Streit um Reform des Bereitschaftsdienstes
Kommunen in Baden-Württemberg klagen gegen Schließung von Bereitschaftspraxen
Seit Oktober 2024 köchelt der Konflikt um das geplante Aus für 18 Bereitschaftspraxen zwischen Kommunen und der KV Baden-Württemberg. Jetzt ziehen 13 betroffene Städte und Gemeinden vor Gericht.
Veröffentlicht:
Betroffene Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg sind sauer über die geplante Schließung von Bereitschaftspraxen. Sie monieren, nicht in die Planungen einbezogen worden zu sein und vermissen Gespräche über Alternativlösungen.
© Bernd Weißbrod/dpa
Stuttgart. Kommunen in Baden-Württemberg, in denen von der KV Baden-Württemberg (KVBW) Bereitschafts-Praxen geschlossen worden sind, wollen sich dagegen gerichtlich wehren. 13 Kommunen gaben am Freitag bekannt, gegen die Schließung der Praxen vor dem Sozialgericht Stuttgart klagen zu wollen.
Seit der Bekanntgabe der KVBW im vergangenen Oktober, den Bereitschaftsdienst im Land völlig neu ordnen zu wollen, haben sich Bürgermeister und betroffene Einwohner mit Demonstrationen und Unterschriften gegen diesen Schritt gewandt.
Kurz vor Weihnachten hatte der KV-Vorstand ein gestuftes Schließungskonzept für die 18 Kommunen vorgestellt – Anfang April soll die Einrichtung in Neuenbürg in der Nähe von Pforzheim die Erste sein. Abgeschlossen werden soll der Schließungsprozess Ende November mit der Praxis in Herrenberg. Parallel dazu sollen benachbarte Standorte von Bereitschaftsdienst-Einrichtungen ausgebaut und ihre Öffnungszeiten erweitert werden.
Kommunen beklagen fehlende Kooperation der KVBW
Die klagenden Kommunen monieren, es habe zwischen ihnen und der KVBW keine Kooperation gegeben, „weder in Form einer Abstimmung der Planungen, noch in Form einer Bedarfsermittlung in den Gemeinden, noch in Form von ergebnisoffenen Gesprächen über mögliche Alternativlösungen während des Planungsprozesses. Der Informationsfluss zu den genauen Kriterien und Gründen ist bis heute unzureichend“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung.“
Die Städte und Gemeinden fordern seit Monaten, die Schließungen auszusetzen und den Reformbedarf neu zu bewerten. Zweifel werden immer wieder an der Versicherung der KVBW geäußert, auch nach der Reform könnten 95 Prozent der Patienten binnen 30 Pkw-Minuten eine Bereitschaftspraxis erreichen.
Die KVBW teilte am Freitag mit, die Ankündigung der Klage komme nicht überraschend. Allerdings bleibe unklar, „auf welche angebliche Rechtsverletzung sich die Kläger berufen, welchen Rechtsverstoß sie der KVBW eigentlich vorwerfen“. Dabei verweist die Körperschaft auf „zahllose Gespräche mit den unterschiedlichsten Beteiligten in den Städten und Landkreisen“, die seitdem geführt wurden.
Viele Anregungen hätten auf diesem Wege Eingang in die Neukonzeption des Bereitschaftsdienstes gefunden. „Die KVBW wird abwarten, bis ihr die Klage zugestellt wird und sie dann prüfen. An den Planungen und der Umsetzung wird sich daher erst einmal nichts ändern“, so ein Sprecher.
SPD will „um jede Notfallpraxis kämpfen“
Die SPD-Fraktion im Landtag bekräftigte am Freitag, man wolle „um jede einzelne Notfallpraxis kämpfen“. „Man kann und darf in Baden-Württemberg keine Politik gegen die Kommunen machen“, sagte deren gesundheitspolitischer Sprecher Florian Wahl. Er argumentiert, wer diese Einrichtungen schließe, treibe die Patienten in die Notaufnahmen. „Wenn die KV ihre Angebote einschränkt, dann tut sie das massiv auf Kosten der Krankenhäuser, also vor allem der Kommunen. Dass die Kassenärzte das Gegenteil behaupten, ist offensichtlich unwahr“, sagte Wahl.
Seine Fraktion hat dazu beim Sozialministerium die Entwicklung der Patientenzahlen in mehreren betroffenen Regionen abgefragt. Beispiel Bereitschafts-Praxis in Buchen (Neckar-Odenwald-Kreis): Die Zahl der in der Notaufnahme des Krankenhauses Buchen behandelten Patienten belief sich im Zeitraum von November 2023 bis März 2024 auf 881 ambulante und bei 480 im stationären Bereich. Im gleichen Zeitraum 2022/23 war die Zahl der ambulanten Behandlungen mit 637 deutlich niedriger, heißt es in der Antwort des Ministeriums.
Freilich ist die Entwicklung der Zahlen nach Darstellung des Ministeriums nicht durchgängig so eindeutig, wie es die Oppositionsfraktion darstellt. So sei nach der erstmaligen Schließung der Bereitschaftspraxis in Buchen im Herbst 2023 „im Neckar-Odenwaldkreis keine Zunahme der Notarzt- und Rettungsdiensteinsätze im Vergleich zum Vorjahresquartal zu erkennen“, berichtet das Ministerium.
Nicht überall steigen die Patientenzahlen in den Notaufnahmen
In anderen Regionen – Beispiel Schopfheim im Landkreis Lörrach – geben die Zahlen, die die Kliniken des Landkreises melden, keinen klaren Aufschluss: Im März 2023, also vor Schließung der Bereitschaftspraxis, wurden in der Notaufnahme 117 Patienten ambulant und 22 stationär versorgt. Im März 2024 betrug die Zahl der ambulanten Patienten wiederum 117, die der stationär versorgten Patienten belief sich auf 35, heißt es in der Antwort des Ministeriums auf eine weitere Anfrage der SPD-Fraktion
Anders wiederum stellt sich die Lage in Schorndorf im Rems-Murr-Kreis dar. Die Rems-Murr-Kliniken gGmbH meldet eine deutliche Zunahme der Patientenzahlen in der Notaufnahme: Von 285 ambulant behandelten Patienten im März 2023 (stationär: 123 Patienten) auf 453 ambulant versorgte Patienten im März 2024 (stationär: 167 Patienten), berichtet das Ministerium in seiner Antwort auf die entsprechende Anfrage der SPD-Fraktion.