Corona-Beschlüsse

Schnelltests ab 11. Oktober kostenpflichtig – Druck auf Ungeimpfte wächst

Erst kam die Flut dran, dann die Pandemie: Nach mehrstündigen Beratungen haben sich Bund und Länder am Dienstag auf das Aus kostenloser Bürgertests verständigt. Zudem gibt es eine Testpflicht für Innenräume ab einer 35er-Inzidenz – für Ungeimpfte.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Michael Müller (SPD), Angela Merkel (CDU) und Markus Söder (CSU) auf der Pressekonferenz am 10. August 2021.

„Impfen, impfen, impfen ist nach wie vor das Gebot der Stunde.“ betonte Berlins Regierender Bürgermeister und Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz Michael Müller (SPD) am 10. August im Anschluss an den virtuellen Gipfel.

© Christian Mang / Reuters / dpa / picture alliance

Berlin. Mal eben einen Corona-Schnelltest auf Staatskosten machen – damit ist ab dem 11. Oktober Schluss. Die Bürgertests muss dann jeder selbst bezahlen. Darauf haben sich Bund und Länder am späten Dienstagnachmittag verständigt.

Da mittlerweile allen Bürgern ein Impfangebot gemacht werden könne, sei eine dauerhafte Übernahme der Kosten der Tests durch den Steuerzahler nicht angezeigt, hieß es zur Begründung. Für Personen, die nicht geimpft werden können oder für die (noch) keine Impfempfehlung vorliegt, soll es aber weiter gratis Schnelltests geben. Dazu gehören Schwangere oder Unter-18-Jährige.

Geimpft, genesen, getestet – die neue Corona-Regel

Für Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, entsteht mit dem Beschluss finanzieller Druck. Denn die Bund-Länder-Runde verständigte sich auch auf eine 3G-Regel (Geimpft, genesen, getestet) für Innenräume. Und die besagt: Wer nicht geimpft oder genesen ist, muss bei einer Sieben-Tage-Inzidenz ab 35 einen tagesaktuellen negativen Antigen-Schnelltests oder negativen PCR-Test, der nicht älter ist als 48 Stunden, vorweisen, um Zutritt zu bestimmten Einrichtungen zu haben oder um an bestimmten Events teilzunehmen.

Dazu gehören etwa: Krankenhäuser, Pflegeheime, Einrichtungen der Behindertenhilfe, Innengastronomie, Friseure, Kosmetik-Salons, Studios zur Körperpflege, Informations-, Kultur- oder Sportveranstaltungen im Innenbereich sowie Gottesdienste und Beherbergung. Liegt die Inzidenz unter 35, können die Länder von der 3G-Regel abweichen.

Die Kosten für einen Schnelltest liegen aktuell bei 10 bis 20 Euro – für einen PCR-Test bei um die 40 Euro. Es handelt sich um Anhaltswerte. Da die Nachfrage nach den Tests mit Streichung des Gratis-Angebots absehbar sinken könnte, dürften auch die Preise anziehen.

Merkel: Impfquote muss deutlich über 70 Prozent liegen

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte im Anschluss an den virtuellen Gipfel, es gebe inzwischen genügend Impfstoffe für alle. Erfreulich sei, dass mehr als 80 Prozent der Über-60-Jährigen geimpft seien. Die „nicht so gute Nachricht“ sei, dass das Impftempo zuletzt deutlich nachgelassen habe.

Impfangebote müssten daher verstärkt niedrigschwellig angelegt sein, so die Kanzlerin. Jeder solle für die Impfung werben, „weil es einfach ein Schutz für uns alle ist“. Wünschenswert wäre eine Impfquote von deutlich über 70 Prozent und „hin zu 80 Prozent“, betonte Merkel.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte am Dienstagvormittag via „Twitter“ mitgeteilt, dass mittlerweile 45,8 Millionen Bundesbürger (55,1 Prozent) den vollen Impfschutz haben. 52 Millionen beziehungsweise 62,5 Prozent der Bundesbürger seien mindestens einmal geimpft.

Berlins Regierender Bürgermeister und Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz Michael Müller (SPD) erklärte: „Wir sind in einer anderen Situation als vor einem Jahr.“ Es gebe mehr Testmöglichkeiten, mehr Erkenntnisse und vor allem Vakzine, die gut schützten. „Aber die Gruppe der Ungeimpften ist zu groß“, sagte Müller.

Es sei „bitter“, so Müller, dass viele Menschen die Impfangebote nicht annehmen wollten. „Impfen, impfen, impfen ist nach wie vor das Gebot der Stunde.“ Dass die Bürgertests kostenpflichtig würden, sei „richtig“. Jeder könne die Kosten umgehen, indem er sich impfen lasse.

Söder: „Gefahr einer Pandemie der Ungeimpften“

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder sagte, die vierte Welle schleiche sich allmählich heran. Deutschland sei gut beim Impfen, aber noch nicht gut genug. Es drohe eine „Pandemie der Ungeimpften“.

Eine Impfpflicht wolle man nicht, unterstrich Söder. Wer sich nicht impfen lasse, müsse aber die Konsequenzen tragen – dazu gehöre das Testen. Der Steuerzahler könne die Tests nicht endlos bezahlen – das wäre „unfair“. „Unser normales Leben kommt mit dem Impfen zurück.“ Langfristig müsse man sich auch der Debatte um eine 2G-Regel (Geimpft, genesen) stellen. Das Bundesgesundheitsministerium hatte diese Regel bei hohen Inzidenzen kürzlich ins Spiel gebracht.

Weitere Beschlüsse im Überblick:

Impfappell: „Wie sich die Infektionszahlen entwickeln, hängt maßgeblich davon ab, wie hoch die Impfquote in Deutschland ist“, sind Bund und Länder überzeugt. Alle Bürger sollten sich daher zügig impfen lassen. Bei den mRNA-Impfstoffen bestehe zwei Wochen nach Verimpfung „vollständiger Impfschutz“. Die Vakzine hätten sich in Zulassungsstudien als auch in der weltweiten millionenfachen Anwendung als „sehr sicher“ und wirksam erwiesen – das gelte auch mit Blick auf die Delta-Variante.

Maskenpflicht: Die AHA+L-Maßnahmen bleiben bestehen. Im Einzelhandel und im öffentlichen Personenverkehr muss weiter eine medizinische Schutzmaske getragen werden – das gilt auch für Geimpfte und Genesene. Ob die Maßnahmen weiter erforderlich sind, wird alle vier Wochen überprüft. Ergänzende Schutzmaßnahmen können die Länder bei Großveranstaltungen oder mit Blick auf den Besuch von Diskotheken und Clubs verabschieden.

Kein Abschied von der Inzidenz: Die Inzidenz als alleinige Richtschnur für Corona-Maßnahmen verliert an Bedeutung. Künftig sollen daher mehrere Indikatoren, insbesondere Inzidenz, Impfquote und die Zahl der schweren Krankheitsverläufe sowie die resultierende Belastung des Gesundheitswesens genau beobachtet werden. In welcher konkreten Relation die Parameter zueinander stehen sollen, darauf konnte sich die Runde nicht verständigen. Söder sprach von einer „kniffligen Frage“. Eine „Glücksformel“ sei hier noch nicht gefunden worden, so der CSU-Chef.

Epidemische Lage: Deutschland befindet sich nach Auffassung der Chefs von Bund und Länder weiter in einer pandemischen Situation. Daher soll der Bundestag gebeten werden, die epidemische Lage über den September hinaus zu verlängern. Die epidemische Lage gilt vielen als Basis der Corona-Maßnahmen – Oppositionsvertreter hatten zuletzt aber auf eine Beendigung gedrängt. Gelegenheit, die epidemische Lage abermals zu verlängern, besteht bei einer Sondersitzung des Bundestags am 7. September.

Den kompletten Beschluss der Bund-Länder-Runde finden Sie hier.

BÄK-Chef Reinhardt fordert Langfrist-Strategie

Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Dr. Klaus Reinhardt hatte am Dienstagvormittag an Bund und Länder appelliert, trotz steigender Sieben-Tage-Inzidenz „keine simple Lockdown-Politik mit dem Holzhammer“ zu beschließen.

Notwendig sei eine „Langfrist-Strategie“, wie die Gesellschaft auf Dauer mit dem Virus koexistieren könne, betonte der BÄK-Chef. „Wir können unser gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben nicht immer wieder aufs Neue stilllegen.“

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