Röslers Vertrauensvorschuss ist bei den Ärzten verspielt

Ein Jahr nach der Bundestagswahl haben die Koalition, aber auch Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler ihre Vorschusslorbeeren aufgebraucht. Von den großen Erwartungen der Ärzteschaft an die konservativ-liberale Koalition ist fast nichts geblieben. Eine Umfrage der "Ärzte Zeitung" zeigt: Ärzte würden Rösler die Note "mangelhaft" geben.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

NEU-ISENBURG. Zuwachsbegrenzung - so nennt Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler die in der vergangenen Woche vom Bundeskabinett beschlossenen Honorarregelungen. Sie sollen für das KV-Honorar, aber auch für neue Hausarztverträge gelten. Vor allem viele Hausärzte bringt das offenbar auf die Palme, wie eine aktuelle Umfrage der "Ärzte Zeitung" unter ihren Lesern zeigt. Daran haben sich binnen eines Tages über 1000 Ärzte beteiligt - die hohe Rücklaufquote kann als Indiz für das Frustrationspotenzial gewertet werden. Allerdings ist die Umfrage nicht repräsentativ - sie kann jedoch als ein Trend angesehen werden.

Denn die gleichen Fragen hatte die "Ärzte Zeitung" vor einem Jahr, einen Tag nach der Bundestagswahl, - damals repräsentativ - an Ärzte gestellt. Zu jenem Zeitpunkt war freilich noch nicht bekannt, dass die siegreiche FDP mit ihren 14,6 Prozent das Ressort für Gesundheit bekommen und erstmals ein Arzt, Dr. Philipp Rösler, damals noch Wirtschaftsminister in Niedersachsen, Gesundheitsminister werden würde.

Reformerwartungen bislang nicht erfüllt

Bereits zuvor hatten Leserumfragen der "Ärzte Zeitung" eine klare Präferenz der niedergelassenen Ärzte für die FDP erkennen lassen. Ganz offensichtlich wird die Partei als Garant für die Freiberufler und deren Prosperität angesehen. Dabei waren das Meinungsbild und die Erwartungen der Ärzte unmittelbar nach der Bundestagswahl keineswegs euphorisch, sondern eher von nüchterner Zuversicht geprägt. Der Aussage "Die neue Bundesregierung wird grundlegende Reformen im Gesundheitswesen vornehmen", stimmten vor einem Jahr 50,2 Prozent zu.

Nach der aktuellen, am vergangenen Freitag abgeschlossenen Umfrage hat die Koalition aus der Sicht von fast 92 Prozent der Antwortenden diese Erwartung bislang nicht erfüllt - obwohl gerade in der vergangenen Woche eine Finanzreform beschlossen worden ist.

Alles in allem waren die niedergelassenen Ärzte, was ihre Gesamtsituation angeht, vor einem Jahr relativ zuversichtlich: 52 Prozent glaubten, dass sich ihre berufliche Gesamtsituation unter der neuen Bundesregierung nicht verändern wird. 39 Prozent erwarteten eine Verbesserung, lediglich neun Prozent rechneten mit einer Verschlechterung.

Ein völlig anderes Bild vermittelt die aktuelle Umfrage unter Hausärzten. Mehr als drei Viertel (78,5 Prozent) sehen ihre Gesamtsituation als niedergelassener Arzt als schlechter an. Für 19,5 Prozent hat sich keine Verbesserung ergeben. Nur zwei Prozent sehen eine Verbesserung.

Die honorarpolitischen Erwartungen der Ärzte waren vor einem Jahr eher zurückhaltend - und realistisch angesichts der Wirtschaftskrise, in deren Folge die Wirtschaftsleistung in Deutschland 2009 um fünf Prozent gesunken ist. Unter den Hausärzten erwarteten nur 18,3 Prozent steigende Kassenhonorare, 61,3 Prozent glaubten, dass ihre Erlössituation in etwa gleich bleiben würde und 20,4 Prozent erwarteten sinkende Honorarumsätze.

Honorarreform hat offenbar viele Verlierer

Aktuell berichten 77 Prozent von Rückgängen des GKV-Honorars, bei 19 Prozent ist es gleich geblieben, und nur vier Prozent geben an, Zuwächse zu haben.

Dieses Ergebnis lässt mehrere Schlüsse zu: Es erscheint möglich, dass sich vor allem jene Ärzte zur Teilnahme an der Umfrage ermuntert sahen, die tatsächlich Honorareinbußen zu verzeichnen haben. Das könnte eine Erklärung für das harsche Urteil über die Gesundheitspolitik der Koalition und des Bundesgesundheitsministers im besonderen sein. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass ein repräsentatives Meinungsbild etwas milder ausfallen würde.

Andererseits zeigt die hohe Rücklaufquote von weit über tausend Fragebögen binnen eines Tages, dass es trotz durchschnittlicher Honorarzuwächse auch in diesem Jahr eine erhebliche Zahl von Verlierern gibt. Dies sowie die Diskrepanz zwischen Forderungen der KV- und Verbandsfunktionäre und der ökonomische Realität könnte schlussendlich auch der Koalition in die Schuhe geschoben werden. Auch wenn sie bislang für die Ärzte Kostendämpfung erst plant, aber noch längst nicht exekutier hat.

Lesen Sie dazu auch: Ärzte geben Rösler schlechte Noten

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Kommentare
Dr. Reiner Blessing 03.10.201010:34 Uhr

Erst eine gute Regelung sowie Förderung der Kostenerstattung wird Röslers Ruf wieder bessern !

Die von den Kassen gehaßte Kostenerstattung = Transparenz- Abrechnung gibt dem Pat. seine Freiheit und dem Arzt sein Einkommen zurück. Nur sie beendet die überbordende Regelungswut und das Versickern der Beitrags-Gelder im Bürokratie- Sumpf. Der Pat. sieht was die Alternativen kosten und entscheidet sich fürs das Preiswerte, weil auch er seinen Anteil zahlt. So einfach ist das .
Die Transparenz-Abrechnung beendet die aktuelle Pseudo-Versicherung beim Arzt oder Zahnarzt für maximal 10-15 Euro im Monat. Welche andere Versicherung in Europa kann es sich leisten, ihre Kunden mit einer Maximal- Leistung von 40 Euro im Quartal (Arzt+Medik.) zu ver.. . Nur die deutsche GKV !

Dr. Thomas Georg Schätzler 28.09.201013:34 Uhr

Der Vorsitzende der KV-Westfalen-Lippe, Dr. med. Ulrich Thamer, als Stein(bild)hauer!

Herr Kollege, Dr. med. Ulrich Thamer, das kann doch wohl nicht wahr sein! Sie als Noch-Vorsitzender der KVWL hinterlassen einen Steinhaufen ungelöster Probleme (Notdienstreform, Hausarztpolitik im Freund-Feind-Denken, Sicherstellungsprobleme der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum, Kostenexplosion beim KVWL-Neubau, Rote Laterne der KVWL bei den Regelleistungsvolumina, Hü und Hott bei den Hausaztverträgen und der HzV, ungelöste Honorarreform, etc. pp.)!

Ich weise in 11 Punkten dem Bundesgesundheitsminister komplette Plan- und Ziellosigkeit bei unsinniger FDP-Programmatik nach. Sie behaupten dagegen illusionär und wirklichkeitsfremd: "Rösler hat klare Ziele"???

Mit den Steinen, die Rösler (auch von BMAS-CDU-Frontfrau, Dr. med. von der Leyen) in den Weg gelegt werden, kann man sehr wohl ein besseres, auf gesamtgesellschaftlicher Solidarität beruhendes Gesundheitswesen mit einer modernen und qualifizierten Krankenversorgung aufbauen.

Dazu müssten Sie allerdings die fundierten Meinungen der Kolleginnen und Kollegen erst einmal wahrnehmen, verstehen und in kreative, eigene Ideen umsetzen.

Mit kollegialen Grüßen, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM in Dortmund

Dr. Thomas Georg Schätzler 27.09.201009:05 Uhr

Die Gesundheitspolitik der Bundesregierung? Schulnote sechs, Setzen!

Was ist denn auch von einer CDU/CSU/FDP Regierungskoalition zu halten, die ihren FDP-Bundesgesundheitsminister (BGM), Dr. med. Philipp Rösler, als juristischen und ökonomischen Laien

1. eine offenkundig verfassungswidrige "Kopfpauschale" inaugurieren und um so kläglicher scheitern lässt.

2. Eine "Kostenerstattung" in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
favorisieren lässt, ohne dass damit nur ein Funken mehr Transparenz, Rechtssicherheit und Gerechtigkeit im Gesundheitswesen einkehren würde.

3. Phantastische Horrorschocker von einem 11-Milliarden GKV-Defizit erzählen lässt, wo doch jeder Ökonomieexperte diesem Ammenmärchen bei wieder anziehender Wirtschaftskonjunktur mit 4-5 Mrd. widerspricht. Auch lieferte Rösler keinen einzigen Beleg dafür, aber dem Kabarettisten Volker Pispers eine Steilvorlage.

4. Mit Beitragserhöhungen bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern von je 0,3% auftrumpfen lassen möchte und dabei allen GKV-Versicherten einseitig monatliche "Zusatzbeiträge" spätestens ab 2012 aufhalsen wird.

5. Als BGM dann der CDU nahen ''Rheinischen Post'' erklären lässt, dass seine "Zusatzbeiträge" nur heiße Luft seien und im Durchschnitt 2011 gegen Null tendieren würden? Welch ein genialer, epidemiologischer Statistiker!

6. Keine echte Strukturreform mit deutlicher E r h ö h u n g der Beitragsbemessungsgrenze, Reduzierung von Risikofaktoren (im Ruhrgebiet sagen wir ganz unver"blümt": Fressen, Saufen, Rauchen) und Ausbau sinnvoller Prävention anpacken lässt.

6. Gemeinsam mit der größten GKV-Ersatzkassen BEK-GEK die seit 2009 rechtlich verbindlichen Hausarztverträge nach § 73b SGB V torpediert, die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV) kappt und den Deutschen Hausärzteverband (HÄV), der flächendeckend in allen KV-Bereichen mit mehr als 50% der Hausärztinnen und -ärzte mandatiert ist, ignoriert.

8. Dem absehbar massiven Haus- und auch Fachärztemangel in ländlichen Regionen weder formal noch inhaltlich irgendetwas entgegen zu setzen hat.

9. Sich in Tagträumereien von einer "Neuen Kultur des Vertrauens im Gesundheitswesen" verliert.

10. Seine "Bemühungen" zur Stabilisierung der GKV durch seine Amtskollegin, die Ministerin für Arbeit und Soziales, Frau Dr. med. Ursula von der Leyen konterkariert werden, die die Beitragsbemessungsgrenze s e n k e n, den Zugang zur Privaten Krankenversicherung finanziell e r l e i c h t e r n und das Solidarprinzip der GKV weiter aushöhlen will.

11. Der die volle steuerliche Absetzbarkeit a l l e r GKV-Beiträge ab 1. 1. 2010 (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts!) "vergisst". Experten des ''Handelsblatt'' errechneten daraus Steuer m i n d e r- einnahmen von 2 Milliarden Euro nur für 2010. Der BGM hat die Bundesregierung mit einem Minus von 590 Millionen angeschwindelt.

"Ich war gerne Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr" sagte der BGM. Der Öffentlichkeit ist aber klar, dass das in Hannover nur ein ministerialer Schnupperkurs war. "Die Botschaft ''Mehr Netto vom Brutto'' beinhaltet immer, dass sie die Mitte entlasten müssen" tönte er so schön. Soll "die Mitte" etwa ausschließlich von denen da Unten alimentiert werden?

Rösler versuchte auch noch, einen Keil zwischen die fach-pädiatrischen Hausärzte der Kinder und Jugendlichen in den Städten bzw. Zentren und den allgemeinmedizinisch-internistischen Hausärzten in Stadt und Land zu treiben? Für die Notfallversorgung zur Nacht und an Wochenenden bzw. in mangelhaft besetzten KV-Bezirken sind aber alle approbierten Ärzte auch in seinen Augen gut genug. Dann instrumentalisierte er auch noch seine 2-jährigen Zwillinge, in dem er erklärte, seine Kinder würden grundsätzlich immer beim pädiatrischen Kollegen und nicht bei HzV- gierigen Allgemeinärzten behandelt werden (und nachts, bei Vertretungen, Urlaub, in Notfällen?).

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