GKV

Kassen-Hochzeiten werden seltener

Die gute Finanzlage der Krankenkassen hat den Zwang zu Fusionen abgeschwächt. Lange anhalten wird der Trend aber wohl nicht.

Von Dieter Leopold Veröffentlicht:
Die Fusionswelle der gesetzlichen Kassen ist abgeebt.

Die Fusionswelle der gesetzlichen Kassen ist abgeebt.

© Angelika Warmuth / dpa

NEU-ISENBURG. Das Jahr 2012 wird nicht als "Jahr der Zusammenschlüsse" in die Annalen der gesetzlichen Krankenversicherung eingehen. Denn die Fusionswelle ist deutlich abgeebbt.

Insgesamt gab es im Verlauf des Jahres 2012 acht Zusammenschlüsse. Zu Jahresbeginn 2013 sind drei Fusionen erfolgt. Derzeit existieren noch 134 gesetzliche Krankenkassen. 1990, ein Jahr nach der Wiedervereinigung, gab es in den alten Bundesländern noch 1147 Krankenkassen.

Potenzial zu Zusammenschlüssen weitgehend ausgereizt

Die Gründe für den zurückgehenden Fusionstrend sind offensichtlich: Eine günstige finanzielle Situation in allen Zweigen der Sozialversicherung ließ zum einen den Zwang zu strategischen Fusionen, wie er in früheren Jahren bestanden hatte, schwächer werden.

Andererseits erscheint das Potenzial zu Zusammenschlüssen aus heutiger Sicht weitgehend ausgereizt zu sein.

Nachdem die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) in den letzten Jahren stark abgenommen haben, verzeichneten sie zum 1. März 2012 eine vorerst letzte Fusion. Dabei wurde im Südwesten die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland gegründet. Sie vereint rund 880.000 Mitglieder.

Damit existieren noch elf selbstständige AOKs, die sich teilweise nur über ein Bundesland wie Baden-Württemberg, Hessen oder Bayern erstrecken, zum Teil aber auch mehrere Bundesländer umfassen, etwa in Norddeutschland oder in den neuen Bundesländern.

2012: Vier Zusammenschlüsse bei den BKK

Keine Veränderungen im Bestand verzeichneten die sechs Innungskrankenkassen (IKK), ebenso wenig die Knappschaft, die bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See angesiedelt ist.

Zu den Trägern der GKV gehört auch die bundesweit arbeitende landwirtschaftliche Krankenkasse. Sie betreut rund 500.000 Mitglieder und über 200.000 Familienangehörige.

Vier Fusionen bei den Betriebskrankenkassen (BKK) hatte es zu Jahresbeginn 2012 gegeben und auch einen kassenartenübergreifenden Zusammenschluss von Deutscher Angestellten Krankenkasse (DAK) und BKK Axel Springer.

Am 1. Oktober 2012 gingen die BKK Hoesch und die BKK vor Ort zusammen. Die BKK Hoesch war aufgrund finanzieller Schwierigkeiten lange Zeit ein "Sorgenkind" in der BKK-Gemeinschaft, zumal sie von ihren Mitgliedern einen Zusatzbeitrag von 15 Euro im Monat verlangte.

Dies war Anlass für mehr als ein Drittel der Mitglieder, die Krankenkasse zu wechseln - und ein wesentlicher Grund für die Fusion.

Fusionen zum Jahresbeginn

Kassenarten übergreifend kam es am 1. Januar 2013 zu einer Fusion: Die DAK-Gesundheit übernahm die BKK Saint Gobain in Aachen. Ansonsten melden die anderen fünf Ersatzkassen keine Veränderungen.

Allerdings hat die KKH die Kooperation mit der Allianz wieder aufgegeben, weil sich die gegenseitigen Erwartungen nicht erfüllten.

Eine Fusion melden die BKKen auch zum Jahresbeginn 2013 in Bayern: Dabei schlossen sich die BKK der Schwesternschaft München von Bayerischen Roten Kreuz und die BKK A.T.U. zusammen.

Eine mehr organisatorische Veränderung im BKK-System gab es insofern, als die derzeit noch 109 BKKen einen neuen Dachverband in der Bundeshauptstadt errichtet haben, der als zentrale Organisation die politische Meinungsbildung wie auch die Gremienarbeit effizienter gestalten und nahe an den Schaltstellen der Macht sein soll. Bisher war der Bundesverband in Essen beheimatet.

Bald weniger als 100 Kassen?

Die weitere Entwicklung in der GKV dürfte interessant sein. Die Annahme von Experten, dass es in einigen Jahren weniger als 100 gesetzliche Krankenkassen geben könnte, scheint dann keine Utopie mehr zu sein, wenn sich die finanzielle Situation der Kassen aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten wieder eintrüben sollte und sie dazu zwingt, Zusatzbeiträge von ihren Mitgliedern zu erheben.

Nur große Krankenkassen - so heißt es immer wieder - könnten gegenüber den Leistungserbringern wie Ärzte, Pharma- und Hilfsmittelindustrie die heute unumgängliche Verhandlungsmacht entwickeln, um den Kostenanstieg im Gesundheitswesen in vertretbaren Grenzen zu halten. Auch besäßen sie ab einer bestimmten Größenordnung von Mitgliedern im Millionenbereich mehr Chancen am Markt.

Protagonisten des Kassenwettbewerbs

„50 Krankenkassen sind genug“ – mit dieser etwas verwegenen, aber gleichwohl populären Aussage hat Ulla Schmidt (SPD) den Wettbewerb im System der gesetzlichen Krankenversicherung vorangetrieben. Mit dem Wettbewerbsstärkungs-Gesetz von 2007 kamen der einheitliche Beitragssatz, der Gesundheitsfonds und der Zusatzbeitrag. Die Wirkung: Fast 40 Krankenkassen mussten schließen oder – in den meisten Fällen – mit anderen Kassen fusionieren.

Den Wettbewerb unter den Kassen aber hatte Horst Seehofer (CSU) 1992 gestartet: Er schaffte die Unterschiede zwischen RVO- und Ersatzkassen ab und führte die Kassenwahl-Freiheit ein. Damit verbunden wurde der Risikostrukturausgleich. Von einstmals über 1000 Einzelkassen blieben am Ende der Ära Seehofer als Bundesgesundheitsminister noch 482 übrig. (HL)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Lahmer Wettbewerb

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