Hintergrund

Knappe Honorare für ambulante Operationen

Knappe Kostenkalkulation und Verzerrung des Wettbewerbs mit Kliniken: Die Argumente der niedergelassenen ambulanten Operateure scheinen in Berlin zu überzeugen.

Von Antonia von Alten Veröffentlicht:
Ambulantes Operieren: Die Chirurgen gehen auf wegen ihrer Honorarsituation auf die Barrikaden.

Ambulantes Operieren: Die Chirurgen gehen auf wegen ihrer Honorarsituation auf die Barrikaden.

© McPHOTO / imago

Das ambulante Operieren könnte eine Erfolgsstory sein - würden die politischen Rahmenbedingungen stimmen.

Doch das tun sie nach Ansicht der Berufsverbände von Operateuren, Anästhesisten und niedergelassenen Chirurgen sowie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) nicht. Deren Analyse: Deutschland hinkt im Vergleich zu anderen Industrienationen weit hinterher.

Eines von vielen Beispielen, das der Bundesverband für ambulantes Operieren nennt: Arthroskopische Operationen von Meniskusschäden am Kniegelenk finden in anderen europäischen Ländern in durchschnittlich 90 Prozent der Fälle ambulant statt - in Deutschland dagegen nur in 32,5 Prozent der Fälle.

Kontraproduktiv sind nach Ansicht der ambulanten Operateure vor allem die geplanten Mengenbegrenzungen. Das im Januar in Kraft getretene GKV-Finanzierungsgesetz legt fest, dass die Gesamtvergütung für extrabudgetäre Leistungen für 2011 und 2012 nur um jeweils 0,75 Prozent pro Jahr wachsen darf - das gilt auch für das ambulante Operieren.

Grundsätzlich werden Kliniken und Niedergelassene für diese Leistungen gleich honoriert: nach dem Kapitel 31 EBM. Aber: Die ambulanten Operationen, die an Kliniken nach Paragraf 115 b SGB V erbracht werden, unterliegen auch weiterhin keiner Mengenbeschränkung.

Eine "staatliche Diskriminierung niedergelassener Ärzte im Vergleich zu dem mit Milliardenbeträgen subventionierten Krankenhausbereich" sieht der Berufsverband der operativ und anästhesiologisch tätigen niedergelassenen Ärzte in Deutschland (LAOH). Der Verband hat deshalb eine förmliche Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht.

Die Zahlen sprechen für sich: Die GKV-Ausgaben für ambulante Operationen sind in den vergangenen Jahren sowohl im niedergelassenen Bereich als auch in den Kliniken stark gestiegen.

1999 waren es für ambulante Operationen außerhalb von Krankenhäusern 614 Millionen Euro, 2008 fast 160 Prozent mehr, nämlich 1,6 Milliarden Euro. Auch die Kliniken bieten immer häufiger ambulante Operationen an. So stiegen die GKV-Ausgaben für ambulante Operationen an Kliniken im gleichen Zeitraum von 84 Millionen um das Sechsfache auf 599 Millionen Euro.

Was ist der Grund für die starke Zunahme der Ausgaben - sowohl bei den Niedergelassenen als auch bei Kliniken? Werden bei den ambulanten Operationen womöglich Leistungen erbracht, die laut Gesundheitsminister Rösler "medizinisch nicht begründbar sind"?

Nein, sagt KBV-Chef Köhler. Die Steigerung der GKV-Ausgaben lasse sich erklären: Zum einen hätten die Krankenkassen zum Jahr 2009 einige IV-Verträge zum ambulanten Operieren gekündigt, z.B. in der Kataraktchirurgie. Das habe zum Anstieg der Zahlen der "regulär erfassten" ambulanten Operationen geführt.

Zum anderen habe mit der Einführung des Hautkrebsscreenings die Zahl ambulanter Eingriffe zur operativen Entfernung potenziell bösartiger Hautbezirke von 2008 auf 2009 um rund 20 Prozent zugenommen. Die Ausgabenentwicklungen seien daher, so Köhler, sowohl medizinisch wie ökonomisch nachvollziehbar und beispielsweise bei Verdacht auf Hautkrebs sogar ausdrücklich erwünscht.

Die jetzt verordnete Deckelung werde sich, so die Prognose des KBV-Chefs, nicht nur negativ auf das ambulante Operieren auswirken. Vielmehr werde auch die Zahl vermeidbarer stationärer Behandlungen steigern.

Mit Sorge beobachtet der GKV-Spitzenverband den Anstieg der Zahl der ambulanten Operationen in Kliniken und in Praxen. Zwar haben die Kassen grundsätzlich ein Interesse an der Ausweitung der ambulanten Leistungen - als Substitution der stationären Fälle.

Tatsache sei jedoch, dass seit 2005 auch ein stetiger Anstieg der Fallzahlen im vollstationären Bereich zu verzeichnen ist, so der GKV-Spitzenverband. Von einer Kostenreduzierung, auf die die Kassen gehofft hatten, also keine Spur.

Grundsätzlich sind die Honorare für ambulante Operationen für niedergelassene Ärzte und für Kliniken knapp kalkuliert. Für die niedergelassenen Chirurgen hat deren Bundesverband vor kurzem Zahlen vorgelegt: Die tatsächlichen Kosten einer chirurgischen Praxis lägen je nach Kalkulation zwischen zehn und 15 Prozent über den Kostenansätzen der KBV und den Quellen des Statistischen Bundesamtes.

Mindestens 20.000 Euro, so Jörg-Andreas Rüggeberg, Vorsitzender des Verbandes, liege jeder niedergelassene Chirurg jedes Jahr über den offizielll kalkulierten Kosten. Die Folge, so Rüggeberg: Bis zu einer Größe von etwa 750 Fällen im Quartal ist eine chirurgische Praxis bei GKV-Patienten defizitär.

Ab 750 bis 1500 Scheinen ist ein Überschuss von fünf Euro pro Schein zu erwirtschaften. Erst ab 1500 Scheinen steige der Überschuss auf zwölf Euro pro Schein. Um Gewinne zu erwirtschaften, müssen die Operateure also in die Menge gehen - darum tut die Budgetierung doppelt weh.

Auch für Kliniken ist das ambulante Operieren knapp kalkuliert. Aber, so die Vermutung der niedergelassenen Operateure, dort rechne man eventuell damit, dass der eine oder andere ambulant operierte Patient doch für ein paar Nächte in ein Krankenzimmer gelegt werden kann - und so weitere Einnahmen generiert.

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Kommentare
Alfred Besand 11.03.201110:23 Uhr

Die Deckelung( Mengenbeschränkung) für ambulantes Operieren muss aufgehoben werden.

Die Bundesregierung hat es in der Hand aber auch die Krankenkassen müssen daran interessiert sein „ambulant vor stationär“ oder sollen diese Wörter nur Alibifunktionen haben.

Warum werden in Europa z.B. Arthroskopische Operationen am Kniegelenk,
zu 90% ambulant durchgeführt, dagegen in Deutschland nur in ca. 32%
der Fälle (so der Bundesverband für ambulantes Operieren).

Warum haben die niedergelassenen Ärzte eine Mengenbeschränkung,die
Kliniken die nach §115 b ambulante Operationen durchführen, unterliegen keiner Beschränkung.

Warum wird hier mit zweierlei Maß gemessen?
Will man dadurch die Krankenhäuser noch mehr subventionieren!

Hier „Bettenabbau verkürzte Aufenthaltsdauer“ und durch das Hintertürchen Subventionen zu Lasten der niedergelassenen Ärzte ?

Es ist doch nichts neues, für jeden der in der Gesundheitspolitik tätig ist, dass durch solche Ungleichbehandlungen, die Zahl vermeidbarer stationärer Behandlungen zunehmen wird.

Wenn man beschränkt wird in seinem Tun (Mengenbeschränkung), bekommt hierfür keine Vergütung, da medizinisch notwendige Operationen nicht abgerechnet werden dürfen, muss man sich dann wundern wenn dadurch höhere Kosten notgedrungen produziert werden ?

Oder soll man die Patienten im Regen stehen lassen, eine dringende medizinisch notwendige Operation verweigern, sicherlich nicht also was bleibt, eine stationäre Einweisung.

März 2011
Ärzteberatung RLP Mainz
Alfred Besand

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