Köhler rechnet vor: So viel kostet Prävention

Bizarre Diskussion: Die Präventionsstrategie der Regierung ist weitgehend unbekannt, aber schon stehen die Ärzte wegen möglicher Zusatzhonorare in der Kritik. KBV-Chef Köhler prescht mit ersten Zahlen vor.

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Spekulation: Präventionsberatung gegen Honorar.

Spekulation: Präventionsberatung gegen Honorar.

© Alexander Rath / iStockphoto

BERLIN (af/nös). Kaum sind Bruchstücke aus der Präventionsstrategie der Bundesregierung bekannt, da hat sich die Diskussion schon kontrovers auf eine mögliche zusätzliche Honorierung für Ärzte verengt.

Dabei ist in dem Arbeitspapier, auf das sich mehrere Medien über die Osterfeiertage beriefen, gar keine Rede von Zusatzhonoraren für Ärzte, die ihren Patienten die Präventionskurse der Krankenkassen schmackhaft machen.

Nach Informationen der "Ärzte Zeitung" sollen Ärzte verstärkt in die Vermittlung von diesen Kursen eingebunden werden.

"Über mögliche Kosten dafür ist bislang noch gar nicht gesprochen worden", kommentierten Regierungskreise diesen Passus der Diskussionsvorlage.

KBV-Chef Dr. Andreas Köhler macht dennoch eine Rechnung auf. Prävention spare dem Gesundheitssystem und der Volkswirtschaft Milliarden Euro.

Dies zeigten Beispiele aus anderen Ländern. Dem gegenüber ständen dafür mögliche, zusätzliche Beratungshonorare für Ärzte von 100 bis 200 Millionen Euro.

Präventionsberatung ist mehr als ein freundschaftlicher Rat

"Präventionsberatung kostet Zeit. Es geht um mehr als nur den freundlichen Ratschlag zu geben, sich mehr zu bewegen und weniger zu essen", sagte Köhler in Berlin.

Obwohl das im FDP-Ministerium entworfene Konzept eines durch Ärzte vermittelten, leichteren Zugangs zu Präventionskursen der Kassen - nach Informationen der "Ärzte Zeitung" - nichts zu möglichen zusätzlichen Arzthonoraren aussagt, gibt es genau in diesem Punkt Widerspruch.

Wo Gesundheitsberatung medizinisch notwendig sei, werde sie schon heute vergütet.

"Zusätzliches Honorar für allgemeine Gesundheitsberatung lehnen wir ab", sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes Florian Lanz der Nachrichtenagentur dpa.

Es brauche keine Konzepte, wie Ärzte als Spitzenverdiener noch mehr einnehmen könnten.

Union: Konzept ist ärztelastig

Kritik kam auch vom Koalitionspartner. Das Konzept des Ministeriums sei "ärztelastig", zitierte die "Berliner Zeitung" Unionskreise.

Der Patientenbeauftragte der Regierung, Wolfgang Zöller (CSU), bestätigte indirekt Pläne der Union für eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Prävention.

Dies werde Thema bei der dreitägigen Klausurtagung der Arbeitsgemeinschaft Gesundheit der CDU/CSU-Fraktion ab Mittwoch sein.

Es gehe nicht an, dass die Regierung für mehr Bewegung und bessere Ernährung werbe, während die Länder am Schulsport und die Landkreise an der Ernährungsberatung sparten, so Zöller.

Zöller: Ausgaben für Prävention zu gering

"In unserem Gesundheitssystem wird zu viel für Behandlung und zu wenig für Krankheitsverhinderung ausgegeben", sagte Zöller in Berlin.

An Ostern war bekannt geworden, dass die Union an einem "Nationalen Rat für Prävention und Gesundheitsförderung" bastelt.

In diesem Gremium sollen außer Bund und Ländern auch die Kommunen, Kassen, Arbeitgeber und Ärzte mit beraten.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Prävention - ein neuer Anlauf

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 11.04.201214:30 Uhr

Es ist schon ein Drama mit der KBV,

denn weder Ökonomie mit BWL und VWL noch die Prävention von Erkrankungen gehören zur eigentlichen Kernkompetenz von Ärztinnen und Ärzten. Unsere gesamte Aus- und Weiterbildung ist pathologisierend geprägt und pathophysiologisch durchdrungen von erworbener Kompetenz und Erfahrung bei Anamnese, Untersuchung, Diagnostik, Therapie und Palliation. Schon bei emotionaler und psychosozialer Kompetenz, bei Palliativmedizin bis Sterbebegleitung tun wir uns schwer. Denn diese spielen sich jenseits von reproduzierbarer wissenschaftlicher Exaktheit, rationalen Leitlinien und evidenzbasierter Medizin in Bereichen der hermeneutischen Interpretationen ab.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und ihr Chef, Kollege Dr. Andreas Köhler, werden doppelt unglaubwürdig, wenn sie sich selbst als gelernte Präventionsstrategen und betriebswirtschaftliche Honorarexperten präsentieren. Denn genau dort fehlt es an Transparenz, Professionalität und Performance. Jahrzehntelang füllten Ärztinnen und Ärzte KBV-Krebsvorsorgedokumentationen aus, ohne dass diese je evaluiert wurden. GESU-Formulare der "Gesundheitsuntersuchung" (Vordruck 30), viele Jahre im Original der KV-Abrechnung beigefügt, sind mangels systematischer Fragestellungen und Datenerhebungen für die Präventionsforschung nicht auswertbar.

Adipositasberatung, Arthrose- und Sturzprotektion, primäre Osteoporosedetektion, Prävention von Nikotinabusus, Alkohol- und anderen Abhängigkeitserkrankungen, Suizidprävention, Vermeidung von Stress- und Burn-Out-Krankheitsfolgen haben nicht nur in den vertragsärztlichen Tätigkeiten keinen Stellenwert. Das Bewusstsein für Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention fehlt. Selbst mit Einführung der Präventivkoloskopie im 55. und 65. Lebensjahr wurde keine sonst bei Projekten dieser Größenordnung unabdingbare Begleitforschung implementiert. Es blieb der privaten Initiative von Darmzentren und der internationalen universitären Forschung überlassen, valide Daten zu Effizienz und Effektivität zu erarbeiten.

"Hausaufgabe" für KBV und auch Bundesärztekammer (BÄK) wäre, die Interaktion zwischen Prävention und Heilung bzw. Gesundheitsförderung zu untersuchen, zu belegen und überzeugend darstellbar zu machen. Nur dann gäbe es eine Chance, in der Humanmedizin Ärztinnen und Ärzte neben Krankheitsdiagnostik und Therapieoptionen auch für Gesundheitserhaltung und Vermittlung von Präventionsstrategien zu gewinnen. Zuallererst mit der Gesundheitsökonomie und steigerungsfähigen Arzthonoraren zu argumentieren, hieße, das Pferd von hinten aufzuzäumen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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