Neues Bündnis dringt auf Reformen

Rettungsdienste sehen sich vor dem Kollaps

Das „Bündnis pro Rettungsdienst“ fordert die zeitnahe Entlastung der Beschäftigten durch eine Strukturreform, die die Notfallversorgung neu ordnet – mit Folgen auch für Ärzte im Bereitschaftsdienst.

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Blumen liegen an einer Bushaltestelle im Berliner Stadtteil Lankwitz. Nach einem schweren Unfall mit einem Doppeldecker-Bus am Samstagabend waren die Rettungswagen erst nach 20 Minuten am Unfallort – zum Zeitpunkt der Alarmierung war in ganz Berlin kein Rettungswagen verfügbar.

Blumen liegen an einer Bushaltestelle im Berliner Stadtteil Lankwitz. Nach einem schweren Unfall mit einem Doppeldecker-Bus am Samstagabend waren die Rettungswagen erst nach 20 Minuten am Unfallort – zum Zeitpunkt der Alarmierung war in ganz Berlin kein Rettungswagen verfügbar.

© Jörg Carstensen/dpa

Berlin. Organisationen des Rettungsdienstes haben von den Gesetzgebern in Bund und Ländern rasche Reformen verlangt. Überlastungen des Rettungsdienstes sowie Fehlsteuerungen im System hätten den Rettungsdienst in eine Krise geführt.

„Es ist nicht fünf vor, sondern fünf nach zwölf, sagte Frank Flake, zweiter Vorsitzender des Deutschen Berufsverbands Rettungsdienst (DBRD), am Montag bei einer digitalen Pressekonferenz des neuen „Bündnis pro Rettungsdienst“. Bisher hätten die im Rettungsdienst Beschäftigten kaum eine politische Lobby, so Flake. Der neue Zusammenschluss hat sich erst Ende Oktober gebildet.

Ihm gehören neben dem DBRD die Björn Steiger Stiftung, die Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands, die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft, die Deutsche Gesellschaft für Rettungswissenschaften sowie die Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes an.

Enge Verzahnung von 112 und 116117

Das Bündnis strebt eine enge Verzahnung zwischen den Notrufnummern 112 und 116117 an. Es müsse darum gehen, die hausärztlichen Strukturen der Versorgung zu stärken, forderte Flake. Wenn sich in der Rettungsleitstelle herausstelle, dass einem Anruf keine akut bedrohliche Gesundheitssituation zugrunde liegt, müsse dieser an die 116117 weitergeleitet werden und einen ärztlichen Hausbesuch auslösen. Die Leitstellen müssten berechtigt werden, einen „Einsatzauftrag“ an die mit dem Bereitschaftsdienst vor Ort betrauten Vertragsärzte auszusprechen, so die Forderung.

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Bisher sei der Rettungsdienst eine reine Transportleistung, aber nicht als eigener Leistungsbereich im SGB V verankert – das müsse sich ändern, forderte Flake. „Wir müssen die Patienten auch zu Hause lassen dürfen“, so der Vizevorsitzende des DBRD. Die Initiatoren des Bündnisses sehen die Gefahr, dass der Rettungsdienst bei der anstehenden Krankenhausstrukturreform nur unzureichend mitgeregelt wird. „Jedenfalls haben wir bisher nicht mit an den Tischen gesessen“, klagte Flake. Denn der Rettungsdienst könne nicht ohne eine gemeinsame Reform der Notfallversorgung verbessert werden.

Oliver Hölters von der Caritas berichtete, in einer wachsenden Zahl von Fällen könnten Rettungswagen wegen fehlendem Personal nicht mehr besetzt werden. Die Initiatoren sprachen sich für eine Ausbildungsinitiative, moderne Arbeitszeitmodelle sowie angemessene Bezahlung aus, um die Attraktivität einer Tätigkeit im Rettungsdienst und die Verweildauer im Beruf zu steigern.

Rettungswagen trafen erst nach 20 Minuten ein

Ein Schlaglicht auf die Situation im Rettungsdienst hat am vergangenen Samstag ein schwerer Busunfall in Berlin geworfen. Dabei wurde im Stadtteil Lankwitz eine junge Fußgängerin getötet, ihre Begleiterin schwer verletzt. Der Doppeldecker-Bus hatte die beiden Jugendlichen erfasst, die nach ersten Ermittlungen der Polizei an einer Fußgängerampel bei Rot über die Straße liefen. Beide gerieten unter den tonnenschweren Linienbus, wurden dort eingeklemmt und konnten im Zuge eines Großeinsatzes erst mittels Spezialtechnik geborgen werden.

Als erster Wagen sei ein Notarzt neun Minuten nach dem Notruf vor Ort gewesen, die ersten beiden Rettungswagen aber erst nach 20 Minuten, so die Feuerwehr. Nach deren Angaben sei zum Zeitpunkt des Unfalls kein einziger Rettungswagen in Berlin verfügbar gewesen – im Durchschnitt sind 140 Rettungswagen in der Stadt unterwegs. (fst/dpa)

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Kommentare
Harald Schneider 19.12.202217:15 Uhr

Grundsätzlich muss sich sicher im Rettungsdienst einiges ändern. Aber sicher nicht in Form dieses Wunschzettels von Hr. Flake. Die Leitstelle soll also das Recht bekommen einen „Einsatzauftrag“ an die niedergelassenen Kassenärzte zum Hausbesuch auszusprechen. Aha, aber mit Verlaub so nicht. Auch die Indikation zum Hausbesuch ist eng gefasst und gerade Patienten und besonders ihre Angehörigen meinen der Hausarzt heisse so, weil er ins Haus kommt. Auch die Aussagen zur Transportleistung sind irreführend. Natürlich zwingt niemand den Rettungsdienst dazu einen Patienten zu transportieren, der medizinisch gesehen nicht ins Krankenhaus muss. Das ist auch heute schon so. Aber es wird eben dann der Einsatz von den Krankenkassen nicht bezahlt. Das liegt daran, dass die Rettungsdienste laut ihren Satzungen sich zwar zu Hilfeleistungen verpflichtet sehen, jedoch keinen medizinischen Versorgungsauftrag haben und mit den Krankenkassen lediglich einen Transportvertrag haben. Richtig wäre es den Spielraum gut ausgebildeter Rettungsdienstmitarbeiter zur medizinischen Ersthilfe auszuweiten. Dies würde sich natürlich auch in gestiegenen Versicherungsprämien für die Angestellten niederschlagen, da ihr Haftungsrisiko ansteigen würde.

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