Gesellschaft für Innere Medizin

Medizin vor Ökonomie – Kodex soll Prioritäten klarmachen

Medizinische Fachgesellschaften treten gegen die Ökonomisierung der Medizin an – mit einem Kodex.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Ein Kodex soll die Ökonomisierung der Medizin bremsen.

Ein Kodex soll die Ökonomisierung der Medizin bremsen.

© R. Emprechtinger / Fotolia

BERLIN. Der Druck auf Ärzte in Krankenhäusern ist manifest. Ein Beispiel ist die Patienten-Ampel. Steht sie in der Patientenakte auf rot, ist das für Ärzte ein unmissverständliches Signal, dass der Aufenthalt des Patienten in der Klinik ins Unwirtschaftliche dreht. Diese Praxis subtiler Einflussnahme sei bundesweit verbreitet, betonen Klinikärzte.

Gegen solche Entwicklungen, aber auch gegen das "Erpressungspotenzial" durch Chefarzt-Boni für das erreichen von hohen Zielvorgaben für Operationszahlen, gehen einige Fachgesellschaften, aber auch die Vereinigung der leitenden Krankenhausärzte (VLK) seit geraumer Zeit vor. Niederschlag gefunden hat der Widerstand in einem "Klinik Codex Medizin vor Ökonomie", den die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin am Dienstag in Berlin öffentlich vorgestellt hat. "Wir lehnen alle Leistungs-, Finanz-, Ressourcen- und Verhaltensvorgaben ab, welche für uns offensichtlich erkennbar zu einer Einschränkung unseres ärztlichen Handelns und unseres ethischen Selbstverständnisses führen und das Patientenwohl gefährden können", heißt es darin. Die Versorgung werde stets unter dem uneingeschränkten Vorrang der medizinischen Argumente gegenüber ökonomischen Überlegungen geplant und durchgeführt.

Das Papier war bereits im April beim Internistentag in Mannheim diskutiert worden. Neu sei, dass der Kodex inzwischen auch mit den Fachgesellschaften der Neurologen und Chirurgen konsentiert sei, sagte Professor Petra-Maria Schumm-Draeger, Vize-Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), bei der Vorstellung des Papiers am Dienstag.

"Es geht nicht um bösen Kaufmann und guten Arzt"

Es gehe nicht um den Konflikt zwischen dem bösen Kaufmann und dem guten Arzt. Ökonomie könne den Patienten aber tatsächlich schaden, betonte Professor Dirk Müller Wieland, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Zum Beispiel, wenn aufgrund der Logik der Fallpauschalen diabetische Abteilungen in Krankenhäusern zugunsten operierender Fächer geschlossen würden. Das verschlechtere die Versorgung, da tatsächlich jeder dritte stationäre Patient an einem Diabetes leide. Das wirke sich aber auch auf die Forschung und die Ausbildung des Nachwuchses aus. Das wiederum schlage direkt auf die ambulante Versorgung durch.

Krankenhäuser ohne Diabetesversorgung sollten vom Netz genommen werden. Zudem plädierte Wieland dafür, in der kommenden Legislaturperiode die sprechende Medizin in den Fallpauschalen zwingend stärker zu akzentuieren, um Fehlanreize für invasive Behandlungen zu verringern.

Der Kodex ist unverbindlich. Die Fachgesellschaften wollten nun in Gespräche mit den Krankenhausträgern, den Krankenhausgesellschaften den Ländern sowie Landes- und Bundespolitikern eintreten, kündigte Schumm-Draeger an.

  1. Drei Ursachen der Ökonomisierung
  2. Privatisierung: Seit 1992 können öffentlich betriebene Krankenhäuser an private Träger verkauft werden.
  3. Fallpauschalen: Seit 2003 sind die DRG scharfgeschaltet. Kritiker monieren, dass die Zuwendung zum Patienten in dieser Vergütungsstruktur unzureichend abgebildet ist.
  4. Investitionsfinanzierung: Die Länder kommen ihren Verpflichtungen nicht nach. Mehr als drei Milliarden Euro fehlen nach Berechnungen des INEK jedes Jahr.
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