BKK-Vorstand im Gespräch:
Koalition wird Zeit schinden
Die Beitragssätze in der GKV werden weiter auseinandergehen. Es gäbe schlanke Reformoptionen, sagt Franz Knieps.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Betriebskrankenkassen weisen nach drei Quartalen bisher ein Defizit von 151 Millionen Euro auf. Aus Sicht von Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbands, liegen die Zahlen in einem Bereich, "den wir erwartet und befürchtet haben", sagte er der "Ärzte Zeitung".
Die Verzerrungen bei den Zuweisungen durch den Morbi-RSA sind für Knieps ein wesentlicher Grund, dass die Finanzentwicklung gerade bei Betriebs- und Innungskassen ungünstig verläuft. Bei den IKKen fällt das Ergebnis mit einem Minus von 212 Millionen Euro noch schlechter aus.
Die höhere Bewertung der Ausgaben für Verstorbene im Finanzstruktur- und Qualitätsweiterentwicklungsgesetz (FQWG), habe die Situation der AOK im internen Kassenausgleich "fundamental verbessert", so Knieps. 2016 werde die Schere bei der Beitragsentwicklung zwischen den Kassenarten weiter aufgehen, prognostiziert der frühere Leiter der Abteilung Krankenversicherung im BMG.
Die Mehrausgaben durch die jüngsten Reformgesetze der Koalition seien durch die zusätzlichen 0,2 Punkte beim durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz "bei Weitem nicht gegenfinanziert", warnt Knieps.
Reform des Strukturausgleichs bis 2017 unwahrscheinlich
Er geht davon aus, dass die Parität in der Beitragsfinanzierung durch Arbeitgeber und -nehmer wieder auf die Tagesordnung der Koalition kommt. Union und SPD würden "spätestens dann reagieren, wenn die großen Gewerkschaften beginnen, die steigenden Zusatzbeiträge in ihre Tarifforderungen einzupreisen", sagt Knieps.
Die Koalition werde allerdings mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 vor allem auf Zeitgewinn setzen. Denn eine umfassende Reform des Risikostrukturausgleichs sei bis dahin unwahrscheinlich.
"Für alle Stellschrauben, die derzeit im Gespräch sind - Krankengeld oder Regionalfaktor - gibt es keine einfache Lösung, die sich mit wenigen Spiegelstrichen umsetzen ließe", sagt Knieps. An diesem Montag werden die Gesundheits-Sachverständigen ein Sondergutachten vorstellen, das sich mit Regelungsoptionen beim Krankengeld beschäftigt.
Um die Schieflage im Kassenausgleich mit einer begrenzten Operation zu lindern, könnte aus Sicht von Knieps die Berücksichtigung von Erwerbsminderungs-Rentnern im Morbi-RSA neu justiert werden.
Die eigenständige Regelung für diese Gruppe sei ein "Relikt aus dem ursprünglichen RSA-Modell", erläutert er. Werde sie abgeschafft, würden die Wettbewerbsverzerrungen reduziert.
Versorgung im Süden teurer als im Norden
Der Effekt wäre auch bei den "Verlierern" moderat, sagt Knieps. Er würde sich beispielsweise bei der Knappschaft auf 0,08 Beitragspunkte belaufen. Das BKK-System würde rund 0,04 Beitragspunkte hinzugewinnen.
Er mache sich aber keine Illusionen: "Beim RSA wird um jeden Cent gekämpft", sagt Knieps."Perspektivisch" müssten zudem weitere Gründe für die Beitragssatz-Unterschiede angegangen werden, fordert der Verbandsvorstand. So sei die Versorgung im Süden teurer als im Norden Deutschlands - und vor allem als im Osten.
Das werde aber im Morbi-RSA aktuell nicht berücksichtigt, erinnert er. Knieps prognostiziert, dass Kassen, die ausschließlich in strukturstarken Regionen mit großen stationären Kapazitäten tätig sind, zunehmend Probleme bekommen würden. "Das gilt nicht nur für das BKK-System, sondern ebenso für andere Kassenarten", sagt Knieps.
Lesen Sie dazu auch: Kassen-Finanzen: Nur ein hauchdünner Überschuss Kommentar zu GKV-Finanzen: Aus dem Gleichgewicht