Anhörung geplant
Koalition gönnt sich mehr Zeit für die Pflegereform
In der Koalition herrscht weiter Diskussionsbedarf bei der Pflegereform. Das Gesetz dazu wird daher nicht schon in dieser Woche vom Bundestag verabschiedet.
Veröffentlicht:Berlin. Die Koalition braucht für ihren letzten Schliff am geplanten Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) offenbar mehr Zeit. Die für Freitagvormittag angesetzte zweite und dritte Lesung dieses „Omnibus“-Gesetzes im Bundestag wurde jetzt kurzfristig von der Tagesordnung genommen.
Hintergrund könnte der koalitionsinterne Streit um neue gesetzliche Regeln zur tarifgebundenen Bezahlung von Beschäftigten in der Altenpflege sein. Voraussichtlich am 31. Mai ist dazu nun eine weitere Anhörung im Gesundheitsausschuss angesetzt. Die Gehälter für Pflegekräfte können in den Pflegesatz- und Vergütungsverhandlungen von den Kostenträgern mindestens bis auf Tarifniveau aufgestockt werden.
Abgeordnete wollen mehr Geld von Scholz
Auch ums Geld wird deshalb noch verhandelt. Die Abgeordneten fordern vom Finanzminister mindestens drei Milliarden Euro Steuerzuschuss im kommenden für die Pflegekassen. Bislang wolle Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wohl nur eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen, heißt es aus Koalitionskreisen.
Der Chef des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, fürchtet allein für das Jahr 2022 einen finanziellen Mehrbedarf in der Pflegeversicherung von 4,5 Milliarden Euro. Kassenvertreter fordern eine Verstetigung des Bundeszuschusses nach dem Vorbild des Zuschusses zur Gesetzlichen Krankenversicherung.
Heil will „richtige Tariflöhne“
Laut einem von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eingebrachten Änderungsantrag zum GVWG sollen Pflegekassen nur noch Verträge mit Pflegeeinrichtungen abschließen, die nach Tarif bezahlen. Knackpunkt könnte dieser Passus sein: „Ist dies nicht der Fall, gelten die diesbezüglichen Zulassungsvoraussetzungen auch dann als erfüllt, wenn die Pflegeeinrichtungen ihren Beschäftigten im Pflege- und Betreuungsbereich mindestens eine Entlohnung in der Höhe eines anwendbaren Tarifvertrags (unabhängig davon, ob dieser bundesweit oder nur regional anwendbar ist und ob es sich um einen Flächen-, Unternehmens- oder Haustarifvertrag handelt) zahlen.“
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärte bei der Vorstellung eines Berichts über die künftige Arbeitswelt am Dienstag, ihm gehe es „um richtige Tariflöhne“. Würde ein niedriger Haustarifvertrag herangezogen, könne dies „zulasten von Menschen gehen, die jetzt schon ganz ordentliche Tarife haben“. Zur Refinanzierung brauche es einen Mix aus Mitteln der Pflegeversicherung und Steuergeldern.
Arbeitgeber stemmen sich gegen Tarifzwang
Heil betonte, die Verhandlungen zwischen ihm und Spahn über die Ausgestaltung der Tarifbezahlung dauerten an. Es gebe die Chance, aber keine Gewissheit, dass eine entsprechende Formulierungshilfe der Regierung für die Abgeordneten des Bundestags an diesem Mittwoch im Kabinett beschlossen werden.
Arbeitgebervertreter riefen die Koalition unterdessen auf, das Vorhaben ganz zu begraben. „Hände weg vom Tarifzwang für die Altenpflege“, mahnte die Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbands Pflege, Isabell Halletz, am Mittwoch in Berlin. In den vergangenen zehn Jahren seien die Gehälter in der Altenpflege um gut 38 Prozent gestiegen. Jahr für Jahr gäbe es neue Ausbildungsrekorde. Auch die Zahl der ausländisch anerkannten Berufsabschlüsse wache. „Damit beweist die Pflegebranche, wie attraktiv und konkurrenzfähig sie im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbranchen geworden ist.“
Im am Mittwoch vom Kabinett verabschiedeten Siebten Pflegebericht weist die Regierung darauf hin, dass bereits mit der bisherigen Pflegegesetzgebung die Gehälter für Pflegekräfte verbessert worden seien.
Damit habe die Koalition eine vollständige Finanzierung von Gehältern durch die Kostenträger mindestens bis auf Tarifniveau sichergestellt. Zudem seien die Pflegemindestlöhne in der Langzeitpflege erhöht und erstmals differenzierte Vorgaben für Pflegefachkräfte vorgesehen worden. Vor allem in ländlichen Gebieten und in den neuen Bundesländern hätten sich die Pflegelöhne damit zum Teil deutlich erhöht. (mit dpa)