Grundgesetzänderung geplant

Kabinett billigt Gesetz zur Verankerung von Kinderrechten

Besonders schutzbedürftig: Kinderrechte sollen ausdrücklich im Grundgesetz erwähnt werden. Das Bundeskabinett gab am Mittwoch grünes Licht für einen Gesetzesentwurf. Kinderärzten gehen die Formulierungen nicht weit genug.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Kinderrechte sollen nach dem Willen der großen Koalition ausdrücklich ins Grundgesetz aufgenommen werden. Kritik kommt von Kinderärzten und von der Opposition.

Kinderrechte sollen nach dem Willen der großen Koalition ausdrücklich ins Grundgesetz aufgenommen werden. Kritik kommt von Kinderärzten und von der Opposition.

© Sascha Steinach / picture alliance / ZB

Berlin. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den umstrittenen Gesetzentwurf zur Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz beschlossen.

Nach dem von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) eingebrachten Entwurf soll in Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes folgende Formulierung aufgenommen werden: „Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.“

Lambrecht: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen

Die Bundesregierung mache damit deutlich, „dass uns das Wohlergehen von Kindern ganz besonders am Herzen liegt“, sagte Lambrecht nach der Kabinettssitzung am Mittwoch in Berlin. Kinder seien „keine kleinen Erwachsenen“. Sie seien besonders schutzbedürftig und hätten besondere Bedürfnisse, betonte Lambrecht.

Familienministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte, die Coronavirus-Pandemie zeige, „dass wir die Interessen der Kinder stets besonders im Blick behalten müssen, dies aber leider noch nicht überall selbstverständlich ist“. Umso wichtiger sei es deshalb, „gerade jetzt die Kinderrechte im Grundgesetz großzuschreiben“.

Union und SPD wollen den Verfassungszusatz zu den Kinderrechten noch vor der Bundestagswahl Ende September realisieren. Nötig wäre dafür allerdings eine Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Giffey sprach von einer „historischen Chance“. Diese dürfe man nicht ungenutzt verstreichen lassen.

Widerspruch zur UN-Kinderrechtskonvention?

Bei Kinder- und Jugendärzten stößt das Vorhaben der Bundesregierung grundsätzlich auf Zustimmung. Dennoch seien die von der Koalition gewählten Formulierungen zu halbherzig. Der Teufel stecke im Detail: So fehle zum einen der ausdrückliche Hinweis, Kinder und ihre Bedürfnisse „fördern“ zu wollen. Deren Interessen zu „achten“ und zu „schützen“, reiche nicht.

Ein weiterer Kritikpunkt entzündet sich daran, dass das Kindeswohl laut Formulierung der Koalition nur „angemessen“ berücksichtigt werden soll. „Das widerspricht aber der UN-Kinderrechtskonvention, wo von einem vorrangigen Recht der Kinder die Rede ist“, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Thomas Fischbach, der „Ärzte Zeitung“.

Vertretern von Grünen und der Linken geht die geplante Formulierung ebenfalls nicht weit genug. Beide haben angekündigt, gegen die Regierungsvorlage stimmen zu wollen.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 22.01.202110:51 Uhr

Was für ein unsinniger Satz einer Bundesjustizministerin: "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen"?

Juristisch sind sie im Grundgesetz (GG) zweifellos vollständig inkludiert. Aber nicht nur in der kinderärztlichen Praxis, sondern auch in ihrer kindlichen Lebensqualität und -realität werden ihre Grundrechte allzuoft mit Füßen getreten. Ämter, Behörden, Institutionen, Kirchen, Heimträger, Missbraucher und Peiniger, Öffentlichkeit und sensationsgierige Medien scheren sich in praxi zu oft einen Dreck um Kinderrechte bzw. Selbstbestimmung und -behauptung unserer Kinder. Ihre bio-psycho-sozial-kulturellen Bedürfnisse werden negiert. Kinder und oftmals auch ihre Eltern werden an den gesellschaftlichen Rand gedrängt und ausgegrenzt.

Und gerade weil das so ist, weil ein jahrzehntelanges Staatsversagem, Schlendrian, Augen-Ohren-Mund-Zu-Mentalität und staats- bzw. kirchenrechtliches Nirwana zugelassen und gefördert wurde, kommen jetzt einige Politiker*Innen auf die Idee, in Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes folgende Formulierung aufzunehmen: „Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.“

Diese Formulierung ist das personifizierte schlechte Gewissen und historisches Schuldeingeständnis zugleich. Außerdem ist es weiterhin ein unentschlossen weichgespültes Bekenntnis zu einer äußerst fragwürdigen Zukunft, die wir unseren Kindern eingebrockt haben: Unkontrollierbare Pandemie, bankrotte Ökonomie, kaputte Ökologie, irreversible Klimakatastrophe, sexualisierte Gewalt und Übergriffigkeit bzw. Primat von Geld, Einfluss, Macht und Manipulation auf Politik, Gesellschaft, Wissenschaft, Forschung und Entwicklung.

Mf+kG, Ihr Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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