Grundgesetzänderung geplant
Kabinett billigt Gesetz zur Verankerung von Kinderrechten
Besonders schutzbedürftig: Kinderrechte sollen ausdrücklich im Grundgesetz erwähnt werden. Das Bundeskabinett gab am Mittwoch grünes Licht für einen Gesetzesentwurf. Kinderärzten gehen die Formulierungen nicht weit genug.
Veröffentlicht:
Kinderrechte sollen nach dem Willen der großen Koalition ausdrücklich ins Grundgesetz aufgenommen werden. Kritik kommt von Kinderärzten und von der Opposition.
© Sascha Steinach / picture alliance / ZB
Berlin. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den umstrittenen Gesetzentwurf zur Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz beschlossen.
Nach dem von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) eingebrachten Entwurf soll in Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes folgende Formulierung aufgenommen werden: „Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.“
Lambrecht: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen
Die Bundesregierung mache damit deutlich, „dass uns das Wohlergehen von Kindern ganz besonders am Herzen liegt“, sagte Lambrecht nach der Kabinettssitzung am Mittwoch in Berlin. Kinder seien „keine kleinen Erwachsenen“. Sie seien besonders schutzbedürftig und hätten besondere Bedürfnisse, betonte Lambrecht.
Familienministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte, die Coronavirus-Pandemie zeige, „dass wir die Interessen der Kinder stets besonders im Blick behalten müssen, dies aber leider noch nicht überall selbstverständlich ist“. Umso wichtiger sei es deshalb, „gerade jetzt die Kinderrechte im Grundgesetz großzuschreiben“.
Union und SPD wollen den Verfassungszusatz zu den Kinderrechten noch vor der Bundestagswahl Ende September realisieren. Nötig wäre dafür allerdings eine Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Giffey sprach von einer „historischen Chance“. Diese dürfe man nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Widerspruch zur UN-Kinderrechtskonvention?
Bei Kinder- und Jugendärzten stößt das Vorhaben der Bundesregierung grundsätzlich auf Zustimmung. Dennoch seien die von der Koalition gewählten Formulierungen zu halbherzig. Der Teufel stecke im Detail: So fehle zum einen der ausdrückliche Hinweis, Kinder und ihre Bedürfnisse „fördern“ zu wollen. Deren Interessen zu „achten“ und zu „schützen“, reiche nicht.
Ein weiterer Kritikpunkt entzündet sich daran, dass das Kindeswohl laut Formulierung der Koalition nur „angemessen“ berücksichtigt werden soll. „Das widerspricht aber der UN-Kinderrechtskonvention, wo von einem vorrangigen Recht der Kinder die Rede ist“, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Thomas Fischbach, der „Ärzte Zeitung“.
Vertretern von Grünen und der Linken geht die geplante Formulierung ebenfalls nicht weit genug. Beide haben angekündigt, gegen die Regierungsvorlage stimmen zu wollen.