Prävention

Regierung sagt Diabetes den Kampf an

Die Kassen sollen verpflichtet werden, nationale Gesundheitsziele zu erreichen - etwa Depressionen und Diabetes einzudämmen. So sieht es der Entwurf des Präventionsgesetzes vor. Der Opposition geht das nicht weit genug.

Von Johanna Dielmann-von Berg Veröffentlicht:
Ein Betriebsarzt überprüft einen Arbeitsplatz. Die betriebliche Gesundheitsförderung zu stärken ist ein Ziel der Nationalen Präventionsstrategie.

Ein Betriebsarzt überprüft einen Arbeitsplatz. Die betriebliche Gesundheitsförderung zu stärken ist ein Ziel der Nationalen Präventionsstrategie.

© Klaus Rose

BERLIN. Mit dem Präventionsgesetz will Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) Volkskrankheiten wie Diabetes eindämmen.

Entgegen erster Pläne soll für die gesetzlichen Krankenkassen das Erreichen nationaler Gesundheitsziele verbindlich werden. Das geht aus der aktuellen Fassung des Gesetzentwurfs vor, der der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

So sollen Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2 und Depressionen eingedämmt, der Tabakkonsum und die Sterblichkeit bei Brustkrebs gesenkt werden.

Gesundheitsfördernde Maßnahmen sollen vor allem auf Kinder und Jugendliche sowie ältere Menschen zielen. Doch aus der Opposition hagelt es Kritik, das machten Oppositionspolitiker kürzlich beim Kongress Armut und Gesundheit in Berlin deutlich.

Nun könnte auch dem Präventionsgesetz von Union und FDP im Bundesrat das Aus drohen - knapp acht Jahre, nachdem das Präventionsgesetz der rot-grünen Bundesregierung im Bundesrat gescheitert ist.

Der Gesetzentwurf greife an vielen Stellen zu kurz, lautet die Kritik. "Wir brauchen keine Prävention auf Rezept", monierte Grünen-Politikerin Maria Klein-Schmeink das Vorhaben von Union und FDP, wonach Ärzte künftig Versicherte in Präventionsmaßnahmen lotsen sollen.

Martina Bunge von den Linken bezeichnete den Entwurf sogar als "Anti-Präventionsgesetz".

Vernetzte Strukturen nötig

Prävention müsse in vernetzten Strukturen stattfinden, etwa indem Arbeitsagenturen, Jugendämter, Schulen und Ärzte zusammenarbeiten, forderten die Oppositionspolitikerinnen.

Nur so könnten gesundheitliche Ungleichheiten abgebaut und die Betroffenen wie Arbeitslose oder Kinder in Hartz-IV-Haushalten erreicht werden.

Dafür seien alle Sozialversicherungsträger sowie Bund, Länder und Kommunen einzubinden und nicht nur die gesetzliche Krankenversicherung, wie es geplant sei.

Auch die CDU-Abgeordnete Stefanie Vogelsang möchte noch ins Gesetz schreiben, dass "nationale Gesundheitsziele über alle Versicherungsträger hinweg" vereinbart werden müssen. Trotz Änderungsbedarf verteidigte sie den Entwurf aber als "großen Schritt".

So würde Gesundheitsförderung erstmals als Ziel in die Satzungsleistungen der gesetzlichen Krankenkassen geschrieben. "Das hört sich unbedeutend an, ist aber entscheidend, damit die Kassen mehr Leistungen bewilligen", sagte sie.

Auch viele Privatversicherer hätten zugesichert, sich dem anzuschließen. Dies konnte der Verband der Privaten Krankenversicherung aber nicht bestätigen.

Man unterstütze weiterhin die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), gesundheitsfördernde Maßnahmen "im großen Stil" seien aber sehr unwahrscheinlich, sagte ein Verbandssprecher auf Nachfrage.

Lindemann: "Eigenverantwortung lernen"

Wichtig sei, Prävention finanziell auf eine solide Basis zu stellen, betonte Vogelsang. Dafür würden insgesamt 180 Millionen Euro bereitgestellt.

Ein Euro pro Versicherten sei für die Gesundheitsförderung in den Lebenswelten wie Kindertagesstätten und Schulen bestimmt.

Der Opposition ist das zu wenig. Zehn Euro pro Versichertem forderte Mechthild Rawert (SPD). Grünen-Politikerin Klein-Schmeink plädierte dafür, die Mittel regional zu bündeln und nicht auf Sektoren und Kostenträger zu unterteilen.

Das streben auch die Linken an. "Wir sind für einen Topf, auf den die Kommunen zugreifen können", sagte Martina Bunge.

Wenigstens eine Milliarde Euro solle aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden.

"Wir müssen Eigenverantwortung wieder mehr lernen, man muss selbst erfahren, dass Gesundheit für einen wichtig ist - da helfen noch so große Ressourcen nicht", konterte Lars Lindemann von der FDP.

Zusätzliche 200 Millionen Euro pro Jahr

Die schwarz-gelbe Regierung will mit einer Nationalen Präventionsstrategie besonders Volkskrankheiten wie Diabetes in den Fokus nehmen und die betriebliche Gesundheitsförderung stärken.

Dafür sollen zusätzlich 200 Millionen Euro jährlich für Präventionsprogramme bereitgestellt werden. Die SPD-Länder wollen über den Bundesrat allerdings Nachbesserungen erreichen.

Am 22. März will die Länderkammer auf Antrag von Hamburg, Brandenburg und Schleswig-Holstein eine entsprechende Entschließung fassen. Ziel ist die Vorlage eines "Bundespräventions- und Gesundheitsförderungsgesetzes" durch die Bundesregierung.

So sollen Prävention und Gesundheitsförderung von Bund, Ländern, Kommunen, Sozialversicherungsträgern und weiteren Einrichtungen besser koordiniert werden.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 15.03.201316:37 Uhr

Digitale Vorsorgeuntersuchung - eine "App"?

Wer, ob Regierungs- oder Oppositionsparteien, kritisiert, dass Nationale Präventionspläne bzw. hausgemachte Präventionsstrategien zu wenig das Große und Ganze im Blick haben würden, hat den Präventionsgedanken s e l b s t nicht verstanden. Wie schwierig, mühevoll und kompliziert sind im Detail Primärprävention, Krankheitsvorsorge und Gesundheitsförderung durch einschneidende Lebensstiländerungen.

Die verbreitete "Non-Compliance" bei konsequenter Vorsorge und Früherkennung von Erkrankungen lässt sich unschwer an den Problemen ablesen, welche die breite Masse der Mitglieder des Deutschen Bundestages bei Nikotin- und Alkohol-Abusus, bei Fehlernährung, Adipositas und metabolischem Syndrom, bei Bewegungsmangel und Distress, bei Zeitdruck, Hektik und Mobbing mit sich herumschleppt.

Wie umstritten und verfahren manche Diskussionen in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit über Sensitivität, Spezifität, Relevanz, Reliabilität, Effizienz und Effektivität von präventiven bzw. gesundheitsfördernden Maßnahmen sind, lässt sich an der umfassenden Berichterstattung in der ÄRZTE ZEITUNG ablesen:
• PSA-Laborwert als prädiktiver Faktor für Prostata-Neoplasien?
• Einfluss von Folsäure-Supplementierung auf Autismus-Inzidenz?
• Invalide Wirkung von Fischölkapseln bei koronarer Herzkrankheit?
• Normalgewicht schützt vor Schlaganfall, KHK, Diabetes und Thrombose?
• Übergewicht verbessert sekundäres Outcome bei Apoplex, Diabetes, KHK?
• Untergewicht erhöht Gesamtmortalität, leichtes Übergewicht senkt sie?
• Vitaminsupplementierung bringt mehr Schaden als Nutzen?
• Zink und Selen schützen nicht vor Brustkrebs?
• Kosten/Nutzen der Routine-Mammografie über- bzw. unterbewertet?
Um nur einige der jüngsten Konfliktfelder zu benennen.

Außerdem bleiben viele interventionelle Maßnahmen wie GESU (Check-up-35), Krebsvorsorgeuntersuchungen bei Frauen und Männern, neue Schutzimpfungen wie z. B. gegen HPV-Infektionen, Stuhltest auf okkultes Blut, Präventivkoloskopie, Laboruntersuchungen von Tumorrisikofaktoren, radiologische und zytologische Screeningverfahren, aber auch alternativmedizinische Außenseiterverfahren ohne wissenschaftliche Begleitforschung und prospektive Evaluation. Bei medikamentöser Therapie mit ASS, Statinen, Ezetemibe, Vitamin-K-Antagonisten, direkten Thrombinhemmern, Faktor Xa-Inhibitoren bleiben belastbare Kosten-Nutzen-Berechnungen aus. Risiko- und Nebenwirkungsprofile bilden Vor- und Nachteile der Sekundärprävention unzureichend ab, die Grenzen zur Primärprävention verwischen.

Einige Zeitgenossen hadern sogar mit der Begrifflichkeit im digitalen EDV-Zeitalter der Neuen Medien. D i g i t a l e rektale oder vaginale Krebs-Vorsorgeuntersuchungen halten manche für die neueste App aus dem Apple-Store. Applikationen, die man dort eben mal präventiv herunterladen könnte?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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