Schwangerschaftsabbruch
Paragraf 219a: Kein klares Votum der Experten
Zum Werbe- und Informationsverbot für den Schwangerschaftsabbruch positionierten sich die vom Rechtsausschuss des Bundestages gerufenen Sachverständigen – Ärzte wie Juristen – kontrovers wie das Parlament selbst.
Veröffentlicht:Beibehalten, modifizieren oder gar ganz streichen – diese Alternativen hat der Bundestag beim Verbot der Werbung und Information über den Schwangerschaftsabbruch nach Paragraf 219a Strafgesetzbuch. Kontrovers und in der Argumentation von heterogener Qualität waren die Empfehlungen der Sachverständigen im Rechtsausschuss des Bundestages am Mittwochabend.
Widersprüchlich die Position von Ärzten: Dr. Michael Kiworr, Gynäkologe und Perinatalmediziner aus Mannheim, plädierte für die Beibehaltung von Paragraf 219a in der geltenden Fassung. Information über das Leistungsangebot sei Aufgabe der Beratungsstellen, eine Auffassung, die auch von Katherina Jestaedt als Vertreterin der Deutschen Bischofskonferenz geteilt wurde. "Wenn Werbung, dann für den Schutz des Lebens", so Kiworr.
Ständige Bedrohung für Ärzte?
Dagegen argumentierte die Gynäkologin Christiane Tennhardt, Strafanzeigen auf der Grundlage von Paragraf 219a würden eine Atmosphäre der ständigen Bedrohung der Ärzte schaffen. Außerdem falle die Entscheidung der Frau für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch unabhängig von der Information darüber, welcher Arzt die Leistung anbiete. Paragraf 219a sei deshalb ersatzlos zu streichen.
Unterstützt wurde die Ärztin von Professor Ulrike Lembke vom Deutschen Juristinnenbund: Werbeverbot und Strafandrohung stigmatisiere Ärzte und führe dazu, dass Gynäkologen die Leistung nicht mehr anbieten, so dass es in manchen Regionen wie etwa Bayern schwierig sei, einen Mediziner zu finden.
Besonders hart fiel das Urteil des Strafrechtlers und Rechtsphilosophen Professor Reinhard Merkel (Universität Hamburg) aus: Paragraf 219a bedrohe Hinweise auf die Möglichkeit erlaubten Handelns und sei deshalb "normativ inkonsistent". Schon ein solcher Wertungswiderspruch sei mit der Verfassung nicht vereinbar. Er verletze das Grundrecht auf Berufsfreiheit, das den Ärzten erlaube, über berufsspezifisches Handeln sachlich zu informieren, aber auch die Informationsfreiheit der Schwangeren.
Benachteiligung von Frauen
Eine weitere Erwägung Merkels, der auch Mitglied des Deutschen Ethikrats ist: Gerechtfertigt sei ein Schwangerschaftsabbruch dann, wenn er auf einer Notlage – Gefahr für Leben und Gesundheit der Schwangeren – oder auf einer Sexualstraftat beruhe. Es sei aber "ersichtlich unangemessen und unverhältnismäßig, den rechtmäßigen Ausweg aus einer vom Gesetz als unzumutbar anerkannten Notlage zu erschweren, indem sachliche Information über diesen Ausweg mit Strafe bedroht werde.
Überdies habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung über Paragraf 218 den Staat zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots ambulanter und stationärer Einrichtungen verpflichtet. Deshalb sei es "nicht hinnehmbar, Ärzten, die sich vollständig gesetzeskonform an einer Erfüllung dieser Staatsaufgabe beteiligen, bei Strafe zu verbieten, auf diesen Umstand sachlich und öffentlich hinzuweisen.
Und was ist mit der Unterscheidung zwischen sachlicher Information und anpreisender Werbung? Merkel: Ein Anpreisen eines rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruchs wäre "skandalös", aber keine Gefahr für das Schutzgut des ungeborenen Lebens. Anstößiges Anpreisen wirke abstoßend und sei deshalb ein öffentliches Ärgernis. Die angemessene und wirksame Bekämpfung solcher Delikte gehöre ins Ordnungswidrigkeitenrecht.
Ein Kompromiss könnte es sein, den Paragrafen 219a auf ein reines Werbeverbot zu reduzieren, wie Professor Thomas Weigand , Rechtswissenschaftler an der Universität zu Köln vorschlug. Ähnlich wie Merkel argumentiert er, dass der Bestimmung in seiner geltenden Fassung seit dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Abtreibungsrecht der Boden entzogen worden ist – Information über das Leistungsangebot zur Abtreibung also nicht rechtswidrig sein kann.
Andererseits gebe es aber ein legitimes Interesse daran, aggressive Werbung zu verhindern. Diese sei etwa dadurch charakterisiert, dass sie "grob anstößig" oder friedensstörend" sei, und das gelte etwa für die Herabwürdigung ungeborenen Lebens, so Weigand.