Kostenerstattung

NRW-Ärzte rühren Werbetrommel

Schluss mit dem Sachleistungsprinzip, dafür die Einführung der Kostenerstattung: Ärzteverbände in NRW wollen aus GKV-Versicherten Privatenpatienten machen - gewissermaßen - und so sie viele Probleme im Gesundheitswesen lösen.

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Stempel drauf: In NRW formieren sich die Befürworter der Kostenerstattung.

Stempel drauf: In NRW formieren sich die Befürworter der Kostenerstattung.

© INSADCO / imago

KÖLN (iss). Fachärzte in Nordrhein-Westfalen machen sich für eine konzertierte Aktion in Sachen Kostenerstattung stark.

Sie fordern Ärzte auf, sich bei Politikern für ein Ende des Sachleistungssystems und die Umstellung auf eine praktikable Form der Kostenerstattung einzusetzen.

"Nur wenn wir in großer Solidarität signalisieren, dass wir das wollen, können aus vielen Kassenpatienten in absehbarer Zeit gewissermaßen Privatpatienten werden", sagt der Urologe Dr. Wolfgang Rulf, ärztlicher Geschäftsführer der Uro GmbH Nordrhein.

Sie hat sich mit den Ärztevereinigungen GenoGyn, HNOnet NRW, Anästhesienetz NRW und orthonet-NRW zum Aktionsbündnis Fachärztlicher Organisationen (AFO) zusammengeschlossen.

Nach Ansicht des AFO könnten viele Probleme des Gesundheitswesens mit der Kostenerstattung gelöst werden. Die Fachärzte wissen, dass sie die Mehrheit der Kollegen in dieser Frage erst noch hinter sich bringen müssen.

Weniger Bürokratie?

"Uns ist klar, dass es eine Mammutaufgabe ist", sagt der Orthopäde Dr. Thomas Kramm, Vorstand im orthonet-NRW. Den rund 1500 Ärzten in der AFO gehe es darum, eine Signalwirkung zu erreichen.

Der Einsatz für die Kostenerstattung soll dabei nicht auf die Politik beschränkt bleiben.

"Die Ärzte müssen die Patienten aktiv darauf ansprechen, dass ihre Versorgung in einem Kostenerstattungssystem besser wird", sagt Kramm. Die AFO stellt ihren Mitgliedern dafür umfangreiches Informationsmaterial zur Verfügung.

Für die Ärzte würde sich der bürokratische Aufwand bei der direkten Abrechnung mit dem Patienten deutlich reduzieren, erwartet er. Zwar steige das Risiko, dass Patienten ihre Rechnung nicht bezahlen.

Doch für dieses Problem gebe es Dienstleister wie die PVS. Ihr Einsatz koste Geld, reduziere aber den Zeitaufwand. "Das würden wir in Kauf nehmen", sagt Kramm. Für ihn besteht akuter Handlungsbedarf.

"Nur mit den Kasseneinnahmen kann man heute keine Praxis mehr führen und das Personal bezahlen."

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 31.08.201212:59 Uhr

Danke, Herr Kollege Bensch, ...

für diese freundliche Korrektur. Ich weiß eine aufmerksame Leserschaft sehr zu schätzen. Aber ganz klare Zeitgitterstörung meinerseits: Ich war zu nah am Gardasee, um nochmal alles zu "googeln". Mf+kG

Dr. Wolfgang Bensch 28.08.201214:52 Uhr

War N. Blüm 1975 bereits Minister?

Das möchte ich am Kommentar zu "früher" noch bezweifeln ... denn 1975 regierte eine Rot-gelbe Koalition ..
"Von 1981 bis 1982 ist N. Blüm Senator für Bundesangelegenheiten und Bevollmächtigter des Landes Berlin beim Bund im Senat des Regierenden Bürgermeisters Richard von Weizsäcker.
Am 4. Oktober 1982 wird er von Bundeskanzler Helmut Kohl als Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in die Bundesregierung berufen. Er behält dieses Amt bis zum Regierungswechsel nach der Bundestagswahl 1998 und scheidet am 26. Oktober 1998 aus der Bundesregierung aus. Er ist damit der einzige Bundesminister, der über die gesamte Kanzlerschaft von Helmut Kohl dem Kabinett angehört hat."

Insofern mag die Erinnerung bei Kollege Schätzler am Gardasee momentan ... leicht getrübt sein ... ;-))
MfG

Dr. Thomas Georg Schätzler 27.08.201219:12 Uhr

"Tausend mal berührt - tausendmal ist Nix passiert" (Klaus Lage)

Alle Zeichen stehen auf Sturm. Der GKV-Spitzenverband der Krankenkassen mit Freiherr Johann-Magnus von Stackelberg als Wortführer an der Spitze will partout eine Punktwert a b s e n k u n g erreichen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit Kollegin Regina Feldmann und Kollegen Andreas Köhler wollen gestiegene Kosten geltend machen. O h n e einen betriebswirtschaftlichen kalkulierten Punktwert realisieren zu können.

Und da kommt ausgerechnet ein völlig verschnarchtes Aktionsbündnis Fachärztlicher Organisationen (AFO) daher und fordert die Kostenerstattung - Kostenerstattung??? Als ich 1975 meine erste Klinikstelle in Bochum (VfL-Erstligist - mein Chirurgie-Chef war Vereinsarzt) antrat, flüsterte mir der damals schon facharztlastige Hartmannbund (HB - Prof. Horst Bourmer) zu, die Kostenerstattung sei mit Minister Blüm so gut wie ausgemacht. Der HB-Generalsekretär Nöldner (später unter Verdacht wg. CARE-Deutschland) verstieg sich gar zu der Behauptung, Bourmer würde das mit Blüm "verfrühstücken".

Bis heute sind fast 37 Jahre vergangen. Man könnte frei nach Klaus Lage sagen "Tausend mal berührt - tausendmal ist Nix passiert". Doch, liebe AFO-Kolleginnen und Kollegen, das mit der Kostenerstattung in der GKV kann und wird nie funktionieren. Was damit betrieben wird, ist ein gewaltiges Ablenkungsmanöver und eine Schwächung der KBV-Positionen im Gemeinsamen Bewertungsausschuss, der zum Monatsende zusammentrifft.

Kostenerstattung geht in der GKV nicht:
1. Unsere GKV-Versicherten sind als Patienten bereits in Vorleistung getreten: Die Behandlungskosten in Klinik und Praxis wurden durch Ihre GKV-Beiträge vorfinanziert (Sachleistungsprinzip).
2. Bei häufiger und krankheitsbedingt intensiver Inanspruchnahme, werden die Mehrkosten durch die Beiträge der gesunden GKV-Versicherten ausgeglichen (Solidaritätsprinzip).
3. Wenn Beiträge z. B. bei Rentnern, Niedriglohngruppen, Sozialhilfe oder ALG-2 nicht ausreichen bzw. bei Familienmitgliedern oder Zahlungsunfähigen ganz fehlen, springen Staat und Steuerzahler ein (Subsidiaritätsprinzip).
4. Wer seine GKV-Beiträge bisher bezahlt hat und dies weiter tun wird, genießt einen durch unsere Verfassung garantierten Bestandsschutz (Legalitätsprinzip).
5. Das Bundesverfassungsgericht akzeptiert Steuerungen durch Praxis- und Verordnungsblattgebühren bzw. angemessene Selbstbeteiligung bei stationärer Vollversorgung (Verhältnismäßigkeitsprinzip).
6. Arzthonorare für gleiche ärztliche Leistungen, über das Sachleistungsprinzip per KV bezahlt, dürfen sich im Grundsatz nicht vom Zahlungsumfang der Kostenerstattung unterscheiden (Gleichheitsprinzip).
7. Vorleistungen durch GKV-Beiträge u n d zusätzliche Arztrechnungen, auch wenn diese dann erstattet werden, führen bei den gesetzlichen Krankenkassen zu einer immensen Bürokratie u n d neuen Kosten. Für die Patienten bedeuten sie einen unvertretbaren Aufwand. Das bestehende Sozialgesetzbuch wird in verfassungswidriger Weise ausgehöhlt (Verfassungsmäßigkeitsprinzip).

Der Refrain endet bei Klaus Lage übrigens "... und es hat Bumm gemacht!" So wie die AFO-Offensive im Nichts verpuffen wird.

Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM, z. Zt. am Gardasee/I


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