Beschneidung

Oberrabbiner will Beschneider medizinisch schulen lassen

Religiöse Beschneidungen sind "rechtswidrige Körperverletzungen", urteilte das Kölner Landgericht - und löste eine heftige Debatte aus. Jetzt meldet sich mit Yona Metzger einer der beiden Oberrabbiner Israels zu Wort: Er schlägt einen Kompromiss vor - und spricht sich deutlich gegen jede Anästhesie beim Eingriff aus.

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Oberrabbiner Yona Metzger wandte sich am 21. August gegen jede jedwede Anästhesie bei der Beschneidung.

Oberrabbiner Yona Metzger wandte sich am 21. August gegen jede jedwede Anästhesie bei der Beschneidung.

© Kay Nietfeld / dpa

BERLIN (af). Die Führung der israelischen Juden hat sich in die Debatte um das Kölner Beschneidungsurteil eingeschaltet.

In Deutschland herrsche eine "Ideologie der körperlichen Unversehrtheit", sagte Yona Metzger am Dienstag in der Bundespressekonferenz. Metzger ist einer der beiden Oberrabbiner Israels.

Metzger schlug als Kompromiss vor, dass Beschneider künftig eine medizinische Grundausbildung erhalten sollten. Derzeit gebe es in Deutschland zehn Beschneider, die keine Ärzte seien. Die Zertifizierung der Beschneider solle von jüdischer Seite her erfolgen.

Der hohe jüdische Geistliche wandte sich gegen jedwede Anästhesie bei dem Eingriff, der am achten Lebenstag erfolgen soll.

In Israel gebe man dem zu beschneidenden Säugling lediglich etwas Wein. Eine Spritze zu setzen, verursache stärkere Schmerzen als die Zirkumzision selbst, sagte Metzger.

Gesetzentwurf im Herbst

Der Rabbiner äußerte sich optimistisch, dass die deutsche Regierung sich mit den Erwartungen der jüdischen Geistlichkeit auseinandersetzen werde. Aus seinen Gesprächen im Justizministerium nehme er mit, dass Beschneidungen in Deutschland nicht gegen das Gesetz verstießen.

Der Bundestag hat sich bereits mehrheitlich für religiös motivierte Beschneidungen ausgesprochen, wenn sie medizinisch fachgerecht ausgeführt würden. Die Regierung solle im Herbst einen Gesetzentwurf dazu vorlegen.

Das Landgericht Köln hatte im Juni geurteilt, Beschneidungen seien "rechtswidrige Körperverletzungen". Seither sind die jüdischen und muslimischen Gemeinden verunsichert. Die Kinder- und Jugendärzte in Deutschland haben sich hinter das Urteil gestellt und davor gewarnt, "diese Form der Körperverletzung" zu bagatellisieren.

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Kommentare
Dr. Ernst-Rainer Sexauer 23.08.201215:18 Uhr

Tradition "Beschneidung"

Das Urteil des Landgerichts Köln,das Beschneidungen als "rechtswidrige Körperverletzungen" einstuft, hat m.E.nach den Grundsätzen unseres Rechtsstaates geurteilt.Wss spricht eigentlich dagegen,auch überlieferte Traditionen wie die Beschneidung modernen Gesichtspunkten des 21.Jahrhunderts anzupassen und das Selbsbestimmungsrechtenes eines Menschen zu achten d.h.abzuwarten bis der junge Mann in der Lage ist,selbst zu entscheiden, ob er diesem rituellem Brauch zustimmen möchte oder nicht.
Wenn der Bundestag sich bereits mehrheitlich für "religiös motivierte Beschneidungen" ausgesprochen hat, so bedeutet diese Entscheidung m.E. ein rein politisch motiviertes Zugeständnis.

Dr. Horst Grünwoldt 22.08.201220:33 Uhr

Ärztliches Handeln

Der blutig-operative Eingriff der Zirkumzision nach medizinischer Indikation einer Phimose (angeborenen Vorhautverengung) gehört selbstverständlich in unserer Zivilisation in die Hände eines approbierten Arztes, und nicht die eines "Laienschneiders".
Insofern muß die Forderung des Oberrabbiners Metzger in´s Leere laufen, weil sie sachlich gegen die medizinische Ethik vestößt.
Es war unser höchstgebildeter Papst Benedikt XVI., das Oberhaupt der christlichen Weltkirche - der römisch/katholischen-, der in seiner berühmt gewordenen Regensburger Vorlesung uns erst vor ein paar Jahren gelehrt hat, daß religiöser Glauben und Vernunft zusammen gehören.
Demnach dürfte für alle Weltreligionen, die in Büchern im Laufe der Menschheitsgeschichte "verewigt" worden sind, auch gelten, -besonders bei Durchführung von Riten-, sich der Vernunft zu öffnen.
Und das heißt für Christen -wie für Juden und Muslime- sich neuerer Wissenschaftserkenntisse und menschlicher Überzeugungen nicht zu verschließen, und stattdessen auf archaischen Handlungen beharren.
Beim Unterlassen der medizinisch überflüssigen Massen-Beschneidung von männlichen Genitalien wird der heilige und freie Gottesglaube noch in keiner Weise verletzt.
Auch Gläubige aller Religionsrichtungen haben sich in ihrem frei gewählten Lebensraum erforderlichenfalls der modernen Civitas in ihrer Religionsausübung anzupassen, wenn bestimmte Riten gegen das sittliche Empfinden der Mehrheits-Bevölkerung auf Dauer verstoßen.
Auch dazu sollten im Rahmen der religiösen "Globalisierung" die geistlichen Führer aufrufen.
Damit sollen natürlich niemals elementare und zugleich vernünftige Moral-Gebote jedweder Religion außer Kraft gesetzt werden, solange sie der menschlichen Ethik förderlich sind.
Als Tierarzt berührt mich der grausame Ritus des "Schächtens" sittlich sehr, weil dies (das massenhafte Kehledurchschneiden bei höherentwickelten Wirbeltieren ohne vorherige Betäubung) elementar gegen die fundamentalen Bestimmungen des Tierschutzgesetzes verstößt. .
Die Begründung, daß damit "koscheres" oder "halales" (reines= völlig blutfreies) Fleisch gewonnen wird, entspricht zwar einem überlieferten Glauben, ist aber wissenschaftlich nicht nachzuweisen.
Tatsächlich wird bei Zulassung dieser "Schlacht"-Zeremonie in unserer modernen Zivilisation nach m.E. sogar die blutarme und hygienisch einwandfreie (saubere) Gewinnung unseres "täglichen" Fleisches von betäubten Tieren durch die irrige Auffassung der Muslime und Juden als vermeintlich "unsauber" diskriminiert.
Im übrigen ist es in Deutschland schon seit den 70er Jahren verboten, gesunde Körperteile an lebenden Tieren ohne medizinische Indikation zu kupieren (abzuschneiden).
All das darf unter vernunftbegabten Wesen aber noch nicht zu einem (unheiligen) Glaubenskrieg führen.
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt (FTA für Hygiene) aus Rostock

Dr. Thomas Georg Schätzler 22.08.201210:29 Uhr

Nomen est Omen!

Auch wenn ich dafür wieder Prügel von allen Seiten bekomme: Was einer der beiden Oberrabbiner Israels, Yona Metzger, verbreitet, ist finsterstes Mittelalter und mit meiner persönlichen Auffassung von Menschenwürde unvereinbar. Nach deutschem Rechtsverständnis könnte darin auch eine Aufforderung zu fortgesetzter Kindesmisshandlung gesehen werden.

Und wenn Beschneider (‚Mohelim‘) künftig eine medizinische Grundausbildung erhalten sollten, bedeutet das für mich, dass Sie entgegen allen öffentlichen Beteuerungen bisher keine hatten. Was sagen eigentlich die Mütter Israels, wie mit Ihren Söhnen Israels umgegangen wird?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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