Selbsthilfegruppen

Klare Regeln für Pharmasponsoring gefordert

Die Selbsthilfe erhält einen erheblichen Teil ihrer Haushaltsmittel von der Pharmaindustrie. Für transparenter hält der vdek einen Fördertopf, in den spendenwillige Unternehmen einzahlen und dessen Gelder eine unabhängige Instanz verteilt.

Von Martina Merten Veröffentlicht:
Beim Sponsoring sollte grundsätzlich größtmögliche Transparenz herrschen.

Beim Sponsoring sollte grundsätzlich größtmögliche Transparenz herrschen.

© Marco 2118 / Fotolia.com

BERLIN. Mehr Transparenz bei der Kooperation von Pharmafirmen und Organisationen der Selbsthilfe fordern Ersatzkassen, Vertreter der Patientenselbsthilfe und der Ärzte.

"Es wäre am besten, die Industrie würde das direkte Sponsoring an Selbsthilfegruppen ganz einstellen und einen Firmenfonds einführen, in den spendenwillige Unternehmen einzahlen können und dessen Gelder eine unabhängige Instanz an die Gruppen verteilt", betonte die Vorstandsvorsitzende des Verbands der Ersatzkassen (vdek), Ulrike Elsner in Berlin.

Die Ersatzkassen sind die Hauptfinanzierer der Selbsthilfe. Ihr Anteil an den Fördermitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung beträgt knapp 38 Prozent.

Elsner forderte zugleich die Selbsthilfe auf, Kooperationen und Geldquellen kenntlich zu machen und gegebenenfalls auch die problematischen Seiten der Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie offen anzusprechen.

Sie verwies in diesem Zusammenhang auf die aktualisierte Broschüre des vdek "Ungleiche Partner - Patientenselbsthilfe und Wirtschaftsunternehmen im Gesundheitssektor", in der unter anderem anhand konkreter Beispiele auf kritikwürdige Allianzen zwischen Selbsthilfe und Pharmaunternehmen hingewiesen werde.

Zudem seien Selbsthilfegruppen- und Organisationen, die Fördergelder beziehen, längst zur Transparenz über Mittelzuflüsse verpflichtet, so die vdek-Vorstandsvorsitzende. "Unsere Erfahrungen zeigen jedoch, dass dies nicht in allen Fällen vollständig und von allen Antragstellern geschieht", ergänzte Elsner.

Monitoringverfahren eingeführt

Finanzierung der Selbsthilfe

45 Millionen Euro fließen jedes Jahr von den Krankenkassen an die Selbsthilfe – 0,64 Euro je Versicherten (§ 20c SGB V).

Etwa 5,6 Millionen Euro zahlen Pharmaunternehmen pro Jahr an die Selbsthilfe.

Bei 0,15 Euro pro Kopf liegt der bundesweite Durchschnitt der Selbsthilfeförderung durch die Länder (Förderung der Selbsthilfe durch die öffentliche Hand).

Wünschenswert ist nach Ansicht von Dr. Martin Danner, Bundesgeschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (B.A.G. Selbsthilfe), wenn der Förderanteil von Wirtschaftsunternehmen am Gesamthaushalt von Selbsthilfegruppen 15 Prozent nicht übersteigt.

Um die Anfälligkeit der Selbsthilfe für Beeinflussungsversuche durch die Pharmaindustrie zu verringern, hat die BAG zusammen mit dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband ein so genanntes Monitoringverfahren für Mitgliedsorganisationen eingeführt.

Hierbei kommt eine Monitoring-Gruppe einmal im Monat zusammen, um beispielsweise über Fragen zum Sponsoring durch Wirtschaftsunternehmen oder über die Leitsätze der Selbsthilfe zum ethischen Umgang mit Spenden und anderen Zuwendungen zu beraten.

Dieses Verfahren hat sich Danner zufolge seit dessen Einführung im Jahr 2007 bewährt.

Auch die Sprecherin für Gesundheitspolitik des Bündnis 90/Die Grünen, Maria Klein-Schmeink, betonte die Notwendigkeit von Transparenz bei Zuwendungen von Privatunternehmen. "Sie sind für die Glaubwürdigkeit der Selbsthilfegruppen unerlässlich", sagte Klein-Schmeink.

Verhaltenskodex der Pharmafirmen

Die Pharmaindustrie hat sich bereits 2008 auf Verhaltensgrundsätze bei der Kooperation mit Patientengruppen verständigt.

In ihrem "Kodex für die Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit Patientenorganisationen" haben sich etwa die im vfa verbundenen forschenden Unternehmen darauf geeinigt, regelmäßig sowohl finanzielle Zuwendungen als auch andere Unterstützungsleistungen an Selbsthilfegruppen zu veröffentlichen.

Eine solche Unterrichtung der Öffentlichkeit fordert - gleichfalls seit 2008 - auch der Patientenkodex des konkurrierenden Selbstkontrollvereins AKG, dem sich insbesondere die Pharma-Mittelständler verpflichtet sehen.

Mit dem voriges Jahr vom Kartellamt genehmigten "Transparenzkodex" wollen die vfa-Mitglieder künftig auch die Zuwendungen an Fachkreise offenlegen.

Ab 2015 müssen alle mittelbaren und unmittelbaren Geldleistungen und vermögenswerten Zuwendungen an Angehörige der Fachkreise oder sonstige Organisationen des Gesundheitswesens dokumentiert und ab 2016, dann erstmals bezogen auf 2015, auf den Webseiten der vfa-Mitgliedsunternehmen veröffentlicht werden.

Dazu gehören etwa Forschungshilfen, Spenden und Zuwendungen, Sponsoring und andere finanzielle Förderungen, Einladungen sowie Beratungshonorare.

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