Landtagswahl in Bayern

Mit flexiblen Positionen zum Erfolg?

Nach dem Debakel der letzten Landtagswahl hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer die Parole ausgegeben: Niemanden vergraulen! Die programmatische Flexibiltät der CSU könnte sich Umfragen zu Folge am 15. September auszahlen.

Von Jürgen Stoschek Veröffentlicht:

SPD-Spitzenkandidat Christian Ude (links) und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (rechts) stehten im Freistaat am kommenden Wochenende zur Wahl. [M] Personen: Frank Leonhardt / dpa | Hintergrund: SG- design / fotolia.com

MÜNCHEN. Bei der Landtagswahl in Bayern am 15. September stellen sich eigentlich nur zwei Fragen: Gelingt es der CSU unter ihrem Ministerpräsidenten Horst Seehofer sich wieder zu halbwegs alter Größe aufzuschwingen - und schafft die FDP die Fünf-Prozent-Hürde und damit erneut den Sprung in den Landtag?

Vor fünf Jahren hatte die CSU ein Wahldebakel von historischem Ausmaß erlebt: Nur noch 43,4 Prozent der Wähler gaben den Christsozialen ihre Stimme, die Freien Wähler zogen mit 10,2 Prozent der Stimmen zum ersten Mal in den Landtag ein.

Und erstmals seit 1960 musste sich die CSU die Macht wieder mit einem Koalitionspartner teilen, die FDP stellt seitdem zwei der elf Minister.

Diesmal prognostizieren die Wahlforscher der CSU seit Wochen zwischen 46 und 48 Prozent der Stimmen - was unter Umständen zu einer absoluten Mehrheit bei den Mandaten reichen könnte. Dagegen landen die Liberalen in den meisten Umfragen eher unterhalb der Fünf-Prozent-Marke.

Ob es Seehofers Herausforderer, dem Münchner SPD-Oberbürgermeister Christian Ude, gelingt, seine Partei wieder über die 20-Prozent-Hürde zu hieven, scheint nach einigen der jüngsten Umfrageergebnisse möglich. Und auch den Grünen werden Stimmenzuwächse zugetraut.

CSU agiert als Themenklauer

Dabei unternimmt Seehofers CSU seit Monaten alles, um die politische Konkurrenz klein zu halten und auch nur den leisesten Gedanken an einen Politikwechsel im Freistaat erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Frustriert musste die Opposition immer wieder feststellen, dass die Christsozialen erbarmungslos Themen "klauen" und scheinbar in Stein gemeißelte Positionen flexibel anpassen. Selbst von Parteifreunden wird Seehofer deshalb gelegentlich als "Drehhofer" tituliert.

Natürlich sieht Seehofer das anders: "Zuhören - Verstehen - Handeln" sei das Motto seines politischen Handels verkündet er landauf, landab.

Und tatsächlich gab es in den vergangenen fünf Regierungsjahren - auch im gesundheitspolitischen Bereich - einige Gelegenheiten, dem Druck, oder besser den Wünschen, der Wähler nachzukommen.

Die Abschaffung der 2007 eingeführten Studiengebühren rechtzeitig vor der Wahl, nachdem die Freien Wähler erfolgreich ein Volksbegehren angestrengt hatten, ist nur ein Beispiel.

Förderprogramm aufgelegt

Dass nicht nur der Bayerische Hausärzteverband (BHÄV) seit Jahren vor einem drohenden Hausärztemangel in einem nach der Statistik an sich vielerorts überversorgten Bundesland warnt, hat am Ende auch die Bayerische Staatsregierung überzeugt.

Ein Förderprogramm über 15,5 Millionen Euro soll nun zum Erhalt und zur Verbesserung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum beitragen. Damit wird die Niederlassung von Hausärzten im ländlichen Raum unterstützt.

Medizinstudenten erhalten ein Stipendium, wenn sie sich bereit erklären, mindestens fünf Jahre nach Studienabschluss im ländlichen Raum tätig zu sein. Zudem will die Staatsregierung innovative Versorgungskonzepte fördern, die neue Wege in der Patientenversorgung beschreiten.

Der Streit um die hausarztzentrierte Versorgung hat in den vergangenen fünf Jahren nicht nur die ärztlichen Organisationen und die Krankenkassen, sondern auch die Landespolitik immer wieder beschäftigt.

Höhepunkt war sicher der gescheiterte Systemausstieg des Bayerischen Hausärzteverbandes Ende 2010, was zu einer vorübergehenden Entfremdung zwischen dem Verband und den Politikern führte.

Doch inzwischen ist der Hausärzteverband wieder auf der politischen Bühne präsent und seine Forderung nach einer hausarztzentrierten Versorgung ohne eine gesetzliche Honorarobergrenze findet sich so oder ähnlich in den Wahlprogrammen aller im Landtag vertretenen Parteien.

Beim Nichtraucherschutz haben sich Parteien, Organisationen und außerparlamentarische Kräfte mit einem Volksentscheid, der auch von den ärztlichen Verbänden unterstützt wurde, gegen einen CSU-Kurs durchgesetzt, der die Interessen von Gastronomie- und Bierzeltbetreibern versuchte zu berücksichtigen.

Kaum hatten die Bürger entschieden, zeigte man sich stolz, das deutschlandweit strengste Nichtraucherschutzgesetz zu haben, und das sogar auf dem Oktoberfest beachtet wird.

Zwei Leber-Zentren machen dicht

Konsequent reagierten Staatsregierung und Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch von der FDP auf die 2012 bekanntgewordenen Unregelmäßigkeiten bei der Organvergabe in bayerischen Lebertransplantationszentren.

Nachdem klar war, dass Überkapazitäten in diesem Bereich als ein Teil des Problems nicht zu einer optimalen Versorgung beitragen, entschied die Landesregierung zwei von insgesamt fünf Zentren für Lebertransplantationen zu schließen. Mehr als ein Grummeln war nicht zu hören.

Noch unter dem damaligen Gesundheitsminister Söder brachte die Staatsregierung die Einführung einer Pflegekammer auf den Weg, was freilich nicht überall auf Zustimmung stieß.

Söders Amtsnachfolger Marcel Huber, der im November 2011 das Gesundheitsministerium übernahm, agierte etwas zurückhaltender und startete zunächst eine Befragung in den Pflegeberufen. Wenn das Ergebnis eindeutig ist, sollen die Pläne weiter verfolgt werden. Sonst gibt es wohl ein stilles Begräbnis.

Superministerium - keine gute Idee?

Im Bayernplan der CSU für die Jahre bis 2018 findet sich auch die Absicht, ein Heimatministerium einrichten zu wollen. Kein Wort hingegen zu einer Umorganisation, die Seehofer vor fünf Jahren innerhalb der Landesregierung vorgenommen hatte, indem er die Zuständigkeit für die Gesundheitspolitik aus dem Sozialministerium ins Umweltministerium verlagerte und Söder damit zum "Superminister" avancierte.

Heute ist vielfach zu hören, dass diese Konstruktion doch nicht so glücklich war.

Gut möglich also, dass nach dem 15. September zumindest einige Beamte ihren Arbeitsplatz wechseln müssen. Die Wahlprogramme der Parteien im Überblick:

CSU: Ja zur hausarztzentrierten Versorgung

In ihrem 28-seitigen Bayernprogramm bekennt sich die CSU zur hausarztzentrierten Versorgung. Hausarztverbände sollen ein eigenes Verhandlungsmandat gegenüber den Krankenkassen bekommen. Die bestehende Honorarobergrenze soll wieder abgeschafft werden. Für die Krankenhäuser streben die Christsozialen eine Verbesserung der finanziellen Situation insbesondere in unterversorgten Gebieten an. Die Berufsausbildung in der Pflege und die Arbeitsbedingungen sollen verbessert und eine Pflegekammer als Selbstverwaltungsorgan eingerichtet werden, wenn die Betroffenen dies mehrheitlich wollen. Außerdem spricht sich die CSU für eine Regionalisierung des Gesundheitsfonds, für mehr regionale Beitrags- und Vertragsautonomie für die Krankenkassen und eine regionale Differenzierung beim Morbi-RSA aus.

SPD: Hausärztliche Versorgungszentren

Die SPD hat ein 150-seitiges Regierungsprogramm unter dem Motto "Jetzt ist alles drin!" vorgelegt. Darin sprechen sich die Sozialdemokraten für die Einführung einer Bürgerversicherung aus. Angesichts einer drohenden Unterversorgung im hausärztlichen Bereich soll die Rolle der Hausärzte als Lotsen im Gesundheitssystem gestärkt werden. Dazu tragen nach Auffassung der SPD auch Hausarztverträge sowie hausärztliche Versorgungszentren bei. Qualifiziertes Pflegepersonal und Telemedizin sollen den Arzt entlasten. Bei der Bedarfsplanung wollen die Sozialdemokraten eine Einbeziehung der Kommunen mit dem Ziel einer patientenorientierten Versorgungsplanung. Der öffentliche Gesundheitsdienst soll weiter entwickelt werden. In der Pflege fordert die SPD eine gebührenfreie Ausbildung für alle Pflegeberufe.

Freie Wähler: Weg mit Fonds und Regressen!

Die Freien Wähler haben auf 67 Seiten Leitlinien zur Landtagswahl vorgelegt, in denen sie sich für den Erhalt einer wohnortnahen und flächendeckenden Gesundheitsversorgung aussprechen. Dazu können hausarztzentrierte Versorgungskonzepte, die auch Medizinische Versorgungszentren einschließen, sowie die Telemedizin beitragen. Außerdem sprechen sich die Freien Wähler für eine deutliche Erhöhung der Krankenhausinvestitionsmittel aus. Im Kampf gegen den Ärztemangel sollen die Arbeitsbedingungen der Ärzte vor Ort verbessert werden. Der Gesundheitsfonds und die Regresse sollen abgeschafft werden. Bürokratie im Gesundheitssektor müsse abgebaut und die Prävention etwa mit Hilfe von Bonusmodellen gestärkt werden. Die Pflege und die Altersmedizin sollen aufgewertet werden.

Bündnis90/Die Grünen: Flächendeckende Grundversorgung

Bündnis90/Die Grünen präsentieren ihr Wahlprogramm auf 87 Seiten. In der Gesundheitspolitik bekennen sich die Grünen zu einem ganzheitlichen Ansatz, in dem der Mensch in den Mittelpunkt gestellt und das Gesundheitssystem als Ganzes betrachtet wird. Neben der Forderung nach Einführung einer Bürgerversicherung streben die Grünen eine Neugestaltung der Versorgungslandschaft in Bayern an. Stichworte sind eine flächendeckende Grundversorgung und Spezialisierung einzelner Krankenhausstandorte, eine genauere, landkreisübergreifende Bedarfsplanung und eine bessere Vernetzung von Versorgungsstrukturen. Regionale Versorgung soll rund um die Hausärzte etabliert werden. Hausarztverträge sind nach Ansicht der Grünen dann sinnvoll, wenn die Qualität überprüfbar und nachvollziehbar ist.

FDP: Freiberuflichkeit soll erhalten bleiben

Die FDP wirbt mit einem 79-seitigen Wahlprogramm um die Gunst der Wähler. Im gesundheitspolitischen Teil betonen die Liberalen die Freiberuflichkeit als Garant für eine gute ambulante Versorgung. Thesenartig spricht sich die FDP für einen Wechsel zur monistischen Krankenhausfinanzierung, für Bürokratieabbau im Gesundheitswesen und gegen ausufernde Dokumentationspflichten aus. Das Regressrisiko für Ärzte und Krankenhäuser soll auf grobe Fälle beschränkt und die Budgetierung abgeschafft werden. Die Patientenquittung soll für mehr Transparenz sorgen. Außerdem fordern die Liberalen mehr Kassenarztsitze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollen aus dem öffentlich-rechtlichen Status entlassen werden. Eine Ausdehnung des Kammersystems lehnt die FDP ab.

Lesen Sie dazu auch: Bayern: Über Aufstieg und Fall der Hausärzte

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