SpiFa-Fachärztetag
Minister Spahn erteilt Staatsmedizin eine Absage
Die Selbstverwaltung langfristig aushöhlen? Das will Gesundheitsminister Jens Spahn, wie er beim SpiFa-Fachärztetag klarstellte, in keinem Fall. Denn er weiß, wie wertvoll sie ist.
Veröffentlicht:BERLIN. Direkt verantwortlich sein für jeden Eingriff, der in der Klinik stattfindet, will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auch in Zukunft nicht. Britische Verhältnisse und damit ein System, bei dem fast alle Ärzte in der Versorgung Staatsangestellte seien, „ist nicht meine Vorstellung“, sagte er beim SpiFa-Fachärztetag am Freitag in Berlin. Ein offenes Bekenntnis zur Selbstverwaltung, denn hier habe sie durchaus etwas „Entlastendes“, wie er es nannte.
Erhaltenswert ist die Selbstverwaltung laut Spahn aber auch, weil ihre Regelungen in der Versorgung eine höhere Akzeptanz fänden und näher an der Praxis seien.
Damit reagierte er auf die Kritik des Vorsitzenden des Spitzenverbands der Fachärzte (SpiFa), Dr. Dirk Heinrich, dass die mittelfristigen Einschnitte durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) die Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung und die ärztliche Freiberuflichkeit schwächen.
Bitter stößt aber auch den Fachärzten die Erhöhung der Mindestsprechzeit auf. Noch mehr Unmut verursachen allerdings die nunmehr fünf offenen Sprechstunden, die Grundversorger pro Woche anbieten sollen.
Obwohl er sich einmal mehr als Fan der Selbstverwaltung outete, warb Spahn gleichzeitig um Verständnis für diese Einschnitte. In der Debatte um den Gemeinsamen Bundesausschuss gehe es eben nicht mehr nur um einzelärztliche Fragen, sondern die gemeinsame Entscheidung mit den anderen Selbstverwaltungspartnern. Entscheidungen, die Auswirkungen für 70 Millionen Versicherte hätten.
Selbstverwaltung gelte es, an den richtigen Stellen zu stärken, so Spahn. Aber: „Wo wir sehen, dass es Probleme gibt, müssen wir gemeinsam schauen, wie wir diese am besten lösen.“
Digitalisierung in der Medizin made in Germany
Die Frage nach den Mehrheitsverhältnissen bei der gematik und die damit nun herrschende Entscheidungshoheit des Ministers bei der Datenautobahn im Gesundheitswesen begründete er indes mit der Sorge, dass Großkonzerne aus den USA oder China mit Milliarden-schweren Investitionen den Markt im deutschen Gesundheitswesen mit anderen Vorstellungen von „Datenschutz, Datensicherheit und Datensouveränität“ bestimmen könnten.
„Ich möchte, dass wir die Dinge hier bei uns im Land gemeinsam entwickeln.“ Wenn die Selbstverwaltung in 15 Jahren nicht in der Lage sei, ein Ergebnis zu liefern, das einen Unterschied in der Versorgung mache, „dann darf der Minister auch mal sagen, jetzt probieren wir es.“
Dabei ist sich Spahn bewusst, dass er bis 2021 liefern muss, will er sich nicht die Schelte der Opposition einhandeln.
Die Digitalisierung treibt ihn aber noch an anderer Stelle um: Wenn ab Mitte des Jahres über die Approbationsordnung gesprochen wird, will er nach eigenem Bekunden auch eine Diskussion darüber starten, wie dort die Veränderungen des Arztberufes durch die Digitalisierung und den Einsatz künstlicher Intelligenz abgebildet werden können. „Damit sie auch noch 2025, 2030 gilt.“
Der Minister heimste bei aller Kritik, aber auch Lob ein: Das TSVG sei ein Paradigmenwechsel, sagte Heinrich. Es erkenne die Leistungen der Fachärzte in der Grundversorgung an. „Und es erkennt den Zusammenhang von Leistung und Vergütung wieder an“, so Heinrich weiter.
Spahn : Positive Aspekte des TSVG werden zu wenig gewürdigt
Trotzdem: Das Ende der Budgets sei damit nicht eingeläutet, stellte Spahn erneut klar. Denn auch wenn es nur eine Minderheit der Ärzte sei – es gebe die Gefahr der dann nicht mehr erfassbaren Mengenausweitung.
Viel zu selten werden laut Spahn aber die positiven Aspekte des TSVG wahrgenommen: Für Erstpatienten – die nach zwei und nicht erst nach vier Jahren ohne Arztkontakt als solche gelten würden – und etwa für Patienten, die über die Terminservicestellen oder den Hausarzt vermittelt würden, würden alle Leistungen, nicht nur die Grundpauschale, extrabudgetär gezahlt. Dafür fließen laut Spahn 800 Millionen Euro zusätzliche Finanzmittel ins System. „Die Kassen sagen, es werden deutlich über eine Milliarde Euro“, so der Minister.
Häufig unter den Tisch fallen würden zudem die Regelungen zu den Regressen: „Wir haben die Verjährungsfrist auf zwei Jahre halbiert.“ Außerdem gebe es in den Praxen keine Durchschnittsprüfung mehr in Regionen mit Unterversorgung oder besonderem Versorgungsbedarf. Und die Anerkennung von Praxisbesonderheiten sei deutlich ausgeweitet worden. Spahn: „Ich bin mir nicht sicher, ob das überhaupt schon alle wahrgenommen haben.“
Wichtig scheint dem Minister aber vor allem eines zu sein: „Ich bin immer bereit zum konstruktiven Dialog.“