Heute im Bundestag

Neues Gesetz zur Arzneiversorgung verabschiedet

Der Deutsche Bundestag hat heute das "Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV" (AMVSG) in letzter Lesung beraten. Bis zuletzt wurde daran gefeilt. Die Begeisterung ist geteilt.

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Im Bundestag: Das heute dort verhandelte Arzneimittelversorgungsstrukturgesetz geht vermutlich im April frisch an den Start.

Im Bundestag: Das heute dort verhandelte Arzneimittelversorgungsstrukturgesetz geht vermutlich im April frisch an den Start.

© picture-alliance / dpa

BERLIN. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zeigte sich im Vorfeld zufrieden. "Wir sorgen dafür, dass sich Patientinnen und Patienten auch in Zukunft auf eine hochwertige und bezahlbare Arzneimittelversorgung verlassen können. Das Gesetz leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass Arzneimittel mit einem Mehrnutzen schnell den Weg in die Versorgung finden, Antibiotika-Resistenzen und Lieferengpässe bekämpft werden und die Arzneimittelversorgung von Krebskranken weiter verbessert wird", äußert er in einer Mitteilung des BMG.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) moniert hingegen, das Gesetz bleibe weit hinter den Notwendigkeiten zurück, die im Pharmadialog benannt worden seien. Der BPI-Vorstandsvorsitzende Dr. Martin Zentgraf beklagte, dass der "überaus komfortable finanzielle Gestaltungsspielraum der gesetzlichen Krankenversicherung" nicht für echte Reformen genutzt, sondern weiter an der falschen Stelle gespart werde, etwa durch Verlängerung des Preismoratoriums. Zur verbindlichen Mehrfachvergabe für Rabattarzneimittel fehlte wiederum der Mut. Positiv sieht der Verband hingegen zum Beispiel die beschlossenen Maßnahmen zur besseren Versorgung mit Antibiotika.

Auch Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika, äußert sich eher kritisch: „Mit dem AMVSG wird der Preis- und Kostendruck, der ohnehin bereits auf Generika lastet, weiter verstärkt. Der Kostendruck ist jedoch eine bei Experten längst anerkannte Ursache für das Auftreten von Arzneimittelengpässen. Das AMVSG verfehlt hier klar das Ziel, Engpässen ursächlich zu begegnen und Leitplanken für Versorgungssicherheit einzuziehen.“

Und auch die Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimiliars sieht mit dem AMSVG eine Chance zur Entlastung des Gesundheitssystems verpasst.

Lob kommt hingegen vom Bundsverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH). „Die nun mögliche Berücksichtigung kindgerechter Darreichungsformen bei der Bildung von Festbetragsgruppen leistet einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit von Kindern. Denn nun können Arzneimittel-Hersteller innovative Weiterentwicklungen bekannter Wirkstoffe auch unter wirtschaftlich akzeptablen Rahmenbedingungen in den Markt bringen“, so Dr. Martin Weiser, Hauptgeschäftsführer des BAH.

Positives Echo kommt zudem von Apothekerseite: Das AMVSG enthalte wichtige positive Elemente für die Arzneimittelversorgung in Deutschland, meldete die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Sie sehen künftig eine Verbesserung durch den Verzicht auf Exklusivausschreibungen einzelner Krankenkassen für Zytostatika und den Verzicht auf Ausschreibungen bei Impfstoffen. Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) hofft, dadurch auch Liefengpässen bei Impfstoffen vorzubeugen.

Was andere Verbände kritisieren, ist wiederum für den GKV-Spitzenverband ein Pluspunkt. So hält Johann-Magnus v. Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, das neue Praxisinformationssystem für eine "überaus positive Entscheidung des Gesetzgebers". Mit Bedauern wurde hingegen die Streichung der Umsatzschwelle und der Rabattvertragsoption bei Impfstoffen kommentiert.

Die wesentlichen Punkte des AMSVG:

  • Antibiotika: Bei der Nutzenbewertung und bei Festbetragsgruppenbildung muss die Resistenzsituation besonders berücksichtigt werden; die Erstattung von Diagnostika wird verbessert, um gezielten Antibiotika-Einsatz zu fördern.
  • Preismoratorium: Der seit August 2010 geltende Preisstopp wird bis Ende 2022 verlängert (ab 2018 Preisanpassung entsprechend der Inflationsrate).
  • Informationen zur Nutzenbewertung sollen in die Praxissoftware sollen  integriert werden (Stichwort: Arztinformationssystem).
  • Abgabepreis: Der einheitliche Abgabepreis gilt auch für Bereiche, für die die Arzneimittelpreisverordnung nicht gilt, Krankenhäuser und Justizvollzugsanstalten. Gilt für ein Arzneimittel ein Erstattungsbetrag, ist dieser der einheitliche Abgabepreis.
  • Preismoratorium: Das Preismoratorium für Arzneimittel ohne Preisregulierung wird bis Ende 2022 verlängert .
  • Vergütung: Für Apotheken wird die Vergütung bei Standard-Rezepturarzneimitteln und Betäubungsmitteln erhöht.
  • Rabattverträge: Sie dürfen nicht mehr für Impfstoffe mit Pharmaunternehmen und nicht mehr für Zytostatika mit Apotheken abgeschlossen werden; Rabattverträge zwischen Kassen und Pharmaunternehmen bei Zytostatika sind aber möglich.
  • Lieferschwierigkeiten: Die pharmazeutischen Unternehmer werden verpflichtet, Krankenhäuser zu informieren, sobald ihnen Kenntnisse über Lieferengpässe bei bestimmten Arzneimitteln vorliegen.
  • Nutzenbewertung: In Einzelfällen – wenn es sich um eine für Patienten wichtige Therapieoption handelt – kann von der Vorgabe abgewichen werden, dass bei nicht nachgewiesenem Zusatznutzen der Erstattungsbetrag dem Preis der Vergleichstherapie entsprechen muss. Die Wartefrist für eine erneute Bewertung des Zusatznutzens auf Grund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse wird verkürzt.

Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, wird allerdings am 31. März dort nochmals besprochen. Die Regelungen sollen dann in ihren wesentlichen Teilen im April 2017 in Kraft treten. (run)

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