Ökonomen fordern

Klare Regeln für GKV-Zuschuss!

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BERLIN. Der Steuerzuschuss zur Gesetzlichen Krankenversicherung sollte auf einer eindeutig definierten Grundlage beruhen. Dafür haben sich Sachverständige am Dienstag in einer Anhörung des Haushaltsausschusses im Bundestag ausgesprochen.

Hintergrund ist die von der Koalition geplante Kürzung des Bundeszuschusses von 14 auf 10,5 Milliarden Euro.

Hinsichtlich dieser Kürzung könne man "jede Meinung vertreten, solange es keine verbindliche Koppelung des Bundeszuschusses an die Entwicklung klar definierter Aufgaben gibt", sagte der Bayreuther Volkswirtschaftler Professor Volker Ulrich. Der Berliner Ökonom Professor Klaus-Dirk Henke regte dazu ein Regelwerk ähnlich wie in der Rentenversicherung an.

"Erheblichen mittelfristigen Druck auf Beitragssätze"

Bei der Frage, was versicherungsfremde Leistungen sind, die mit dem GKV-Zuschuss pauschal abgegolten werden, war es mit der Einigkeit der Sachverständigen vorbei.

Ulrich verwies auf die Position, die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern und Kindern müsse nicht als "versicherungsfremd" angesehen werden.

Der Steuerzahler schulde der GKV "letztlich als versicherungsfremde Leistung nur die Mutterschaftsleistungen". Für Ulrich gehört es außerdem zur "Logik der staatlichen Zuschüsse, dass sie stets aktualisiert werden".

Dagegen warnten die Professoren Stefan Greß und Klaus Stegmüller von der Hochschule Fulda vor der jetzt geplanten Kürzung des GKV-Zuschusses. Stegmüller sieht dadurch einen "erheblichen mittelfristigen Druck auf die Beitragssätze". Die Finanzreform werde so zu einem "Beitragsbeschleunigungs-Gesetz".

Greß ergänzte, bei eingefrorenem Arbeitgeberbeitrag steige die Belastung der Arbeitnehmer für jede Milliarde Euro, um die der Zuschuss gekürzt wird, um 0,1 Prozentpunkte.

Beide Ökonomen zeigten sich skeptisch, dass der GKV-Zuschuss künftig stabil gehalten werden könne. Grund dafür sei der enge fiskalische Spielraum des Bundes durch die Schuldenbremse im Grundgesetz und den EU-Fiskalpakt.

Ende 2015 könnte Mindestreserve unterschritten werden

Die beiden Wissenschaftler taxierten die Aufwendungen für familienpolitische Leistungen sowie für Schwangerschaft und Mutterschaft in der GKV auf rund 33,2 Milliarden Euro pro Jahr. Schon der bisherige Zuschuss decke kaum ein Drittel dieser Summe.

Eine Senkung auf 10,5 Milliarden Euro in diesem Jahr bedeute eine "verschärfte Indienstnahme von Beitragseinnahmen zur Finanzierung allgemeiner Aufgaben von gesamtgesellschaftlichem Interesse".

Der Bundesrechnungshof hat in seiner Stellungnahme empfohlen, die Finanzsituation des Gesundheitsfonds "spätestens ab Mai 2015 noch genauer zu beobachten, um gegebenenfalls frühzeitig gegensteuern zu können".

Ende 2015 könnte die vorgeschriebene Mindestreserve von 25 Prozent einer Monatsausgabe des Fonds unterschritten werden, hieß es.

Der Bundeszuschuss zur GKV ist 2004 erstmals eingeführt worden. Mit dem Wettbewerbsstärkungsgesetz von 2007 sollte er sukzessive auf 14 Milliarden Euro pro Jahr erhöht werden.

Inoffiziell, so berichtet der Ökonom Henke, sei diese Summe mit den Ausgaben der beitragsfreien Familienversicherung für Kinder und Jugendliche begründet worden.

Die GKV-Ausgaben für diese Gruppe betrugen im Jahr 2012 rund 13,7 Milliarden Euro. (fst)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 14.05.201412:25 Uhr

Fremdfinanzierung bei der GKV - kein "Fremdschämen" bei der Bundesregierung?

Der gesetzlich verpflichtende Bundeszuschuss an die GKV zur "Mitfinanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben" ist e n t g e g e n den Ansichten von Sachverständigen bei einer Anhörung des Haushaltsausschusses am Dienstag im Deutschen Bundestag k l a r definiert: GKV-Beitragsfreiheit für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Geburtstag, Ehepartner-Mitversicherung bzw. Ausgleich bei geringfügigen GKV-Beiträgen (prekäre Arbeitsverhältnisse, Minijobs, geringe Renten, ALG-I und ALG-II), Befreiung von Verordnungsgebühren, Zuzahlungen, Eigenbeteiligungen bzw. Kosten für sonstige familienpolitische Hilfen.

Diese z u s ä t z l i c h e n Aufwendungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wurden von zwei Gutachtern auf rund 33,2 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Und selbst der Familienbericht der Bundesregierung im Jahr 2012, also noch unter Schwarz-Gelb, ging von 29 Milliarden Euro tatsächlichem Finanzierungs-Umfang und -Bedarf in der GKV aus.

Das sind aber noch nicht alle von der GKV fremdfinanzierten Leistungen: Die GKV, übrigens a u c h die Privaten Krankenversicherungen (PKV), kommen seit ihrem Bestehen in vollem Umfang für s ä m t l i c h e Präventions-, Untersuchungs-, Diagnostik-, Therapie- und Palliationsmaßnahmen im Zusammenhang mit Krankheitsfolgen von Alkohol- und Tabakkonsum auf. Dasselbe gilt für die Folgen von Verkehrsunfällen und Großschaden-Ereignisse.

Keine Frage, die Bundesregierung gibt dafür von ihrem gigantischen Steueraufkommens bei Alkohol, Tabak und Benzin/Diesel keinen einzigen Cent ab. Im Gegenteil, der Bundesfinanzminister kürzt auch noch willkürlich den viel zu geringen Bundeszuschuss diesjährig um weitere 3,5 Milliarden und e n t w e n d e t damit direkt Beitragsaufkommen aus dem GKV-Gesundheitsfonds.

Da die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel und Dr. Wolfgang Schäuble diese verfassungsrechtlich äußerst bedenkliche Kürzung des "Gesetzlichen Bundeszuschusses" nicht höchst Selbst, sondern durch ihre weisungsgebundenen Beamten vornehmen lassen, wäre doch wenigstens F r e m d s c h ä m e n angezeigt. Aber davon keine Spur, auch beim Bundestags-Haushaltsausschuss und im -Plenum nicht, welche dies eigentlich politisch verantworten müssen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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