WHO-Studie
Je teurer der Alkohol, desto weniger Suchtkranke
Die Verteuerung alkoholischer Getränke mit Steuern wäre die kosteneffektivste Maßnahme, um das Ausmaß der Suchtprobleme zu verringern. Das bestätigt eine WHO-Studie zu Kosten und Nutzen von Alkohol-Prävention.
Veröffentlicht:Alkohol ist in Deutschland das Suchtrisiko Nummer eins, und das Problem ist hierzulande deutlich größer als in anderen Industrieländern. Nach aktuellen Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) lag die Bundesrepublik 2015 mit einem mittleren Konsum von 10,7 Litern reinen Alkohols pro Jahr vom Jugendlichen bis zum Greis deutlich über dem Schnitt der OECD-Länder (9 Liter jährlich). Die konsumierte Menge bei uns habe sich seit dem Jahr 2000 zudem nur geringfügig verändert, so die DHS.
Schnaps rund um die Uhr verfügbar
Kritisiert wird von Suchtexperten unter anderem der niedrige Preis von Alkoholika in Deutschland, die 24-Stunden-Verfügbarkeit etwa an Tankstellen und die großen Freiheiten bei der Werbung. Ebenso wird immer wieder der mangelhafte Jugendschutz angeprangert: Bei Testkäufen kämen immer noch 30 bis 50 Prozent der Jugendlichen rechtswidrig an Alkohol, betonte die DHS im Frühjahr bei einer Veranstaltung in Berlin.
Dass diese Kritikpunkte die richtigen Ansatzpunkte wären, um die bedenkliche Situation in Deutschland zu entschärfen, hat nun die WHO erneut in einer Studie bestätigt. Danach ließen sich in Deutschland mit kaum einer anderen Maßnahme so kostengünstig gesunde Lebensjahre von Menschen erhalten und frühe Todesfälle verhindern, wie mit einer konsequenten Alkohol-Prävention.
Unter 100 US-Dollar für ein DALY
Für die Studie haben Forscher um Dr. Daniel Chisholm von der WHO die Kosten und die Effizienz von fünf gängigen Maßnahmen zur Reduktion des Alkoholkonsums in 16 Ländern weltweit ermittelt (Alcohol and Drugs 2018; . 79: 514). Dazu gehörten Länder mit höherem Einkommen (etwa Deutschland, USA, Japan, China) und Länder mit geringerem Einkommen (wie Guatemala, Indien, Ukraine, Vietnam). Analysiert wurden dabei Daten aus Registern wie dem "Global Information System on Alcohol and Health" der WHO (GISAH).
Die Ergebnisse:
- Erhöhung der Steuern für alkoholische Getränke um 50 Prozent: Die Kosten hierfür, etwa für Verwaltung, Kommunikation oder Durchsetzung, werden mit 10 US-Cent pro Einwohner veranschlagt. Mit der Maßnahme ließen sich über 500 DALY (disease-adjusted life years) pro einer Million Einwohner sichern. Und die Kosten wären hier mit weniger als 100 US-Dollar pro DALY am niedrigsten.
- Gesetzliche Beschränkung der Verfügbarkeit von Alkohol und der Werbung dafür wäre ebenfalls sehr wirksam und kostengünstig. Hier setzen die WHO-Forscher ebenso nur 10 US-Cent pro Kopf an. Damit ließen sich 200-300 DALY pro eine Million Einwohner sichern, bei Kosten pro DALY von 500 (Länder mit hohem Einkommen) und 100 US-Dollar (niedriges Einkommen).
- Mehr Kontrollen auf Alkohol am Steuer: Diese Maßnahme ist nach der Studie teurer und weniger effektiv: weniger als 100 DALY pro eine Million Einwohner ließen sich damit sichern bei Kosten von 1500 bis 3000 US-Dollar pro DALY.
- Psychosoziale Kurzintervention für Suchtgefährdete beim Hausarzt: Mit Kosten von etwas über einem USDollar pro Einwohner in Ländern mit hohen Einkommen (10 US-Cent in Niedrig-Einkommen-Ländern) ließen sich damit 500 bis 1000 DALY pro eine Million Einwohner sichern. Dies entspricht einem Aufwand pro DALY von 1434 US-Dollar (reiche Länder) und 143 US-Dollar (arme Länder).
Die Forscher merken an, dass nur die direkten Kosten berechnet wurden und der indirekte Nutzen etwa durch Erhalt der Arbeitskraft eines Menschen wahrscheinlich viel größer sei. Die Implementierung der Maßnahmen werde durch große Widerstände wie Lobby-Arbeit der Industrie immer wieder verhindert mit Argumenten wie Verlust von Arbeitsplätzen oder von Steuereinnahmen.
In Schottland hingegen wurde am 1. Mai dieses Jahres ein Mindestpreis für Bier, Wein und Spirituosen eingeführt. Diese müssen dort jetzt so teuer sein, dass der enthaltene Alkohol für 50 Pence (57 Cent) pro zehn Milliliter verkauft wird. Man hofft, damit binnen fünf Jahren rund 400 Todesfälle und etwa 8000 Klinikaufenthalte verhindern zu können.