Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Richter billigen Impfpflicht in Tschechien
Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Impfpflicht für Kita-Kinder hat keinen Erfolg: Die Richter attestieren dem tschechischen Staat, legitime Ziele zu verfolgen.
Veröffentlicht:Straßburg. Eine Impfpflicht für Kinder verstößt nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Das hat am Donnerstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden. Er billigte damit den Impfplan in Tschechien. Zur Begründung verwiesen die Straßburger Richter auf Gesundheitsschutz und Kindeswohl.
In Tschechien sind bestimmte Impfungen nach einem vorgegebenen Zeitplan Pflicht. Kindertagesstätten dürfen nur Kinder aufnehmen, die die vorgeschriebenen Impfungen oder eine anderweitig erworbene Immunität nachweisen können. Ausnahmen aus gesundheitlichen Gründen sind möglich. Konkret gilt dies für Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Haemophilus influenzae Typ b-Infektionen, Polio, Hepatitis B, Masern, Mumps, Röteln und teilweise auch Pneumokokken-Infektionen.
Vier Kinder wehrten sich gegen Kita-Ausschluss
Vor dem EGMR wehrten sich vier Kinder gegen den Kita-Ausschluss, ein Vater gegen eine Geldbuße. Dabei beriefen sie sich insbesondere auf das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.
Der EGMR hat nun erstmals überhaupt über Impfpflichten für Kinder entschieden und wies sämtliche Beschwerden ab. Mit der Pflicht zu den Impfungen verfolge hier Tschechien legitime Ziele. Dabei hätten die Staaten einen weiten Ermessensspielraum, wann sie welche Impfungen vorschreiben.
Zwar greife eine Zwangsimpfung erheblich in das Recht auf Privatleben ein. Dieses Recht und das Recht auf Leben verpflichteten die Staaten aber auch, die Gesundheit ihrer Bürger zu schützen. Darauf könnten sich Staaten bei einer Impfpflicht berufen.
Eine weitere Rechtfertigung ergebe sich aus dem Kindeswohl. „Wenn es um Impfungen geht, sollte das Ziel sein, dass jedes Kind vor schweren Krankheiten geschützt ist.“ Dies werde durch die Impfungen erreicht – bei einem hohen Impfniveau auch für Kinder, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, betonten die Straßburger Richter. Der hier angegriffene Impfplan in Tschechien betreffe Krankheiten „gegen die die Impfung von der wissenschaftlichen Gemeinschaft als wirksam und sicher angesehen wird“.
Richter halten die Sanktionen für „moderat“
Indessen hatten die Beschwerdeführer auch auf das Risiko schwerer, teils lebenslanger Folgen verwiesen. Nach Angaben Tschechiens treten solche Folgen bei fünf bis sechs von 100.000 Kindern mit insgesamt 300.000 Impfungen ein. Daher sei es wichtig, die Sicherheit der Impfstoffe und die Impfeignung jedes einzelnen Kindes vorab abzuklären, forderte der EGMR. Im Fall Tschechiens gebe es aber „keinen Anlass, die Angemessenheit des nationalen Systems infrage zu stellen“.
Auch die Sanktionen seien „moderat“ und nicht unverhältnismäßig. Ein Ausschluss von der Schule bestehe für nicht geimpfte Kinder nicht mehr. Seit März 2020 müssen in Deutschland Kita-Kinder gegen Masern geimpft oder anderweitig immun sein. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte im Mai 2020 Eilanträge hiergegen abgewiesen. Im Hauptverfahren will das Gericht noch dieses Jahr entscheiden.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Az.: 47621/13 und weitere