SARS-CoV-2
Kassen sehen Korrekturbedarf an Spahns Coronatest-Gesetz
Mögliche Mehrkosten von 18 Milliarden Euro im Jahr durch Tests auf übertragbare Krankheiten haben heftige Proteste bei den Krankenkassen ausgelöst. Die KBV weist auf die Bedeutung der medizinischen Einschätzung für das Testgeschehen hin.
Veröffentlicht:Berlin. Die Koalition plant, Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit weiteren Verordnungsermächtigungen auszustatten. Dazu gehört auch, dass Spahn die Krankenkassen ohne Zustimmung des Bundesrates dazu verdonnern können soll, auch symptomfreien Versicherten Tests auf „bevölkerungsmedizinisch relevante Krankheiten“ zu bezahlen.
So soll zum Beispiel auch der Schutz von Ärzten und Pflegenden sichergestellt werden. Auch Tests auf Immunität gegen Covid-19 sollen die Kassen auf Verordnung des Ministeriums übernehmen müssen – vorausgesetzt, die Immunität lässt sich irgendwann sicher diagnostizieren. Die Kosten könnten sich laut Gesetzentwurf auf bis zu 1,5 Milliarden Euro zusätzlich im Monat belaufen, wenn bis zu 4,5 Millionen Tests wöchentlich anfielen. Aktuell sind es gut 600.000 Tests.
„Zahl der Tests kein Wert an sich“
„Die bloße Anzahl an Tests ist kein Wert an sich“, heißt es bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). In ihrer am Donnerstag vorgelegten Stellungnahme zum Entwurf für ein zweites Corona-Notgesetz streicht die KBV heraus, dass die medizinische Einschätzung zur Notwendigkeit eines Tests Voraussetzung jeder Maßnahme im Kampf gegen die Pandemie sein müsse.
Eine „engmaschige Testung“ von Patienten und Mitarbeitern in Kliniken sei als Flankierung zur schrittweisen Rückkehr zur Regelversorgung unabdingbar, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum. Das seien mindestens 500.000 Tests pro Woche. Die Mehrkosten dafür seien den Krankenhäusern zu erstatten.
BÄK: Statt Tierärzte besser weitere Fachrichtungen einbeziehen
Die Bundesärztekammer stößt sich insbesondere daran, dass auch Tierärzten gestattet werden soll, labordiagnostische Untersuchungen zum Nachweis von Erregern für bedrohliche übertragbare Krankheiten vorzunehmen. Dies lehne man ab. Bei personellem Bedarf sei es zielführender, Testdurchführungen unter Ausnahmebedingungen weiteren fachärztlichen Gebieten wie etwa Fachärzten für Gynäkologie und Geburtshilfe zu ermöglichen. Das Problem unzureichender Tests liege ohnehin eher in der mangelnden Verfügbarkeit erforderlicher Testmaterialien begründet.
Eine Finanzierung von Massentests aus Steuermitteln halten die Grünen für nötig. Die Bundesregierung versuche sich bei den Tests aus der finanziellen Verantwortung zu stehlen und die Lasten den Versicherten aufzubürden, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Maria Klein-Schmeink. „Das darf nicht passieren.“
Ähnlich argumentierten mehrere Kassenvertreter. Alles, was dem allgemeinen Infektionsschutz der Bevölkerung diene, sei Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. „Dies gilt auch für Massentests bei symptomfreien Versicherten“, sagte die Vorstandschefin des Verbands der Ersatzkassen, Ulrike Elsner, der „Ärzte Zeitung“ am Donnerstag. Die Finanzierung gehöre in öffentliche Hand.
AOK: „Rechtlich fragwürdig“
Dass das Ministerium bei den pandemiebedingten Testungen eine Neujustierung der Zuständigkeiten vornehmen und die Finanzierung den Kassen übertragen wolle, sei „rechtlich fragwürdig“, sagte der Chef des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch. Die der GKV temporär übertragenen und zu finanzierenden Maßnahmen dürften nicht dauerhaft in der Finanzierungsverantwortung der GKV verbleiben. Nach der Krise sei zur bisherigen Verteilung von Aufgaben und Ausgaben zurückzukehren.
Die Vorstandschefin des GKV-Spitzenverbands, Dr. Doris Pfeiffer, sagte, zwecks Eindämmung der Pandemie und zum Schutz der Menschen ohne Symptome seien Massentests „sicher richtig und hilfreich“. Das sei aber eine staatliche Aufgabe. „Die gesetzliche Krankenversicherung kann diese Aufgabe als Auftragsleistung in der aktuellen Krise übernehmen, damit das organisatorisch gut funktioniert, erwartet aber eine Finanzierung aus Steuermitteln“, so Pfeifer.