Koalitionplan
Kinderrechte sollen im Grundgesetz Platz finden
Seit Jahren wird darüber verhandelt. Nun will die Koalition auf den letzten Metern der Legislatur doch noch die Kinderrechte ins Grundgesetz aufnehmen und damit einen weiteren Punkt des Koalitionsvertrages abhaken. Kinderärzte erheben Einwände.
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Kinderrechte ins Grundgesetz, das ist seit Jahren eine politische Forderung. Ob es in dieser Legislaturperiode noch klappt, ist aber fraglich.
© Sascha Steinach/dpa
Berlin. Seit Jahren wird darüber verhandelt. Nun will die Koalition auf den letzten Metern der Legislatur doch noch die Kinderrechte ins Grundgesetz aufnehmen und damit einen weiteren Punkt des Koalitionsvertrages abhaken.
Noch vor der Bundestagswahl sollen die Belange der Kinder Verfassungsrang erhalten. Dafür reicht die Mehrheit der Koalition nicht. Benötigt werden zwei Drittel der Stimmen in Bundestag und Bundesrat.
Das Vorhaben ist in der Politik umstritten. Vertreter der Verbände der Kinder- und Jugendmedizin zeigen sich dagegen erleichtert darüber, dass das lange angestrebte Projekt nun auf der Zielgeraden ist. Gleichwohl hätten sich die Kinder- und Jugendärzte an „der einen oder anderen Stelle mehr Deutlichkeit gewünscht“, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Deutschlands (BVKJ), Dr. Thomas Fischbach, am Freitag der „Ärzte Zeitung“. So fehle zum einen der Hinweis der Förderung von Kindern. Deren Interessen „achten“ und „schützen“ zu wollen, reiche nicht.
Umstrittenes Vorhaben
Der zweite Kritikpunkt sei, dass das Kindeswohl laut Formulierung der Koalition nur „angemessen“ berücksichtigt werden solle. „Das widerspricht aber der UN-Kinderrechtskonvention, wo von einem vorrangigen Recht der Kinder die Rede ist“, so Fischbach.
Vertretern von Grünen und der Linken geht die nun geplante Fassung ebenfalls nicht weit genug. Sie haben angekündigt, gegen die Regierungsvorlage zu stimmen. Sie lautet: „Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.“
Opposition will nicht mitziehen
Eine frühere Version war noch etwas konkreter formuliert gewesen. Sie ging so: „Jedes Kind hat das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte einschließlich seines Rechts auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft. Das Wohl des Kindes ist bei allem staatlichen Handeln, das es unmittelbar in seinen Rechten betrifft, angemessen zu berücksichtigen. Jedes Kind hat bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf rechtliches Gehör“.
Als „großen Fortschritt“ bezeichnete die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) die Einigung in der Koalition. Der vorgeschlagene Text bleibe allerdings hinter dem internationalen Standard der Kinderrechte zurück, monierte DAKJ-Generalsekretär Professor Hans-Iko Huppertz. Deutschland hat die UN-Kinderrechtskonvention bislang in einem Bundesgesetz umgesetzt.
Internationalen Standard verfehlt
Die Justizministerkonferenz hatte 2019 den einstimmigen Beschluss gefasst, dass das Grundgesetz der geeignete Ort sei, um die Grundprinzipien der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen zu verankern. Die Konvention zählt zehn Kinderrechte auf. Dazu zählen die Gesundheit, das Recht auf Bildung, ein sicheres Zuhause, auf Spielen und Freizeit sowie Schutz vor Ausbeutung, Krieg und Flucht.Vor allem in der Union waren im Laufe der Beratungen Stimmen laut geworden, die Stärkung der Kinderrechte , beschneide die Rechte der Eltern. Das leuchte ihm nicht ein, kommentierte BVKJ-Chef Fischbach den Einwand. „Es ist doch eher anders herum: Die Eltern bekommen einen Rechtstitel, den sie zugunsten ihrer Kinder einsetzen können. Das stärkt die Eltern, die ihren Erziehungsauftrag ernst nehmen – und genau um die geht es uns doch.“