GKV-Finanzen im Jahr 2021

Krankenkassen mit Rekordminus von 5,6 Milliarden Euro

Die Krankenkassen rutschen zum Jahresende noch tiefer in die roten Zahlen. Kassenmanager drängen die Koalition, rasch für 2023 die Weichen zu stellen.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Die Ausgabenüberschüsse, die in drei Quartalen aufgelaufen waren, haben sich zum Jahresende nochmals deutlich erhöht.

Die Ausgabenüberschüsse, die in drei Quartalen aufgelaufen waren, haben sich zum Jahresende nochmals deutlich erhöht.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Berlin. Die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenkassen hat sich im letzten Quartal des Vorjahres nochmals weiter eingetrübt. Nach vorläufigen Zahlen addieren sich die Ausgabenüberschüsse in der GKV auf mindesten 5,6 Milliarden Euro.

Im AOK-System war bereits bis zum Herbst ein Defizit von 2,7 Milliarden Euro aufgelaufen. Hier sind im letzten Quartal nochmals knapp 1,5 Milliarden Euro dazugekommen, so dass in der Bilanz der Ortskassen zum Jahresende ein Defizit von 4,1 Milliarden Euro steht.

Der gesetzlich erzwungene Abbau von Rücklagen beutelt das AOK-System allein mit 4,2 Milliarden Euro. Auch die Reform des Risikostrukturausgleichs wird in den Folgen belastend für die Ortskassen. „Gleichzeitig ist in nächster Zeit mit kräftigen Nachholeffekten und einem Anstieg der Ausgaben zu rechnen. Angesichts unserer geschwächten Finanzbasis und einer verschlechterten Wettbewerbsposition erwarten wir von der Politik deutliche Signale zur finanziellen Stabilisierung“, sagte AOK-BV-Vorstand Dr. Carola Reimann. Die Veränderungsrate im AOK-System wird über alle Leistungsbereiche mit rund fünf Prozent angegeben.

Vom Plus wieder ins Minus

Die Entwicklung bei den Ersatzkassen glich im Jahresverlauf einer Achterbahn: Noch im Herbst verzeichnete das vdek-Segment ein Plus von 70 Millionen Euro. Zum Jahresende waren es dann insgesamt minus 576 Millionen Euro. Isoliert schlug das vierte Quartal somit mit einem Defizit von 646 Millionen Euro zu Buche.

Ursache ist nach Angaben des vdek insbesondere der starke Ausgabenanstieg im letzten Quartal – bei Arzneimitteln beispielsweise verläuft sich die Änderungsrate auf 13,16 Prozent je Versicherten. Der höhere Festzuschuss bei Zahnersatz schlägt im vierten Quartal mit einem Ausgabenwachstum in diesem Bereich von fast zwölf Prozent zu Buche. Über alle Leistungsbereiche berichtet der vdek von einer Veränderungsrate von 7,5 Prozent je Versicherten.

Die Finanzen des laufenden Jahres seien durch den höheren Bundeszuschuss stabilisiert. „Über 2023 müssen wir aber rasch mit der Politik reden. Hier gilt es die geplanten Reformen zur Stabilisierung der Beitragssätze auf den Weg zu bringen, um die drohende Finanzierungslücke von 17 Milliarden Euro zu schließen“, kommentierte Ersatzkassenverbands-Chefin Ulrike Elsner die Entwicklung.

Defizitkurs verschärft sich weiter

Auch bei den anderen Kassenverbänden hat das Defizit zum Jahresende nochmals deutlich angezogen. Das IKK-System verbucht einen Ausgabenüberschuss von knapp 409 Millionen Euro – nach drei Quartalen waren es noch minus 208 Millionen. Wesentlicher Treiber dieser Entwicklung sei auch hier der gesetzlich vorgegebene Vermögensabbau, sagte IKK e.V.-Sprecherin Iris Kampf der Ärzte Zeitung.

Konnte man im isolierten dritten Quartal noch davon ausgehen, dass die Ausgabensteigerungen nach dem Wegfall von Corona-Beschränkungen durch Aufholeffekte geprägt waren, so zeige sich jetzt, „dass die Ausgaben im vierten Quartal trotz erneut gestiegener Corona-Inzidenzen auf hohem Niveau geblieben sind“, sagte Kampf.

Auch im BKK-Dachverband ist die Tendenz trotz noch nicht vollständiger Daten eindeutig: Fürs Gesamtjahr 2021 steht ein Minus von knapp 500 Millionen Euro in der Bilanz. Auch bei den Betriebskassen hat der Ausgabenüberschuss zum Jahresende nochmals Tempo gewonnen – minus 345 Millionen waren es nach drei Quartalen.

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Kommentare
Dr. Detlef Bunk 21.02.202217:19 Uhr

Bitte keine Panikmache zur psychologischen Vorbereitung einer Erhöhung der Krankenkassenbeiträge. Laut BMG "lagen die Finanzreserven der Krankenkassen zum Stichtag 30. September 2021 bei 13,6 Mrd. Euro. Dies entspricht 0,58 Monatsausgaben und damit im Durchschnitt in etwa dem Dreifachen der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve." Die Folgen der Pandemie werden vermutlich finanzierbar sein.
Dr. phil. Detlef Bunk, Psychotherapeut, Essen

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