Interview

"Keine Individualdaten gehen an die Industrie"

"Undurchsichtig" lautet die Kritik von Dr. Karsten Scholz, Justiziar der Ärztekammer Niedersachsen, an dem Integrationsvertrag Schizophrenie. Die "Ärzte Zeitung" sprach mit Scholz und Dr. Matthias Walle von der Managementgesellschaft Care4S.

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Abrechnung über die Industrie möglich: Kammerjustiziar Dr. Karsten Scholz..

Abrechnung über die Industrie möglich: Kammerjustiziar Dr. Karsten Scholz..

© ÄK Niedersachsen

Ärzte Zeitung: Herr Dr. Scholz, Sie sagen, die Vereinbarung sei intransparent und fordern die Offenlegung des Vertrages.

Dr. Karsten Scholz: Der Vertrag wird aus Versichertengeldern bedient und müsste deshalb offengelegt werden. Es geht um Leben und Gesundheit der Patienten. Auch bei der Aufklärung der Patienten will ich wissen, was von der Aufklärung eigentlich bei den Patienten ankommt. Es muss dazu eine Stelle geben, die das Ganze unabhängig bewertet.

Zudem wurde mit dem AMNOG erlaubt, dass die Pharma-Industrie Vertragspartner in der Integrationsversorgung sein kann. Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz wurde erlaubt, dass auch bei Integrationsverträgen die Abrechnung über einen Partner möglich ist, also etwa über die Pharmaindustrie. Dass Patientendaten potenziell an die Industrie gehen - darüber muss man reden und es dem Patienten deutlich sagen. Das ist eine ganz neue Dimension der Intransparenz!

Dr. Matthias Walle: Von mir aus könnte man den Vertrag offenlegen. Er ist kein Teufelswerk, sondern für Patienten, die sich einschreiben, gut und führt zu einer Versorgungsverbesserung. Aber ich kann I3G und die AOK verstehen, dass sie als wettbewerblich aufgestellte Unternehmen nicht wollen, dass ihr Vertrag öffentlich wird und dann kopiert wird.

Die Verträge liegen dem Sozialministerium vor. Das gibt Kontrolle und Sicherheit. Die Datensicherheit wurde vom Landesdatenschutzbeauftragten bewertet. Für uns gilt: Die I3G hat nur aggregierte Daten, die keinen Rückschluss auf Patienten, Verordnungen oder einzelne Ärzte zulassen.

Ärzte Zeitung: Können Patienten, die an Schizophrenie leiden, die Umstände des Vertrages einschätzen?

Verträge vom Datenschutz kontrolliert: Psychiater Dr. Matthias Walle von Care4S.

Verträge vom Datenschutz kontrolliert: Psychiater Dr. Matthias Walle von Care4S.

© privat

Walle: Einige können das, andere werden damit Problem haben. Wenn ein Patient Probleme hat, die Versorgungsinhalte zu verstehen, dann tritt die rechtliche Betreuung ein. Das betrifft nicht nur die Behandlung in der Integrationsversorgung, sondern gilt für alle Behandlungsmaßnahmen. Das ist in der Psychiatrie Normalität.

Scholz: Ja, aber gerade, wenn wir schutzwürdige Patientengruppe haben, muss eine unabhängige Institution, eine Ethik-Kommission, die Umstände bewerten Die Frage ist auch: Was ist vorgeschrieben - und wie werden die Vorschriften gelebt?

Ärzte Zeitung: Die Finanzierung sei "bedauerlich", schreiben Sie, Herr Scholz.

Scholz: Die Industrie, die nicht mehr so viele Blockbuster hat, bemüht sich, neue Felder zu besetzen. Wenn ich da Aktionär wäre, fände ich das gut. Aber wir müssen uns die Frage stellen, ob wir das wollen. Will man in einem Gesundheitswesen bleiben, das mittelständisch organisiert ist, jedenfalls was die ambulante Versorgung betrifft. Oder will man eine industrielle Konzernstruktur, die eine Komplettversorgung bietet?

Ärzte Zeitung: Herr Walle, warum haben Sie diese Finanzierungsmöglichkeit gewählt?

Walle: Mir war bewusst, dass dieser Vertrag zu Debatten führen würde. Für mich war wichtig, die ambulanten Versorgungsoptionen zu stärken, denn hier haben wir ein Versorgungsproblem in der Psychiatrie. Die notwendige Veränderung der Versorgung kann man in der streng sektorierten Finanzierung der Versorgung, wie sie derzeit herrscht, leider nicht herstellen. Dazu bedarf es Finanzmittel von außen.

Die Fragen stellte Christian Beneker.

Lesen Sie dazu auch: IV-Vertrag zur Schizophrenie in der Kritik

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