Koalition fehlen Argumente für MVZ-Hürden

MVZ nicht mehr als Aktiengesellschaft - so will es die Koalition. Warum es die Beschränkung geben soll, wollten jetzt die Grünen wissen - doch CDU/CSU und FDP scheinen stichhaltige Argumente zu fehlen.

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BERLIN (fst). Die Bundesregierung kann nicht angeben, warum die Gründungsberechtigung für Medizinische Versorgungszentren im Wesentlichen auf Vertragsärzte und Krankenhäuser eingeschränkt werden soll.

Die Koalition könne "nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür nennen, warum eine bestimmte Trägerkonstellation von MVZ schlecht für die Therapiefreiheit von Ärztinnen und Ärzten ist", kommentiert Dr. Harald Terpe von der grünen Bundestagsfraktion die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage.

Nicht als AG gründen

Im Versorgungsstrukturgesetz hat die Koalition die Zulassungen für MVZ beschränkt. Künftig sollen nur noch Vertragsärzte, Krankenhäuser, Träger nichtärztlicher Dialyseleistungen und gemeinnützige Träger der vertragsärztlichen Versorgung MVZ gründen dürfen. Wirtschaftsunternehmen als Träger sind ausgeschlossen. Die Rechtsform als AG ist unzulässig.

Die vorgesehene Einschränkung der Gründung und des Betriebs von MVZ betrifft bundesweit aktuell vier Einrichtungen, die in der Rechtsform einer AG betrieben werden - vier von 1654 MVZ. Für sie ist im Gesetz allerdings ein Bestandsschutz vorgesehen.

"Keine grundlegend neuen Erkenntnisse"

Das Bundesgesundheitsministerium beruft sich auf Zahlen der KBV aus dem vierten Quartal 2010. Mit der neuen Regelung wolle man "noch besser als bisher (...) gewährleisten, dass sich die ärztliche Tätigkeit im MVZ allein an medizinischen Vorgaben orientiert".

Belege, dass die Rechtsform einer AG die Therapiefreiheit von Ärzten stärker bedroht als andere Trägerformen, kann die Regierung nicht beibringen. Es gebe dazu "keine grundlegend neuen Erkenntnisse", heißt es verklausuliert in der Antwort von BMG-Staatssekretärin Ulrike Flach.

Beschränkungen der ärztlichen Unabhängigkeit ließen sich nun einmal "kaum datenmäßig erfassen". Aus Sicht des grünen Abgeordneten Harald Terpe verdeutlicht die geringe Zahl betroffener MVZ-AGs, "wie unglaubwürdig das Verbot ist".

Pikant ist die Begründung von Flach für die neuen Beschränkungen: Die Regierung gehe davon aus, dass "der Aspekt des kollektiven Kapitaleinsatzes zur Vermögensmehrung bei der Aktiengesellschaft stärker im Vordergrund steht, als bei anderen Gesellschaftsformen".

Massive Bedenken vom Anwaltsverein und Bundesrat

Verabschiedet hat die Koalition die Zulassungsbeschränkung ungeachtet massiver Bedenken von Fachleuten. So geißelte der Medizinrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins das Vorhaben der Koalition mit den Worten, der Ausschluss von Aktiengesellschaften bediene "eher populistische Ressentiments, als das er einen effizienten Schutz vor Abhängigkeiten herstellt".

Auch für den Bundesrat "widerspricht es der Versorgungswirklichkeit", MVZ könnten nur in der Rechtsform einer Personengesellschaft oder GmbH "den notwendigen fachlichen Bezug zur medizinischen Versorgung herstellen".

Rechtsexperten hatten bei der Anhörung zum Versorgungsgesetz im Gesundheitsausschuss moniert, der Ausschluss bestimmter Leistungserbringer verletze das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Artikel 12 Absatz 1 GG). Zudem sei Niederlassungsfreiheit im EU-Recht berührt.

Geht der Schuss nach hinten los?

Der Schuss des Gesetzgebers, fürchtet der Deutsche Anwaltsverein, könnte nach hinten losgehen: Nicht die ärztliche Unabhängigkeit werde gestärkt, befördert werde vielmehr die "Alleinstellung von Krankenhauskonzernen als Betreiber von MVZ".

Unklar bleibt, warum der Gesetzgeber bei Krankenhäusern börsennotierte Aktiengesellschaften zulässt. Angesichts des Versorgungsspektrums in Kliniken und kostenträchtiger Behandlungsverfahren müssten dort die Gefahren für die ärztliche Unabhängigkeit noch in größerem Maße gegeben sein.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Wir müssen draußen bleiben

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