Neues Feindbild in Sachsen

NPD-Hetze gegen Ärzte

Sprachprobleme bei ausländischen Ärzten - davor hatte Berlins Kammerchef zum Jahresende gewarnt. Die NPD hat diese Steilvorlage dankend aufgenommen. In Sachsen hetzt sie gegen Ärzte.

Von Thomas Trappe Veröffentlicht:
NPD-Aktion Ende 2012 in Dresden - samt Bundeschef und sächsischem Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel.

NPD-Aktion Ende 2012 in Dresden - samt Bundeschef und sächsischem Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel.

© Arno Burgi / dpa

DRESDEN. Die NPD im sächsischen Landtag hatte in den vergangenen Wochen eigentlich gut zu tun - überall im Freistaat hetzten die Rechtsextremisten gegen Asylbewerberunterkünfte, die in Sachsen gerade entstehen.

Vor Gewalt, Schmutz und Vergewaltigungen wurde gewarnt; mithin eklige, aber übliche NPD-Propaganda. Inzwischen werden die Warnrufe von den "Asylschwindlern" weniger.

Dafür scheint die Partei zum Jahreswechsel nun ein neues Ziel auserkoren zu haben - eine Personengruppe, die bisher für die Partei kaum eine Rolle gespielt hatte: Ausländische Ärzte.

Als "Discount-Ärzte ohne Deutschkenntnisse" bezeichnete sie der NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel. Dafür wurde er von einem CDU-Politiker und Rechtsanwalt wegen Volksverhetzung angezeigt.

NPD beruft sich auf Kammerchef

Jürgen Gansel, neben seinem Landtagskollegen und dem NPD-Bundesvorsitzenden Holger Apfel der meinungsführende Rechtsextremist in Sachsen, verschickte seine Warnung vor ausländischen Ärzten kurz nach Neujahr per E-Mail an zahllose Haushalte.

Titel: "Ausländische Lohndrücker in weißen Kitteln sorgen für ganz neue Risiken und Nebenwirkungen der multiethnischen Gesellschaft."

Darin behauptet er, dass "die Überfremdung unseres Landes selbst im Krankenhaus Leben kosten" könne, "weil reihenweise ausländische Billig-Mediziner eingestellt werden, die kaum Deutsch sprechen und deshalb zu Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen neigen".

Gansel berief sich bei seinen Äußerungen maßgeblich auf Dr. Günther Jonitz, Präsident der Berliner Ärztekammer. Dieser hatte kürzlich in einem Interview, erklärt, dass ausländische Ärzte mit geringfügigen Deutsch-Kenntnissen eine Gefahr für das Gesundheitswesen darstellten.

Gansel fasste die Einschätzung so zusammen: "Deutsche Top-Mediziner gehen und ausländische Billig-Ärzte mit mangelhaften Sprachkenntnissen kommen - das ist ein perverser Wanderzirkus zulasten hiesiger Patienten."

Er störte sich zum Beispiel konkret daran, dass eine sächsische Klinik vor kurzem "gleich 26 ausländische Pflegekräfte" eingestellt habe. Albert Pfeilsticker will Gansel nicht unwidersprochen hetzen lassen.

Pfeilsticker ist Anwalt in der sächsischen Kleinstadt Oschatz und gleichzeitig für die CDU im Stadtrat und Fraktionschef im Kreistag Nordsachsen.

Da Gansel seine Mitteilung an "wahrscheinlich tausende" Anhänger schicke, fürchtet Pfeilsticker, dass dessen Behauptungen bei Teilen der Bevölkerung Anklang finden.

Der Tatbestand der Volksverhetzung sei damit gegeben, teilte Pfeilsticker mit, er verweist vor allem auf die Passagen, in denen ausländischen Ärzten Lohndrückerei und mangelnde Fachkenntnis unterstellt wird.

Damit solle "der Hass der örtlichen Bevölkerung gegen diese Ärzte und Pflegekräfte geschürt werden", so Pfeilsticker. Dies stelle "nicht nur eine Volksverhetzung dar, sondern schadet auch der Gesundheitsversorgung im Freistaat Sachsen".

"Ärzte werden an Pranger gestellt"

Der "Ärzte Zeitung" sagte Pfeilsticker, dass Gansel "eine für Sachsen unermesslich wichtige Bevölkerungsgruppe an den Pranger stellt. Ich bin nicht bereit, das einfach so hinzunehmen."

Bereits 2009 zeigte Pfeilsticker den NPD-Pressesprecher Klaus Beier wegen Volksverhetzung an. Beier hatte zuvor den Fußball-Nationalspieler Mesut Özil als "Plaste-Deutscher, sprich Ausweis-Deutscher" bezeichnet. Die Anzeige blieb allerdings ohne Folge.

Nach Angaben der sächsischen Landesärztekammer arbeiten in Sachsen rund 1600 ausländische Ärzte, die Quote liegt damit bei zehn Prozent. Kammersprecher Knut Köhler erklärte auf Anfrage, "Voraussetzung für einen ausländischen Arzt für eine ärztliche Tätigkeit in Sachsen sind gute Kenntnisse der deutschen Sprache".

Diese Kenntnisse müssten "gegenüber der zuständigen Landesdirektion bei Beantragung einer Berufserlaubnis/Approbation sowie gegenüber dem Arbeitgeber erfolgen".

Zudem böten viele sächsische Krankenhäuser berufsbegleitende Sprachkurse an. Die NPD hat nach Angaben des sächsischen Verfassungsschutzes rund 760 Mitglieder im Bundesland. Die Partei zog im Jahr 2009 mit 5,6 Prozent der Stimmen erneut in den Landtag ein.

2004 hatte sie noch 9,2 Prozent erzielt. Im Jahresbericht 2011 beschreibt der Verfassungsschutz die Ideologie der NPD mit diesen Worten: "Der Wert eines Menschen bestimmt sich nach Vorstellung der NPD nach der Zugehörigkeit zu einer Ethnie bzw. Nation oder Rasse. Hieraus resultiert eine rassistisch gefärbte Fremdenfeindlichkeit und der übersteigerte Nationalismus der NPD."

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Dipl.-Med Matthias Junk 15.01.201316:06 Uhr

Meinungsmacher Medien ?

Befremdet stelle ich fest, dass - bloß weil es die allen (zumindest fast allen) suspekte und verhasste NPD aufgreift - auf einmal eine klare Sache wieder von Meinungsverdrehern aufgegriffen und zerwuselt wird, um sie aus dem Focus der Aufmerksamkeit zu stoßen - und um sich selbst zu profilieren...
Seit wann ist es Volksverhetzung, wenn Tatsachen in der Politik und in der Medienwelt besonders deutlich gemacht werden und hervorgehoben werden sollen, die eine große gesellschaftliche Relevanz haben, aber Gefahr laufen, im Alltagsgemenge verschiedener Themen zu verschwimmen, indem eine auffällige Überschrift oder eine drastische und überhöhende Ausdrucksweise gewählt wird?
Da müßte (fast) jede Bildzeitung verboten oder an den öffentlichen und juristischen Pranger gestellt werden.
Und ist es nicht eher eine schallende Ohrfeige für die etablierten Parteien, dass die Außenseiter der NPD dieses Thema für sich entdecken können, weil die "Gemäßigten" eben unangemessen dazu schweigen?
Dieser - logistisch gesehen an sich unschöne - NPD-Brief hat doch sehr wohl eine wichtige Sache prinzipiell richtig dargestellt! Und in der Intension vieler Bürger unseres Volkes beleuchtet.
Dazu ergänzend ist es unerträglich, dass die anderen und etablierteren Politiker_Innen sich immer mehr als volksferne Positions-Lobbyisten positionieren, statt sich wie gewählte Vertreter ihrer Wählerinnen und Wähler zu verhalten.
Das ist oftmals geradezu schon verbrecherisch und undemokratisch - aber keinen scheint es zu stören.
Ständig müssen wir es außerdem noch erdulden bzw. unwidersprochen miterleben, dass anderen oder uns selbst von selbsternannten Wächtern einer imaginären "Politischen Korrektness" in der Öffentlichkeit das ehrliche Debattieren drängender Themen ("mit offenem Visier") versaut wird, weil immer erst einmal eine Zensur-Schere in unseren Köpfen gefordert wird, die strittige Themen oder eigenwillige Ausdrucksweise in vorauseilendem Gehorsam unterdrückt, wie ich es eigentlich bestürzend gleichartig aus den Zeiten der totalitären Systeme kenne...
Entweder weil unsere windelweichen Politik-Profis von irgend einer im Hintergrund wirksamen "Instanz" ("Parteidisziplin" / wirtschaftliche Verstrickungen / Lobby-Gruppierungen usw. ???)dazu gezwungen werden oder etwa, weil ihnen die menschliche Größe immer mehr fehlt, die für eine selbstverantwortete (Gewissens-)Entscheidung nötig wäre? Oder werden sie statistisch gesehen einfach immer sozialinkompetenter und doofer ?
Das jedenfalls muss man/frau schon sein, wenn einem der Unfug, diese (wenn auch NPD-aufgepeppte) Wortmeldung zu einer >wirklich negativen Tendenz mit durchaus partiell gefährdendem Charakter< als "Volksverhetzung" abzuqualifizieren, nicht sehr verdächtig nach dummer Meinungsmache und einem "Themen-Diskreditierungsversuch im Mantel des Rassismusvorwurfs" im eigentlichen Sinne stinkt.
Und wer allen Ernstes argumentiert, dass es eine rassistische Überheblichkeit darstellt, wenn es aus Bürgerinteressen heraus im ärztlichen Bereich prinzipiell abzulehnen ist, dass - verglichen mit Deutschen Normen - unzureichende Sprachkenntnisse (und ggf. sogar Sachkenntnisse) Qualitäts- Gründe bleiben dürfen und müssen, hier keine Beschäftigung zu ermöglichen (und einen vorhandenen Beschäftigungstrend entsprechend deutlich und tendenziell kritisch in den Focus zu rücken), der ist prinzipiell ein viel schlimmerer Voklksverhetzer als die NPD-Typen.
Ist es doch tatsächlich von den real- politischen Parteien zu verantworten, was diese hier an Fehlentscheidungen und Fehltendenzen heraufbeschworen und ermöglicht haben, so dass es für den meist hochqualifizierten einheimischen Ärzt_innen-Nachwuchs keinen ausreichender Sog mehr in den Bereich der medizinischen Berufe gibt und TAT-sächlich die erlaubte und begünstigte Lobbypolitik der Ökonomisierungs-Typen diese - deren Darstellung oben als Volksverhetzung gebrandmarkt wurde - prinzipiell fiese Entwicklung eindeutig weiter vorantreibt.
Vo

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Überraschende Personalie

Eine Juristin wird Gesundheitsministerin: Das ist Nina Warken

Tipps für die Praxis

So entwickeln Sie Ihre Arztpraxis strategisch weiter

Lesetipps
Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung

Husten und symbolische Amplitude, die die Lautstärke darstellt.

© Michaela Illian

S2k-Leitlinie

Husten – was tun, wenn er bleibt?