Notfalldienst
Praxen und Kliniken streiten um Patienten
Die ambulante und stationäre Notfallversorgung treibt Ärzte und Politiker um. Deshalb brechen sogar die Gesundheitsweisen mit lieb gewordenen Gewohnheiten. Die KBV bringt sich bereits im Vorfeld ein.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Neuordnung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes und der Notfallversorgung im Krankenhaus stehen weit oben auf der gesundheitspolitischen Agenda der künftigen Bundesregierung und der Länder sowie der Selbstverwaltung. Doch das Thema ist ein heißes Eisen: Die Verteilung von um die fünf Milliarden Euro im Jahr ist zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Kliniken umstritten.
An diesem Donnerstag bricht der Sachverständigenrat für die Begutachtung der Entwicklung des Gesundheitswesens daher eine bis dato eherne Regel. Erstmals in seiner mehr als 30-jährigen Geschichte wird der Rat im Rahmen eines Werkstattgesprächs einen Einblick in seine laufende Gutachtenarbeit gewähren.
Die Notfallversorgung ist Thema eines für das Frühjahr 2018 angekündigten Gutachtens. Empfänger sind Bundesgesundheitsministerium und Bundesrat.
KBV: Mehr Kooperation nötig
Notfallversorgung
- 3,453 Millionen Patienten haben 2015 ohne Not eine Notfallambulanz im Krankenhaus aufgesucht.
- 1,768 Millionen wurden ohne ärztliche Einweisung aufgenommen.
- 4,8 Milliarden Euro im Jahr kostet die stationäre Behandlung von Patienten, die auch in der Praxis eines niedergelassenen Arztes hätten versorgt werden können.
Quelle: IGES / Zi
Im Vorfeld hat das Zentralinstitut für die vertragsärztliche Versorgung (Zi) nun auf der Grundlage einer Untersuchung des Göttinger AQUA-Instituts Empfehlungen abgegeben. In den Notaufnahmen der Kliniken sollen qualifizierte Pflegekräfte anhand eines standardisierten Verfahrens eine Ersteinschätzung vornehmen, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht.
"Das Gutachten zeigt, wie wichtig es ist, dass der ärztliche Bereitschaftsdienst, die Notaufnahmen und der Rettungsdienst mehr miteinander kooperieren", sagte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister am Mittwoch. Dafür bedürfe es allerdings einer gesetzlichen Grundlage, die bundesweite Rufnummer des Bereitschaftsdienstes (116117) rund um die Uhr anbieten zu können.
Die Krankenhausseite will die Patientenströme in die Kliniken nicht abreißen lassen. "Ohne die jährlich 20 Millionen ambulanten Behandlungsfälle in den Krankenhäusern wäre die Versorgung schon heute nicht mehr aufrechtzuerhalten", gab sich der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Georg Baum selbstbewusst.
"Politischen Handlungsbedarf" konstatierte der Vorsitzende des Hartmannbunds Dr. Klaus Reinhardt. Der ergebe sich daraus, dass jeder zweite von AQUA Befragte angegeben habe, mit "niedriger Behandlungsdringlichkeit" direkt das Krankenhaus angesteuert zu haben.
Millionen vermeidbare Notfälle pro jahr
Laut einem Gutachten, das das Berliner IGES-Institut vor gut einem Jahr für das Zi erstellt hatte, gibt es in den Krankenhäusern in Deutschland jedes Jahr knapp 3,5 Millionen vermeidbare Notaufnahmen. Gezählt wurden Krankenhausaufenthalte, die durch eine rechtzeitige ambulante Versorgung hätten verhindert werden können.
Die ambulanten Angebote haben aber nicht mehr alle potenziellen Patienten im Blick. Ausweislich des IGES-Gutachtens wenden sich rund 1,8 Millionen Menschen im Jahr ohne Überweisung direkt an die Notaufnahmen der Krankenhäuser. Regionale Schwerpunkte liegen im Ruhrgebiet und in ländlichen Regionen.
Aber: Der Anteil der Aufnahmen ohne ärztliche Einweisung sei ausgerechnet in Großstädten an Werktagen während der Praxisöffnungszeiten am höchsten, stellt IGES fest. Das könne nicht durch ein fehlendes vertragsärztliches Angebot erklärt werden.
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