Klinikreform
Koalition macht Ernst mit Portalpraxen
Mit dem Krankenhausstrukturgesetz mischt die große Koalition den Sicherstellungsauftrag auf. Das geht aus den Änderungen am Entwurf der Krankenhausreform hervor. Die Vertragsärzte sollen den ambulanten Notdienst sicherstellen - oder ihn an die Krankenhäuser delegieren. Das wird es nicht umsonst geben.
Veröffentlicht:BERLIN. Bis kurz vor Schluss feilen die Fachpolitiker der großen Koalition am Krankenhausstrukturgesetz. Am Mittwoch wird der Gesundheitsausschuss des Bundestages aller Voraussicht nach den 40 Änderungsanträgen gegenüber dem Regierungsentwurf des Gesetzes seinen Segen erteilen.
Die Anträge liegen der "Ärzte Zeitung" vor. Am Donnerstag soll das Gesetz dann in zweiter und dritter Lesung beraten werden, bevor die Abgeordneten darüber abstimmen. Einige Teile, die Empfänger von Gesundheitsleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz betreffen, sollen bereits am Donnerstag in Kraft treten. Der große Rest gilt ab 2016, einige Artikel treten erst 2017 in Kraft.
Portalpraxen nicht überall Pflicht
In der Ärzteschaft schwer umstritten ist die Einrichtung von Portalpraxen an Kliniken zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung während der sprechstundenfreien Zeiten. Damit macht die Koalition jetzt Ernst. In den bislang bekannten Änderungsanträgen hat sich an dieser Forderung nichts geändert.
Die KVen müssten demnach Notdienstpraxen an Krankenhäusern einrichten oder die Notfallambulanzen der Krankenhäuser vertraglich in den vertragsärztlichen Notfalldienst einbinden - und zum Teil auch bezahlen.
Damit verstärkt die Koalition einen Paragrafen des im Juli in Kraft getretenen Versorgungsstärkungsgesetzes. Darin hatten Union und SPD die Vertragsärzte verpflichtet, den Notdienst auch durch Zusammenarbeit und organisatorische Verknüpfungen mit zugelassenen Krankenhäusern sicherzustellen.
Die Regelung rutschte auf Drängen der Krankenhauslobby in den Gesetzentwurf. Die verwies auf den Sicherstellungsauftrag der Vertragsärzte und auf Fehlbeträge in Summe von rund einer Milliarde Euro im Jahr, die den Krankenhäusern entständen, weil sie den ambulanten Bereitschaftsdienst teilweise übernähmen.
In der Begründung zu dem Änderungsantrag räumen die Regierungspartner den Vertragsärzten einen weiten Spielraum ein. So sollen bereits funktionierende regionale Kooperationsstrukturen geschützt werden.
"Eine Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigungen an jedem Krankenhaus, das an der Notfallversorgung teilnimmt, eine Portalpraxis einzurichten, besteht nicht", heißt es wörtlich in dem Antrag.
Steuerung rückt in den Fokus
Ziel der Koalition sind auch die Patientenzahlen an den Krankenhäusern. Wissenschaftliche Veröffentlichungen legen nahe, dass die Notfallambulanzen an den Kliniken Katalysatoren für die stationären Behandlungsfälle sein könnten.
Laut vom Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung geförderten Berechnungen der Münchner Gesundheitsökonomin Professorin Leonie Sundmacher könnten die Kassen um mehr als sieben Milliarden Euro im Jahr entlastet werden. Rund 3,7 Millionen Krankenhausfälle der insgesamt 19,1 Millionen Fälle im Jahr 2014 seien vermeidbar.
Die Portalpraxen, so deutet die Koalition in der Begründung zu ihrem Änderungsantrag an, sollen deshalb zusätzlich eine Filterfunktion übernehmen. Dort sei zu entscheiden, ob ein Patient stationär aufgenommen werden müsse oder nach der gesundheitlichen Stabilisierung zurück an den Hausarzt verwiesen werden könne. Dies soll nicht für Patienten gelten, die vom Rettungsdienst eingeliefert werden.
Eigenes Honorarvolumen
Mit dem Krankenhausstrukturgesetz schafft die Koalition auch einen eigenen Honorartopf für den ambulanten Notdienst, aus dem sowohl vertragsärztliche Leistungen als auch die Leistungen von Krankenhausärzten, denen der vertragsärztliche Notdienst übertragen worden ist, bezahlt werden sollen.
Dieser Topf soll gefüllt werden, bevor die Trennung der Honorare für Haus- und Fachärzte erfolgt. Begrenzungen und Minderungen der Honorare in diesem Topf schließt der Gesetzentwurf expressis verbis aus.
Um die vor allem aus Sicht der Krankenhäuser zügig eine angemessene Vergütung von Notdienstleistungen sicherzustellen, soll der Bewertungsausschuss, ergänzt um Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft, bis Ende 2016 neue Regeln zur Notdienstvergütung aufstellen.