EMA

Mitarbeiter-Favorit Amsterdam wird neuer Sitz

Am Montagabend wurde im EU-Ministerrat über neue Standorte für die Arzneimittelbehörde EMA und die Bankenaufsicht EBA abgestimmt. Deutschland ging dabei leer aus. Dass Amsterdam neuer EMA-Sitz wird, kam nicht völlig überraschend.

Arndt StrieglerVon Arndt Striegler und Christoph WinnatChristoph Winnat Veröffentlicht:
Seit 1995 im Dienst der europaweiten Arzneimittelzulassung und -überwachung: Die European Medicines Agency – noch – in Londoner Innenstadt.

Seit 1995 im Dienst der europaweiten Arzneimittelzulassung und -überwachung: Die European Medicines Agency – noch – in Londoner Innenstadt.

© EMA

LONDON. Emotionale Reaktionen gab es am Montagabend in London unmittelbar nachdem bekannt wurde, dass die Europäische Arzneimittelagentur EMA (European Medicines Agency) nach mehr als 20 Jahren infolge des Brexit die britische Hauptstadt verlassen wird. Der lokale BBC Fernsehsender berichtete unmittelbar nach Bekanntgabe der Entscheidung ausführlich und teils emotional über den Wegzug der Behörde. Sogar Londoner, die eigentlich nichts mit dem Thema Arzneimittelzulassung zu tun haben, reagierten traurig auf den bevorstehenden Umzug. "Die EMA ist ein Teil Londons und dieser Teil wird uns bald fehlen", so Mary Eggston, eine Krankenschwester in einer großen Londoner Klinik. Zahlreiche Londoner Kleinunternehmer wie Kioskbesitzer rund um den bisherigen EMA-Sitz im Stadtteil Canary Wharf und ein Software-Hersteller in der Nähe des Bahnhofs Waterloo machten ihrer Frustration in Sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook publik. Sie fürchten offenbar um Umsätze, da die rund 600 EMA-Mitarbeiter als Kunden bald schon ausfallen werden.

Ebenso betroffen ist die Londoner Hotelbranche und Gastronomie. Die Agentur lockte jährlich rund 36.000 Besucher zusätzlich in die Stadt, was für rund 30.000 zusätzliche Hotelübernachtungen sorgte. "Das ist ein trauriger Tag für London", kommentierte der Londoner Klinikarzt Dr. Alastair Teague gegenüber der "Ärzte Zeitung". Unterdessen kündigte die EMA an, "spätestens ab 30. März 2019" in Amsterdam die Arbeit aufnehmen zu wollen.

19 EU-Staaten hatten sich im Vorfeld um den Sitz der Arzneimittelbehörde beworben, die wegen des Austritts Großbritanniens aus der EU umziehen muss. Deutschland war mit Bonn im Rennen. Die Entscheidung zugunsten Amsterdams kommt nicht völlig überraschend. Schon länger kursieren Gerüchte, wonach sich die EMA-Belegschaft bei einer hausinternen Umfrage vor Wochen eindeutig für die niederländische Hauptstadt ausgesprochen haben soll. Das wurde jetzt von EMA-Direktor Guido Rasi in einer ersten Stellungnahme bestätigt. Amsterdam erfülle "viele unserer Kriterien" und entspreche den Wünschen einer "großen Mehrheit" der Behördenmitarbeiter.

Die europäische Medizinbehörde ist seit 1995 in London beheimatet. Seither hat sich der zentrale Weg über die EMA als das bevorzugte innereuropäische Zulassungsverfahren etabliert. Anders als etwa die US-Oberbehörde FDA gibt die EMA nach Validierung eingereichter Dossiers allerdings nur positive oder negative Empfehlungen ab. Die formelle Marktfreigabe unter anderem neuer Humanarzneimittel obliegt der EU-Kommission.

Hiesige Pharmaverbände äußerten durchweg Zustimmung zu der Entscheidung pro Amsterdam. Der in Bonn ansässige Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), der sich wiederholt für seine Stadt als neuen EMA-Sitz stark gemacht hatte, bedauerte zwar, dass die einstige Bundeshauptstadt das Nachsehen hatte. Gleichwohl sei Amsterdam "eine gute Wahl". "Die wichtigsten Faktoren, die die Arbeitsfähigkeit der EMA auch nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU ermöglichen, sind dort gegeben", ließ Dr. Elmar Kroth, BAH-Geschäftsführer Wissenschaft verlauten. Ähnlich kommentierten der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) sowie der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI).

Versöhnliche Töne fand auch Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan (CDU). "Einerseits sind wir selbstverständlich enttäuscht über die Entscheidung des Ministerrats. Andererseits freue ich mich aber auch über das Vertrauen, das der Stadt Bonn und der europäischen Rheinregion durch die Bundesregierung entgegengebracht wurde, als sie uns als möglichen EMA-Standort ins Spiel brachte." Immerhin habe sich Bonn mit seiner Bewerbung "als attraktiver Standort für internationale Einrichtungen auch auf europäischer Ebene in Erinnerung rufen können".

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Neuer EMA-Standort ist eine gute Entscheidung

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