Kommentar zum DEGAM-Appell

Digitalisierte Ärzte – bitte mehr Wollen statt Sollen!

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:

Seit dem 19. November 2003 ist das Deutsche Gesundheitswesen digital, jedenfalls auf dem Papier: Damals ist das GMG, das GKV-Modernisierungsgesetz veröffentlicht worden. Seither gilt im SGB V das Credo, dass „papiergebundene Kommunikation unter den Leistungserbringern so bald und umfassend wie möglich durch die elektronische ersetzt“ werden soll (Paragraf 67). Und Krankenkassen können seitdem elektronische Gesundheitsakten anbieten (Paragraf 68).

Wirklich weit sind wir nicht gekommen seitdem. Jahre des Zanks um die elektronische Gesundheitskarte haben zur Blockade in der Selbstverwaltung geführt. Damals muss der Moment gewesen sein, da Ärzte ein Stück weit das Zepter bei der Digitalisierung aus der Hand gegeben haben.

Spahns Prinzip Brechstange

Die Folgen spüren sie spätestens, seit Gesundheitsminister Jens Spahn das Sagen hat. Er hat das Prinzip Brechstange gewählt, um die Versäumnisse der Jahre zuvor aufzuholen. Doch die digitalen Segnungen in Praxis, Klinik und Pflege stehen aus.

DiGA? Wenige tausend Verordnungen, weil Ärzte ihnen nicht trauen. eAU? Wird digital und muss dennoch bis auf Weiteres ausgedruckt werden. E-Rezept? Sollte besser QR-Code-Rezept heißen, weil der Code doch wieder ausgedruckt werden muss. Bundeseinheitlicher Medikationsplan? Bislang ein Papiertiger. Impfnachweise für COVID-19? Dafür gibt’s einen QR-Code extra oben drauf – samt separater App. Auch das ginge schlanker mit einer ePA. Sie wäre der Schlüssel, ist immerhin verpflichtend, aber bis dato schlicht eine schmucklose PDF-Sammlung, sofern Versicherte sie überhaupt nachfragen.

So ist in den vergangenen Jahren aus der Digitalisierungsblockade ein Digitalisierungsflickenteppich geworden. Flicken müssen nicht schlecht sein, wenn sie sich denn gut integrieren lassen. Aber in Praxis, Klinik und Pflege werden Digitalisierung dadurch als Belastung erlebt, als etwas, das die Versorgung nicht verbessert, nur Geld, Zeit und Nerven kostet. Die Geschichten über die TI-Ausfälle und Probleme mit Konnektor-Updates sind Legion.

Lesen sie auch

Die DEGAM hat schon recht, wenn sie auf ihrer Jahrestagung formuliert: „Den Prozess der Digitalisierung aktiv mitzugestalten, birgt diverse Chancen.“ Oder im Umkehrschluss: „Diesen Prozess nicht aktiv mitzugestalten, birgt die Gefahr einer Unter-, Über- und Fehlversorgung unserer Patientinnen und Patienten durch Geschäftsmodelle, die sich Teile der Versorgung am Hausarzt vorbei herauspicken.“

Aus dieser Analyse kann nur eines folgen: Statt Blockade sollten Ärzte in Praxis, Klinik und Wissenschaft das Zepter wieder an sich reißen. Am besten zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus anderen Gesundheitsberufen. Sie sollten zu konstruktiven, kreativen und bestimmenden Akteuren in der Digitalisierung werden.

Beispiele gibt es viele : etwa die elektronische Arztvernetzung (eAV) in Baden-Württemberg. Oder die sektorübergreifende Notfallversorgung (SaN) in Hessen. Beides Projekte, die aus ärztlicher Sicht entstanden sind und mit digitalen Tools ganz praktische Versorgungsprobleme lösen sollen.

Schreiben Sie dem Autor: denis.noessler@springer.com

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Gemischte Reaktionen in Bayern

ePA-Start in Franken: Testregion dämpft Erwartungen

Das könnte Sie auch interessieren
Ein Roboter, der Akten wälzt? Künstliche Intelligenz kann bereits mit Leitlinien umgehen – jedenfalls wenn sie so gut strukturiert sind wie die der DEGAM.

© Iaroslav / stock.adobe.com

Digitalisierung in der Medizin

Kollegin Dr. ChatGPT? Wie Künstliche Intelligenz Ärzten helfen könnte

Digital und innovativ: Klinikum Siegen überzeugt von Fluency Direct

© Solventum Germany GmbH

Solventum Spracherkennung

Digital und innovativ: Klinikum Siegen überzeugt von Fluency Direct

Anzeige | 3M Healthcare Germany GmbH
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2024

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Eine Sanduhr, durch die Geldstücke fall

© fotomek / stock.adobe.com

Tag der Privatmedizin 2024

Outsourcing: Mehr Zeit für Patienten!

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Buch mit sieben Siegeln oder edles Werk? KI-Idee einer in Leder eingebundenen neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

© KI-generiert mit ChatGPT 4o

Exklusiv Entwurf unter der Lupe

Das brächte Ihnen die neue GOÄ

Kommentare
Sonderberichte zum Thema

Multiresistente gramnegative Erreger

Die Resistenzlage bei Antibiotika ist kritisch

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Shionogi GmbH, Berlin
In Deutschland leben derzeit etwa 96.700 Menschen mit einer HIV-Infektion.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Unternehmen im Fokus

Wie können wir die HIV-Epidemie beenden?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried b. München
Abb. 1: Eszopiclon verbesserte signi?kant beide polysomnographisch bestimmten primären Endpunkte: Schla?atenz (a) und Schlafe?zienz (b)bei älteren Patienten mit chronischer primärer Insomnie (jeweils p0,05)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziet nach [20]

Behandlungsbedürftige Schlafstörungen bei älteren Menschen

Schlafstörungen können typische Altersprozesse triggern und verstärken

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: HENNIG Arzneimittel GmbH & Co. KG, Flörsheim
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025