Leben retten oder nicht

Notfallausweis hilft Ärzten aus moralischer Zwickmühle

Die Stadt Düsseldorf und Notärzte haben ein neues Dokument entwickelt, welches Ärzten schnell Auskunft gibt: Es soll klarstellen, welche Versorgung ein Patient im Notfall wünscht.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Was will der Patient? Der Notfallausweis gibt Helfern Sicherheit.

Was will der Patient? Der Notfallausweis gibt Helfern Sicherheit.

© Stadt Düsseldorf

DÜSSELDORF. In Notfallsituationen stehen Notärzte häufig vor einer schwierigen Abwägung: Sie wollen schnellstmöglich lebensrettende Maßnahmen einleiten, wissen aber nicht, ob das vom Patienten wirklich gewollt ist. "Das bringt mich und die Kollegen vom Rettungsdienst häufig in eine moralische Zwickmühle", berichtet Dr. Markus Reed, leitender Notarzt für die Stadt Düsseldorf.

Der Patientenwille sei für ihn das Entscheidende, betont Reed. "Ich muss initial davon ausgehen, dass ein Patient aus einem lebensbedrohlichen Zustand gerettet werden will, wenn er die 112 wählt." Schwierig sei es, wenn der Patient sich nicht mehr selbst äußern kann und nicht klar ist, ob es eine Patientenverfügung gibt und wo sie hinterlegt ist.

In solchen Fällen soll in Düsseldorf künftig ein neu entwickelter Notfallausweis für Klarheit sorgen. Das von der Stadt Düsseldorf und dem Runden Tisch Palliative Versorgung herausgegebene Dokument enthält unter anderem Angaben zum Inhaber, zu gesetzlichen Betreuern oder Vorsorgebevollmächtigten, den behandelnden Ärzten, Palliativteams oder Pflegediensten.

Sechs Kategorien möglich

Vor allem aber gibt es eine Einstufung, welche Versorgung der Patient im Notfall wünscht. Dafür kann er eine von insgesamt sechs abgestuften Kategorien anstreichen. Sie reichen von "Maximale Notfall- und Intensivtherapie, Mitnahme ins Krankenhaus" bis "Ausschließlich palliative (lindernde) Maßnahmen (kein Sauerstoff), keine Mitnahme ins Krankenhaus". In den einzelnen Kategorien können die Patienten etwa die Herz-Lungen-Wiederbelebung oder Intubation und Beatmung ausschließen.

"Diese übersichtliche Form der Kategorisierung ist der Kern des Ausweises", erläutert Dr. Martin Neukirchen, Leitender Arzt am Interdisziplinären Zentrum für Palliativmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf. Die Angaben seien eine wichtige Orientierung für Notärzte und Rettungssanitäter und würden ihnen Rechtssicherheit geben. Der handliche gelbe Ausweis ist mit dem Düsseldorfer Rechtsamt abgestimmt worden.

Das Dokument soll vom Patienten und dem behandelnden Arzt unterschrieben werden, entscheidend ist die Unterschrift des Patienten. Die Ärzte sollten möglichst darauf achten, dass der Ausweis mit der Patientenverfügung kongruent ist, so weit vorhanden, sagt Neukirchen. "Er soll die Patientenverfügung nicht ersetzen, sondern übersichtlich zusammenfassen."

Vorteil in Schnelligkeit

Auch Notarzt Reed zeigt sich von dem Konzept überzeugt. "Der Ausweis ist mehr als hilfreich, weil wir damit zügig den Patientenwillen eruieren können", sagt er. Dr. Martin Zodrow, Ärztlicher Leiter des Palliativ Care Team Düsseldorf, spricht von einem "großartigen Instrument".

Er begrüßt, dass die Angaben so differenziert sind. Der Ausweis sei gerade für Menschen wichtig, die sich noch nicht entschließen konnten, eine detaillierte Patientenverfügung aufzusetzen. "Für den Rettungsdienst ist es eine Hilfe, wenn er sieht, wo der Patient steht", sagt Zodrow.

Im ersten Schritt werden die Palliativstationen und -teams mit dem Düsseldorfer Notfallausweis ausgestattet. Da die Nutzung nicht auf Palliativpatienten beschränkt bleiben soll, folgen dann niedergelassene Ärzte. "Die niedergelassenen Kollegen sind wichtige Kooperationspartner", sagt Neukirchen. Künftig sollen die Patientenüberleitungsbögen die Information enthalten, ob ein Patient einen Notfallausweis hat oder nicht.

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Kommentare
Cora Schulze 22.05.201811:51 Uhr

Die Frage, die sich im Anschluss stellt ist: wie geht es dann weiter?

Willensäußerungen für den Notfall bei nicht ansprechbaren Patienten sind ein begrüßenswerter Ansatz, um den Patientenwillen in solchen Situationen umzusetzen bzw. eine vom Patienten nicht gewollte Therapie zu unterlassen, aber es stellt sich die Frage, wie die Versorgung vor Ort dann organisierte werden soll, wenn der Patient einen Therapieausschluss formuliert. Wer übernimmt die Versorgung des Patienten, wenn dieser nicht mehr ins Krankenhaus möchte, aber zu Hause nicht ausreichend versorgt ist? Der Aufbau einer hospizlichen und/oder auch palliativen Versorgung braucht Vorlauf. Es ist unrealistisch zu glauben, dass zeitintensive Aufnahmen in hospizliche oder palliative Strukturen, nachts, am Wochenende oder an Feiertagen, in denen auch diese Strukturen im Bereitschaftsmodus für die von ihnen versorgten Patienten arbeiten, gut möglich sind. Es gilt hier die Voraussetzungen so zu gestalten, dass die vom Patienten gewollte Versorgung auch im Notfall realistisch umsetzbar ist.

Freundliche Grüße
Cora Schulze

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