Notfallbehandlung

Klinikgesellschaft fordert "faire" Vergütungsregeln

Die Politik soll die Stellung der Vertragsärzte in der Notfallversorgung schwächen, die der Krankenhäuser aufwerten. Das ist eine der Forderungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) an die Politik im Wahljahr. Die KBV hält dagegen.

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Notfallambulanz: Nicht jeder Wartende gehört tatsächlich in die Klinik.

Notfallambulanz: Nicht jeder Wartende gehört tatsächlich in die Klinik.

© Robert Kneschke / fotolia.com

BERLIN. Die Notfallaufnahmen der Krankenhäuser sind – zumindest gefühlt – überfüllt. Mehr als zehn Millionen Patienten im Jahr suchen die Notfallambulanzen auf, auch wenn viele im eigentlichen Sinn keine medizinischen Notfälle sind und auch in den Praxen der Vertragsärzte behandelt werden könnten.

Die Zahlen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) lassen allerdings keine generelle Überlastung der Notfallambulanzen der Krankenhäuser vermuten. Statistisch lag im Bundesschnitt das Aufkommen bei einem Patienten pro Stunde, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mitteilt.

Dennoch gibt es über die Arbeitsverteilung zwischen Notfallambulanzen und Praxen seit geraumer Zeit heftige Kontroversen zwischen den Vertragsärzten und den Krankenhäusern. Im Spiel ist ein Honorarvolumen in Milliardenhöhe.

Jetzt haben Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft von der Politik eine gesetzliche Änderung gefordert. In der kommenden Legislaturperiode solle die Politik "faire Zulassungs- und Vergütungsbedingungen" für die ambulante Notfallbehandlung durch Krankenhäuser schaffen.

Die Vergütung dieser Leistungen solle nicht länger in der Verantwortung des ergänzten Bewertungsausschusses liegen, also nicht mehr gemeinsam mit den Vertragsärzten verhandelt werden. Stattdessen fordert die Krankenhausvertretung, direkt mit dem GKV-Spitzenverband über die Vergütung verhandeln zu können.

Die Krankenkassen sollten die Kliniken zudem künftig direkt und ohne Umweg über die KVen für Notfallleistungen vergüten. Die Krankenhausseite macht geltend, dass die Kliniken nach der aktuellen Vergütungssystematik mit den Notfallambulanzen ein Defizit von einer Milliarde Euro einführen.

Die Gegenrechnung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung fällt anders aus: Lediglich drei Prozent der Patenten in den Notfallambulanzen benötigten dringliche Diagnostik und Therapie, heißt es in einem Gutachten des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI). Der überwiegende Teil sei im ärztlichen Bereitschaftsdienst und der vertragsärztlichen Versorgung gut aufgehoben. Die Notfallversorgung in den Krankenhäusern dürfe deshalb insgesamt nicht mehr als zwischen 600 und 791 Millionen Euro im Jahr kosten.

Auch die KBV fordert gesetzliche Änderungen. "Wir brauchen vom Gesetzgeber die Möglichkeit, unsere Dienste 24 Stunden am Tag anbieten zu können. Bundesweit – außer in Berlin – ist der ärztliche Bereitschaftsdienst einschließlich der Nutzung der Nummer 116117 sowie der Portalpraxen nur außerhalb der Praxisöffnungszeiten zulässig", wies KBV-Vizechef Dr. Stephan Hofmeister am Mittwochmorgen auf organisatorische Einschränkungen hin.

Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): "Wir wollen einfache Wege mit klaren Zuordnungen und einem guten Serviceangebot bieten. Der Patient soll bei uns mehrere Möglichkeiten haben, direkt und unkompliziert abklären zu lassen, ob er besser schnell zur stationären Versorgung ins Krankenhaus kommt oder aber – weil er kein Notfall ist – in die ambulante Praxis eines niedergelassenen Arztes geht." Ein Weg sei  die telefonische Option über die bundesweite Bereitschaftsdienstnummer 116117. Fachkundiges Personal entscheide dann, wo der Patient am besten behandelt werde. Anzustreben sei zugleich die technische Zusammenschaltung mit der Notdienstnummer 112.

Dr. Stephan Hofmeister ergänzt: "Die zweite Möglichkeit wäre die Abklärung vor Ort beim Krankenhaus in einer Bereitschaftsdiensteinrichtung oder Portalpraxis, die von der Kassenärztlichen Vereinigung eingerichtet ist. Der Arzt entscheidet dabei direkt vor Ort, wo der Patient betreut wird." Doppelstrukturen müssten zudem reduziert werden.

Die große Koalition hat bereits mit dem Krankenhausstrukturgesetz versucht, den Konflikt zu befrieden. Die KVen sollen Portalpraxen an Krankenhäusern einrichten, um Patienten besser in die zuständigen Versorgungsebenen steuern zu können.

Ab April erhalten Ärzte im Not-und Bereitschaftsdienst für besonders schwere und aufwändige Fälle mehr Geld. Zudem soll es eine Abklärungspauschale für Patienten geben, die keine dringende Behandlung benötigen. So sollen die Ambulanzen entlastet werden. (af)

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Kommentare
Fritz Lax 30.03.201713:53 Uhr

Unsere Patienten stimmen mit den Füßen ab....

wir Ärzte können uns viel überlegen.
Heutzutage nehemen sich unsere Patieneten die Medizin die sie wünschen. Der Doktor to go. 24 Stunden verfügbar.
In meiner Sprechstunde ist das ein großes Problem, anrufende "Notfälle" können nur sofort oder gar nicht behandelt werden. Entweder die Patieneten können kommen wnn sie wollen, oder andere Termine (Friseur) sind plötzlich wichtiger.
Die Krankenhaus Ambulanz hat immer offen. Jder hält sich für einen Notfall. Im Zweifel hilft ein Rechtsanwalt nach.
Vor dieser Realität ist eine Steuereung schwierig. Ich möchte nicht in einer Notfallambulanz arbeiten, die nachts um 2.45 Uhr einen Fußpilzpatient wegschicken muss. Ein Streit ist häufig dann vorprogrammiert.
Solange die Juristen in der Medizin dsas letzte Wort haben, muss jeder Steuerungsversuch fehlschlagen.

Jens Wasserberg 30.03.201708:06 Uhr

echte Versorgungssteuerung wäre notwendig

In Zeiten eines echten Ärztemangels sollten man die kostbare Ressource Arzt nicht für nächtliche Befindlichkeitssprechstunden verschleudern.
Weder die Praxen, noch erst recht nicht die Krankenhäuser haben hierfür ausreichend ärztliches Personal.
Fürsorge bedeutet auch, die echten Kranken zu versorgen und nicht die Ärzte durch Missbrauch durch Gesunde unsinnig zu binden.
Eine spürbare Kostenbeteiligung zu Unzeiten würde den Spuk sofort beenden. Dass ein Fußpilzpatient nachts um 2.45 Uhr Honorar einbringt, ein Tumorpatient spätestens ab dem 2. Praxisbesuch nicht mehr, ist eine Absurdität dieses Systemes, in dem die Politik und auch die Ärzteschaft seit vielen Jahren den Mut vermissen lassen, die begrenzte Ressource Arzt zweckdienlich einzusetzen.

Während also das System vieler Orts vor dem Kollaps steht, diskutiert man die Frage, wie man zu weit über 70% unsinnige Inanspruchnahmen ausbauen kann.
Dies ist den echten Kranken nicht mehr vermittelbar.

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