Machtpoker um die Spezialversorgung entbrannt
Die ambulante spezialärztliche Versorgung ist ein zentraler Baustein der Gesundheitsreform. Um ihn entwickelt sich ein Machtpoker. Viele wollen sich Einfluss sichern.
Von Sabine Schiner
FRANKFURT/MAIN. Hessen will sich dafür einsetzen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss den Katalog an ambulanten spezialärztlichen Leistungen einschränkt. Stimmen die anderen Bundesländer dem Vorschlag nicht zu, will Hessen das Bundesgesundheitsministerium in die Gespräche einbeziehen und gemeinsam nach einer Lösung suchen. Hessens Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) ist derzeit Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz.
Jörg Osmers, Abteilungsleiter Gesundheit des Sozialministeriums, fordert die Eingrenzung des Leistungskataloges auf besonders schwere Erkrankungen.
Verteilungskampf zwischen ambulantem und stationären Sektor
Wenn etwa sämtliche onkologischen Erkrankungen oder Anfallsleiden pauschal über die spezialärztliche Versorgung abgewickelt würden, sei dies hoch problematisch und führe zu einem "unnötigen Gegeneinander" und zu einem Verteilungskampf zwischen ambulantem und stationären Sektor, so Osmers auf einem Seminar zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz in Frankfurt/Main mit Vertretern des BKK Landesverbandes und der Landesärztekammer.
Deren Präsident, Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach, fordert dazu auf, verstärkt auch niedergelassene Ärzte in die spezialärztliche Versorgung einzubinden. Die Betriebskrankenkassen sind hingegen dafür, die Kapazitäten des stationären Bereichs stärker in die ambulante Bedarfsplanung einzubeziehen.
Zu den strittigen Punkten des Versorgungsgesetzes, bei denen Osmers noch Handlungsbedarf sieht, zählt er die Möglichkeit einer Fusion der Kassenärztlichen Vereinigungen. "Dann fallen regionale Ansprechpartner weg", so Osmers. Bei den Selektivverträgen sei dies jetzt schon der Fall: "Wir sind zwar als Land für die Krankenhausleistungen zuständig, wissen aber nicht, was es an zusätzlichen Verträgen gibt, weil das jede Kasse für sich regelt."
Eine Forderung der Länder sei deshalb auch, künftig bei Selektivverträgen beteiligt zu werden. Dazu müsse allerdings ein Einvernehmen mit dem BVA hergestellt werden.
Kritik an Sondertarifen der Krankenkassen
Kritisch sieht Osmers die im Entwurf vorgesehene Regelung, wonach Krankenkassen in ihren Satzungen festlegen können, zusätzliche, vom GBA nicht ausgeschlossene Leistungen, ihren Versicherten anbieten zu können. "Bei diesen Sondertarifen sehe ich die Gefahr, dass sie als Marketing-Instrument genutzt werden", so Osmers.
Beispielsweise seien vor einigen Jahren nach Paragraf 20 SGB V Bauchtanzkurse von den Krankenkassen finanziert worden. "Das diskreditiert den guten Ansatz der Prävention."
Der Abteilungsleiter befürwortet, dass die Länder künftig auch ein Mitspracherecht im Landesausschuss haben sollen. In ihm sitzen Vertreter von KV und den Landesverbänden der Krankenkassen. Zu ihren Aufgaben zählen die Bedarfsplanung und der Beschluss von Zulassungsbeschränkungen.
Ersatzvornahmerecht für Sicherstellungsmaßnahmen
Bislang hatte das Land in dem Ausschuss nur die Rechtsaufsicht. Das Versorgungsstrukturgesetz sieht nun vor, dass Länder auch ein Ersatzvornahmerecht für Sicherstellungsmaßnahmen haben. Davon könne das Land vor allem dann Gebrauch machen, wenn Ärzte und Krankenkassenvertreter keine finanziellen Anreize schaffen, die die Niederlassung von Ärzten auf dem Land fördern.
Osmers: "Sollte die Selbstverwaltung nicht funktionieren, dann wird man fragen: Brauche ich noch eine KV?" Dann müsse die Politik das Ruder übernehmen.
Zusammenarbeit der Sektoren verbessern
Den BKKen geht das zu weit. Sie lehnen auch die Idee der Gesundheitsministerkonferenz, ein sektorenübergreifendes Gremium in den Ländern zu schaffen, ab: In Hessen soll nach Angaben von Jörg Osmers der bisherige Landeskrankenhausauschuss zu einem Landesgesundheitsausschuss umgebildet werden, um die Zusammenarbeit der Sektoren zu verbessern.
Vorschlag der BKK: Der Landesausschuss nach Paragraf 90 SGB V sollte erhalten bleiben und für die spezialärztliche Versorgung um Vertreter aus dem stationären Bereich erweitert werden. Die Rechtsaufsicht der Länder über den Ausschuss sei ausreichend.