Antrag im Bundesrat
Laumann: Wir brauchen bei der Organspende einen Systemwechsel hin zur Widerspruchsregelung
Acht Länder bringen im Bundesrat einen Antrag ein, mit dem das Transplantationsgesetz geändert werden soll. Erwachsenen kann eine Entscheidung für oder wider die Organspende zugemutet werden, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Acht Bundesländer werben im Bundesrat dafür, dass der Bundestag sich erneut mit der Widerspruchsregelung bei Organspenden beschäftigt. Am Freitag hat Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) die Initiative in der Länderkammer vorgestellt, mit dem das Transplantationsgesetz geändert werden würde. Er bezeichnete eine Organspende als einen „über den Tod hinaus geltenden Liebesbeweis an die Menschheit“.
Allen Bemühungen in den vergangenen Jahren zum Trotz stünden fast 8.400 Patienten auf der Warteliste, wohingegen im Vorjahr in Deutschland nur 2.877 Organe von 965 Personen gespendet worden sind, erinnerte Laumann.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass jede Person als Organ- oder Gewebespender gelten soll, wenn nicht ein erklärter Widerspruch gegen eine Organ- oder Gewebeentnahme vorliegt. „Es bestehen – bei entsprechender Ausgestaltung – keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einführung einer Widerspruchslösung“, heißt es in der Begründung des Entwurfs.
Dokumentationsprobleme wurden nicht behoben
Die Menschen würden inzwischen bei den verschiedensten Gelegenheiten – ob bei Hausärzten, in Bürgerämtern oder im Rahmen der theoretischen Führerschein-Ausbildung – mit Informationen über die Organspende konfrontiert. „All das hat unsere Dokumentationsprobleme nicht behoben“, resümierte Laumann.
Nur rund 40 Prozent der Bürger hätten ihre Entscheidung für oder wider die Organspende dokumentiert.
Nach mehreren Umfragen liege die Zustimmungsrate zur Organspende bundesweit dagegen bei rund 80 Prozent.
Deutschland habe mit der geltenden „erweiterten Zustimmungslösung“ mittlerweile ein Alleinstellungsmerkmal in Europa, sagte der NRW-Gesundheitsminister. Zugleich sei Deutschland im Rahmen von Eurotransplant immer ein „Nehmerland“.
Online-Register am Start
Der Bundestag hat 2020 das Gesetz über die Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende verabschiedet, das im März 2022 in Kraft getreten ist. Ein Online-Register, in dem eine entsprechende Entscheidung dokumentiert werden kann, ist nach langen Verzögerungen im März dieses Jahres freigeschaltet worden.
Minister gibt Startschuss für Online-Portal
Lauterbach: Organspende-Register perfekte Vorbereitung für die Widerspruchslösung
„All das, was versucht wurde, ist im Grunde gescheitert“, erklärte Laumann. Die Zahl der Organspender stagniere seit über zehn Jahren auf niedrigem Niveau. Folge seien der Tod auf der Warteliste oder unzumutbar lange Wartezeiten auf ein Organ.
Die derzeitige Regelung sollte nicht mehr weiterentwickelt werden, mahnte Laumann: „Wir brauchen einen Systemwechsel“. Es sei erwachsenen Menschen zumutbar, für sich eine Entscheidung zu treffen. Niemand müsse seine Entscheidung begründen – sie sei in jedem Fall als „integer“ anzusehen, stellte Laumann klar.
Der Bundesrat könne diese Frage nicht entscheiden, sondern nur eine Debatte anstoßen. Laumann erinnerte daran, dass der aus der letzten Bundestagswahl hervorgegangene Bundestag sich noch nicht mit dieser Frage beschäftigt hat.
Der Entwurf der acht Länder wird jetzt federführend im Gesundheitsausschuss der Länderkammer beraten und kommt dann erneut auf die Tagesordnung des Bundesrats-Plenums.
Ullmann: Demokratische Entscheidung schon getroffen
Widerspruch erntete der Vorstoß für die Widerspruchslösung in der Bundespolitik. Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, der Arzt Professor Andrew Ullmann, nannte die Bundesratsinitiative „kontraproduktiv“.
Eine parlamentarische und damit demokratische Entscheidung gegen die Widerspruchslösung bereits getroffen. „Diese gilt es zu respektieren.“
Zugleich räumte Ullmann ein, dass Deutschland noch Möglichkeiten habe, um die Anzahl der Spender zu erhöhen. Dazu gehöre etwa, über den Hirntod als Spendekriterium zu debattieren. „Wenn wir vom Hirntod zum Herztod übergehen, könnten wir die Spendezahlen erhöhen.“ (fst/hom)