Konzepte gegen Ärztemangel: Die Basis macht es vor
Was tun gegen den Ärztemangel? Der Bundesverband Manged Care hat eine Zwischenbilanz gezogen - mit erstaunlichem Ergebnis: Aktionen gegen den Mangel kommen fast durchweg von den Ärzten vor Ort. Kreativität und Kooperationswille sind oft größer als vermutet.
Veröffentlicht:BERLIN. Der Deus ex Machina lässt auf sich warten. Die eine große Lösung gegen Ärztemangel und Unterversorgung und ländlichen Problemregionen wird es nicht geben.
Längst aber ist die Basis aktiv und kreativ geworden - die absehbare Not vor Ort hat innovative Kräfte freigesetzt und alte Animositäten obsolet gemacht. Zum Beispiel zwischenambulanter und stationärer Versorgung.
Beispiel Landkreis Dithmarschen im Südwesten von Schleswig-Holstein. Hier arbeitet das Westküstenklinikum (WKK) an zwei Standorten und musste befürchten, dass bei einer erodierenden ambulanten Versorgung auch die Zuweiser fehlen.
"Indirekte Ausraubung" war die Befürchtung, so WKK-Chef Harald Stender.
Seine Strategie: Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung durch MVZ in gemeinsamer Trägerschaft mit der Ärztegenossenschaft, Öffnung des Krankenhauses für ambulante fachärztliche Versorgung in Kooperation mit niedergelassenen Fachärzten.
Nur eines hat nicht funktioniert: Ein kombiniertes ambulant-stationäres Landkreis-Budget für die Gesundheitsversorgung, mit dem - auch bei sinkender Arzt- und Fallzahl - das Geld in der Region hätte gehalten werden können. Dagegen gab es noch zu viel Vorbehalte der Vertragsärzte.
Prinzip: "Der Arzt kommt zum Patienten"
Beispiel Wesermed-Gesundheitszentrum in Bewerungen, einer 6000-Einwohnerstadt im Grenzgebiet von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen.
Ländlicher Raum mit weiten Wegen zu den nächstliegenden Kliniken und Fachärzten.
Die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt war es, die den Hausarzt Dr. Jens Grothues unternehmerisch inspirierte: zu einem integrierten Gesundheitszentrum, indem Hausärzte mit ihrem Team die notwendige fachärztliche Versorgung vor Ort organisieren.
In diesem Gesundheitszentrum erhalten beispielsweise Orthopäden, Nephrologen, Chirurgen und Diabetologen eine eingerichtete Dependence.
Der Arzt, auch der Facharzt, kommt zum Patienten, ist das Credo von Grothues, der sich bei der BMC-Tagung in Berlin darüber freut, eine höhere Facharztdichte in der Kleinstadt Bewerungen als in den benachbarten größeren Kreisstädten realisiert zu haben.
Über drei Millionen Euro hat Grothues in ein Gesundheitszentrum investiert, in das Apotheken, Sanitätshaus, Pflegedienste und andere Gesundheitsdienstleistungen integriert sind.
Unsinn: Beschränkungen für MVZ-Gründer
Beispiel Sachsen-Anhalt: Bundesweit ist die Morbidität hier am höchsten, die Ärztedichte die zweitniedrigste in Deutschland. Jeder Hausarzt, der in Pension geht, hinterlässt eine empfindliche Lücke.
Hier war es die KV selbst, die die Initiative zur Gründung von Zweigpraxen und ihre Finanzierung aufgebracht hat. Vier solcher Praxen arbeiten inzwischen im Norden des Landes.
Die Organisation inklusive Praxispersonal und Rotationspläne für diensthabende Ärzte, die auf eine elektronische Patientenakte zurückgreifen können, liegt in der Hand der KV. Inzwischen kommen die Filialpraxen auf 1000 Scheine im Quartal.
Beispiel Patiomed der KBV. Die Idee der Gründer war es, einen Kontrapunkt zu den MVZ zu setzen und Ärzten den Weg in die Freiberuflichkeit zu erleichtern: mit einem Franchise-Modell und Organisationshilfen von Patiomed.
Binnen zwei Jahren hat Patiomed, so der derzeitige Vorstandschef Ralf Sjuts, vier MVZ in Betrieb. 20 weitere Projekte sind in der Prüfung, wovon die Hälfte als kritisch angesehen wird.
In einem Punkt haben sich die Patiomed-Gründer verkalkuliert: Nicht zuletzt auf ihr Betreiben darf eine AG kein MVZ gründen. Patiomed ist aber AG.