompetenzen zu erarbeiten.

© Aleksandra Suzi / stock.adobe.com

Lübeck. Die Herausforderungen der Coronavirus-Pandemie und die Chancen und Risiken der Digitalisierung sind zwei Hauptthemen beim 55. Kongress für Allgemein- und Familienmedizin. Die ausrichtende Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) würdigte insbesondere die Rolle der Hausarztpraxen in den zurückliegenden 18 Monaten in der Pandemiebekämpfung.

„Wann immer die Hausärzte gebraucht wurden, waren sie da“, betonte DEGAM-Präsident Professor Martin Scherer, der die zurückliegenden 18 Monate als „kräftezehrende Zeit“ bezeichnete. Er erinnerte an Testungen und Impfungen unter schwierigsten Bedingungen, an Hygienemaßnahmen trotz Mangels an Schutzausrüstung, an ständig erforderliche Umorganisationen in den Praxen und vor allem an die Aufrechterhaltung der gewohnten Patientenversorgung.

Hausärzte aus dem Blick verloren?

Scherer unterstrich, dass politische Vorgaben dabei mitunter die Arbeit in den Praxen deutlich erschwert hätten. Es seien Aufgaben an die Hausärzte verteilt worden, ohne deren Konsequenzen für die Praxen zu bedenken. Als Beispiele nannte er den Wegfall der Priorisierung, bevor ausreichend Impfstoff vorhanden war, und die aktuelle Forderung nach einer breiten Booster-Impfung – bevor eine STIKO-Empfehlung vorliegt. „All dies verwirrt Patienten und erzeugt eine künstliche Inanspruchnahme von hausärztlichen Kapazitäten“, machte Scherer deutlich.

Durch die Digitalisierung bilden sich aktuell Teile der Versorgungslandschaft neu. Hier sollten Fachärzte für Allgemeinmedizin zentral platziert werden.

Professor Jost Steinhäuser DEGAM-Kongresspräsident

Der DEGAM-Präsident ging auch auf die Herausforderungen der Pandemie für die Wissenschaft ein. Bislang „verliebt in belastbare Wirkungsnachweise, klinische und Versorgungsforschungsstudien“ musste sie pandemiebedingt plötzlich mit ständig wechselnden Fragestellungen umgehen, die dieser Grundlage entbehrten. Sein Fazit: Die DEGAM-Gremien konnten sich den wechselnden Situationen anpassen und „auf unterschiedlichen Kanälen die bestverfügbare Evidenz in die Welt rufen“.

Trotz Pandemie beschäftigen zahlreiche weitere Themen die Allgemeinmedizin – zentral ist dabei die Digitalisierung. Wie wichtig es für Allgemeinmediziner ist, diesen Prozess mitzugestalten, machte unter anderem Kongresspräsident Professor Jost Steinhäuser aus Lübeck deutlich. „Durch die Digitalisierung bilden sich aktuell Teile der Versorgungslandschaft neu. Hier sollten Fachärzte für Allgemeinmedizin zentral platziert werden“, so Steinhäuser.

Ihm schwebt vor, dass sich Allgemeinmediziner als Mittler zwischen Patienten und digitalen Anwendungen etablieren und damit ihre Rolle stärken.

Unter-, Fehl- und Überversorgung vermeiden

Damit könne ein ganzheitlicher Zugang von Patienten zu hausärztlichen Praxen und Kontinuität der Versorgung auch in neu entstehenden digitalen Versorgungsangeboten erreicht werden. Sich nicht an diesem Prozess zu beteiligen birgt aus seiner Sicht die Gefahr, dass sich Geschäftsmodelle etablieren, die an den Hausärzten vorbei Teile der Versorgung für sich „herauspicken“ – mit der Folge von Unter-, Fehl- oder Überversorgung.

In diesem Zusammenhang präsentierte die DEGAM in Lübeck eine Fünf-Punkte-Digitalstrategie. Dazu zählt etwa mehr Evidenzbasierung bei digitalen Gesundheitsanwendungen: Für die von Ärzten verordneten DiGA sollten vergleichbare methodische Zulassungsstandards wie für Medikamente und für nicht-medikamentöse Interventionen aus dem Leistungskatalog der GKV gelten.

Bei Routinearbeiten entlasten

Außerdem müsse es Ärzten ermöglicht werden, digitale Kompetenzen zum sicheren, angemessenen und kritischen Umgang in der Aus-, Fort- und Weiterbildung stadiengerecht zu erwerben, forderte die DEGAM. Die Hausarztpraxis sieht sie als „Anker und Türöffner im digitalen Versorgungsalltag“.

Digitalisierung soll der Verbesserung der hausärztlichen Versorgung dienen, indem sie etwa unnötige Doppeluntersuchungen vermeiden hilft, bei Routineabläufen und -kontrollen entlastet und Qualitätssicherung unterstützt. Die Effektivität der hausärztlichen Primärversorgung schließlich soll durch Digitalisierung unterstützt und nicht beeinträchtigt werden. Im Ergebnis müssen sich Arbeitserleichterungen ergeben und es muss mehr Zeit für die Konsultation zur Verfügung stehen.

Lesen sie auch
Lesen sie auch
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025

Das könnte Sie auch interessieren
Ein Roboter, der Akten wälzt? Künstliche Intelligenz kann bereits mit Leitlinien umgehen – jedenfalls wenn sie so gut strukturiert sind wie die der DEGAM.

© Iaroslav / stock.adobe.com

Digitalisierung in der Medizin

Kollegin Dr. ChatGPT? Wie Künstliche Intelligenz Ärzten helfen könnte

Digital und innovativ: Klinikum Siegen überzeugt von Fluency Direct

© Solventum Germany GmbH

Solventum Spracherkennung

Digital und innovativ: Klinikum Siegen überzeugt von Fluency Direct

Anzeige | 3M Healthcare Germany GmbH
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2024

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Eine Sanduhr, durch die Geldstücke fall

© fotomek / stock.adobe.com

Tag der Privatmedizin 2024

Outsourcing: Mehr Zeit für Patienten!

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Buch mit sieben Siegeln oder edles Werk? KI-Idee einer in Leder eingebundenen neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

© KI-generiert mit ChatGPT 4o

Exklusiv Entwurf unter der Lupe

Das brächte Ihnen die neue GOÄ

Kommentare
Sonderberichte zum Thema

Multiresistente gramnegative Erreger

Die Resistenzlage bei Antibiotika ist kritisch

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Shionogi GmbH, Berlin
In Deutschland leben derzeit etwa 96.700 Menschen mit einer HIV-Infektion.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Unternehmen im Fokus

Wie können wir die HIV-Epidemie beenden?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried b. München
Abb. 1: Eszopiclon verbesserte signi?kant beide polysomnographisch bestimmten primären Endpunkte: Schla?atenz (a) und Schlafe?zienz (b)bei älteren Patienten mit chronischer primärer Insomnie (jeweils p0,05)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziet nach [20]

Behandlungsbedürftige Schlafstörungen bei älteren Menschen

Schlafstörungen können typische Altersprozesse triggern und verstärken

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: HENNIG Arzneimittel GmbH & Co. KG, Flörsheim
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025