Gesundheitswesen
Qualitätssicherung wird von Misstrauen beherrscht
Die Qualitätssicherung in Deutschland gerät in Bewegung. Der GBA und chirurgische Fachverbände setzen den Hebel bei den Mindestmengen an. Das ist gut so. Die Qualitätskultur in der Selbstverwaltung wird damit alleine aber noch nicht harmonisiert.
Veröffentlicht:Qualität" war das am häufigsten gebrauchte Wort im gesundheitspolitischen Kapitel des Koalitionsvertrags zwischen Union und SPD von 2013. Gleich mit dem allerersten von der Koalition angestoßenen Gesundheitsgesetz (GKV-FQWG) wurde ein neues Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) aufs Gleis gesetzt. Etwas später in der Legislatur folgte ein Krankenhausstrukturgesetz(KHSG). Beides zusammen sollte die Qualitätsorientierung der Versorgung vorantreiben. Dazu beitragen sollten ein Umbau der Kliniklandschaft durch Zentrenbildung, durchaus auch Kapazitätsabbau sowie der Einstieg in qualitätsorientierte Vergütung. An zwei Beispielen lässt sich zeigen, woran es dabei hakt – nämlich sowohl an Inhalten als auch der Struktur der Qualitätssicherung.
Mindestmengen sollen wieder steuern helfen
Mindestmengen gelten als eines der zentralen Steuerungselemente für die stationäre Versorgung. Aufgrund von erfolgreichen Klagen einzelner Krankenhäuser war dieses Instrument über Jahre weitgehend lahmgelegt. Gerade einmal sieben Positionen umfasst der Mindestmengenkatalog in Deutschland. An einigen Stellen ist ihm deutlich anzusehen, dass beim Verfassen nicht der Wille die Feder geführt hat, Qualität zu verbessern, sondern der Zwang zum schlechten Kompromiss. Dass für als komplex geltende Eingriffe an der Speiseröhre und an der Bauchspeicheldrüse gerade einmal zehn Eingriffe im Jahr ausreichend sein sollen, mag hierfür als Beleg gelten.
Inzwischen ist in die Entwicklung von Mindestmengen wieder Bewegung geraten. Der GBA hat im November neue Regelungen getroffen, um die Blockade bei der Umsetzung zu überwinden. Unterstützung erhält er dabei von den Chirurgen selbst. Ihre Verbände fordern inzwischen zum Teil deutlich höhere Mindestmengen als die aktuellen und setzen darauf, dass der GBA die von ihnen ermittelten Werte in die für 2018 erwarteten neuen Beratungen dazu einbezieht.
Ohne Streit scheint aber auch dieser mögliche Fortschritt nicht zu haben zu sein. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat bereits angemerkt, dass Mindestmengen alleine nicht ausreichten. Vielmehr müssten interdisziplinäre und intersektorale spezialisierte Zentren her, um die erforderliche Qualität zu schaffen. Die Vereinbarungen zur Gewährung von Zuschlägen für die Zentrenbildung aber haben die Kostenträger gerade gekündigt. Grund: Es gebe zuviele Türschilder mit der Aufschrift "Zentrum" und zu wenig zentrumsrelevante Strukturen dahinter, hat sinngemäß der GKV-Spitzenverband moniert. Wenn es um die Qualität geht, traut keiner dem anderen über den Weg. Es herrscht eine Kultur des Misstrauens.
Dass der Fortschritt eine Schnecke ist, lässt sich auch am Umsetzungsstand der neuen Institutionalisierung der Qualitätssicherung ablesen. Vor allem die Kritik an der Governance des IQTiG fällt auf. So bezweifelte der ehemalige Gesundheitsweise Professor Matthias Schrappe vor Kurzem im Infodienst "OPG" der Presseagentur Gesundheit die fachliche Unabhängigkeit des Instituts. Die werde zwar immer wieder betont, sei aber tatsächlich Makulatur, so Schrappe.
Auslöser der Einwürfe sind die Strukturen. Das IQTiG ist als Stiftung konstruiert, in deren Stiftungsrat, Vorstand und Kuratorium die Krankenhäuser, die Ärzte, Zahnärzte und die Krankenkassen sitzen, also diejenigen Körperschaften, deren Mitglieder unmittelbar von den Entscheidungen des IQTiG betroffen sein können.
Es droht der kleinste gemeinsame Nenner
Damit droht, dass die Qualitätsentwicklung im Gesundheitswesen in Richtung eines kleinsten gemeinsamen Nenners manövriert wird. Aus dem Maschinenraum des Bundesausschuss dringen bereits laute Warnrufe vor weiteren Eingriffen des Gesetzgebers. Das im kommenden Sommer ausscheidende Unabhängige Mitglied des GBA, Dr. Regina Klakow-Franck, sieht sogar die Gefahr, dass die Qualitätssicherung zur Nagelprobe der Selbstverwaltung werden könnte.
Der Gesetzgeber schwäche durch immer detaillierter formulierte gesetzliche Vorgaben die Entscheidungsautonomie der Selbstverwaltung zunehmend ab, schreibt Klakow-Franck im Qualitätsmonitor 2018 von Gesundheitsstadt Berlin, Wissenschaftlichem Institut der AOK und der Initiative Qualitätsmedizin, der rund 400 Krankenhäuser angehören. Gleichzeitig sähen die Protagonisten der Selbstverwaltung die Qualitätssicherung vor allem als Mittel zur Konservierung des status quo. "Gelingt es ihr auch weiterhin nicht, eine gemeinsame Qualitätskultur basierend auf gegenseitigem Vertrauen zu entwickeln, stellt dies nicht nur die staatliche Delegation der Qualitätssicherung an die Selbstverwaltung, sondern das Selbstverwaltungsprinzip grundsätzlich infrage", heißt es in dem Beitrag.
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