Sterben in Klinik und Heim
Personalmangel treibt Ärzte und Pflegekräfte um
Eine aktuelle Studie verdeutlicht, dass die Mitarbeitenden in Kliniken und Pflegeeinrichtungen die Rahmenbedingungen für eine adäquate Versorgung Sterbender skeptisch sehen.
Veröffentlicht:Gießen. Bei den Mitarbeitenden in Kliniken und Pflegeheimen besteht offenbar ein großer Aussprachebedarf, was die künftige Betreuung von Sterbenden in ihren Einrichtungen angeht. Das kristallisiert sich in der noch laufenden Studie „Psycho-soziale Bedingungen des Sterbens in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen“ heraus.
An der Befragung des Projektbereichs für Versorgungsforschung und Beratung der TransMIT Gesellschaft für Technologietransfer in Gießen haben bislang knapp 750 Personen teilgenommen.
Projektleiter Professor Wolfgang George hofft auf weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Webseite www.sterbestudie.de ist noch bis zum 1. November freigeschaltet. In einzelnen Bereichen, insbesondere der Geriatrie wäre eine höhere Beteiligung wünschenswert, um valide Aussagen treffen zu können, sagt er.
Nicht der Beruf ist entscheidend, sondern der Einsatzort
An der Umfrage beteiligen sich Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte sowie andere Mitarbeitende aus den einzelnen Einrichtungen. Die Einschätzungen der verschiedenen Berufsgruppen unterscheiden sich nicht gravierend, berichtet George.„Wichtiger als der Beruf ist der Einsatzbereich.“
So gebe es große Unterschiede zwischen denen, die auf der Intensivstation tätig sind, und denen von Allgemeinstationen oder der Ambulanz. Gerade aus den Intensivstationen registrieren die Wissenschaftler ein hohes Interesse an der Umfrage.
In der Studie geht es um die verschiedenen Aspekte der Versorgung Sterbender in den stationären Einrichtungen. Aufschlüsse erhoffen sich die Forscher auch über die Auswirkungen der Corona-Pandemie.
Es handelt sich um die dritte Erhebung zu diesem Themenkomplex, die vorherigen liefen in den Jahren 1989 und 2015. Es wird sich zeigen, wie sich die Versorgung in diesem Zeitraum verändert hat, hofft George.
Hoher Druck durch den Personalmangel
Wegen der noch laufenden Auswertung kann er noch keine Aussagen zu den wesentlichen Ergebnissen machen. Es gibt aber eine Ausnahme: In der Umfrage gibt es ein offenes Item zu der Einschätzung, wie sich die Versorgung Sterbender in der Zukunft entwickeln wird. „Die Möglichkeit, sich dazu zu äußern, wird in sehr großem Umfang in Anspruch genommen.“
Es zeige sich der große Druck, unter dem die Mitarbeitenden in den Einrichtungen stehen, sagt George. „Er hat unter den Bedingungen der Pandemie noch zugenommen.“
Der entscheidende Punkt sei der Mangel an Personal für eine adäquate Versorgung der Sterbenden. Das betreffe vor allem die Pflegekräfte. „Sie verzweifeln, weil sie die Aufgabe nicht stemmen können.“ Die Situation sei immer schon schwierig gewesen. „Es ist in den vergangenen Jahren nicht leichter geworden“, betont er.
Es fehlt ein Sterbeort-Register
Der Projektleiter hat an diesem Punkt nicht mit einer so großen Resonanz gerechnet – sonst hätte er mehrere gezielte Fragen aufgenommen. Ausgedruckt umfassen die Äußerungen nach seiner Einschätzung bereits jetzt rund 130 Seiten. „Wir müssen das sehr sorgfältig auswerten.“ Das erfordert zusätzliche Kapazitäten, die Studie erfolgt ausschließlich mit Bordmitteln. „Wir müssen einen Weg finden.“
Die „Sterbestudie“ macht nach Einschätzung von George erneut ein großes Defizit deutlich. „Es ist unglaublich, dass wir in Deutschland kein Sterbeort-Register haben.“ Es sei zwar bekannt, dass die Realität nicht mit dem Wunsch der meisten Menschen übereinstimmt, zuhause zu sterben.
Wie es sich aber genau verhält, auch mit Blick auf die einzelnen Regionen, sei unklar. „Deutschland weiß nicht, wo die Menschen sterben“, kritisiert der Versorgungsforscher.