Sterbehilfe

Scharfe Kritik von Kardinal Meisner

Das geplante Gesetz zur Beschränkung des assistierten Suizids bleibt in der Kritik. Jetzt warnt der Kölner Erzbischof Kardinal Meisner davor, die Unantastbarkeit des Lebens aufzugeben.

Veröffentlicht:

KÖLN (dpa). Der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, hat den umstrittenen Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zum assistierten Suizid als endgültige Abkehr von der Unantastbarkeit menschlichen Lebens und als Preisgabe der Menschenwürde kritisiert.

"Gleich einer Wanderdüne" sei "ein Eingriff nach dem anderen" erfolgt, "bis wir nun an einem Punkt angelangt sind, in dem man mit vollem Ernst meint, an einen lebenden, wenn auch kranken Menschen Hand anlegen zu können", schreibt Meisner im "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Mittwoch.

Meisner sieht die Bundesrepublik an einer "letzten Station" angelangt, wohingegen hierzulande bisher "immer noch die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens bis zu seinem Tod" gegolten habe.

"Für das Ende des menschlichen Lebens gilt das gleiche wie für seinen Beginn: Wir haben keine Verfügung darüber und dürfen sie uns auch nicht anmaßen - es sei denn um den Preis unserer menschlichen Würde", so Meisner weiter.

Stattdessen fordert der 78-Jährige verstärkte Aufklärung über Schmerztherapie, Palliativmedizin und die Arbeit von Hospizen sowie eine intensivierte Sterbebegleitung.

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Kommentare
Dr. Corina Ernst 23.08.201212:51 Uhr

"ärztliche Sterbehilfe"

Wie wäre es mal den Hypokrates Eid zu lesen und zu verinnerlichen!
Jeder der ARZT ist auf dieser Welt hat mal drauf geschworen!
Oder etwa nicht ?

Lutz Barth 08.08.201214:14 Uhr

„Herr, vergib Ihnen nicht, denn sie wissen, was sie tun“!

Eines vorweg: Mir mangelt es nicht am Respekt von den Religionsgemeinschaften, zumal nicht in Anlehnung an Art. 4 i.v.m. Art. 140 GG und der Kardinal wird sicherlich dafür Verständnis hegen, wenn in der "Sache" gelegentlich auch etwas vitaler diskutiert wird.

Allerdings lässt sich der Kardinal von den Zentraldogmen seiner Glaubensgemeinschaft leiten und diese bilden nicht den rechtsethischen Standard unseres Grundgesetzes ab. Vielmehr zeichnet sich unsere Gesellschaft durch eine Wertepluralität aus und ohne Frage zählt das Leben als solches zu einem hochrangigen Rechtsgut.

Indes war und ist das „Leben“ schon immer antastbar gewesen, wie sich u.a. an den unzähligen Schwangerschaftsabbrüchen ablesen lässt. Dies scheint auch der Kardinal zu rügen, in dem er auf den „Beginn“ als auch auf das „Ende“ des Lebens abstellt.

Problematisch und hinreichend bekannt dürfte allerdings sein, dass gerade die katholische Kirche im Diskurs über die Sterbehilfe dafür steht, das Leben als „Geschenk“ (Gottes) zu werten und demzufolge eine eigene Verfügungsmacht strikt ablehnt. Dies zu glauben, bleibt freilich den gläubigen Christen ausdrücklich gestattet, wenngleich dies in erster Linie eine Glaubensfrage ist, über die wir nun nicht zu spekulieren haben. Weitaus gewichtiger hingegen ist die hohe Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts, ohne hier das „Würdeargument“ aus der Staatsfundamentalnorm des Art. 1 GG bemühen zu wollen.

Kardinal Meisner geißelt schon mal den wissenschaftlichen Atheismus in seinen Predigten (hier: zu Allerheiligen 2009) und nicht selten dokumentiert er in seinen Statements das „katholische Selbst- und Siegesbewusstsein“. Er rät einigen Wissenschaftlern „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ und da könnte es dann vielleicht auch Sinn machen, darüber nachzudenken, ob diese dringende Mahnung nicht auch für den einen oder anderen Amtsträger der katholischen Kirche Geltung beansprucht.

Verfassungsinterpretation ist keine Philosophie und noch weniger Theologie. Der säkulare Verfassungsstaat wird das Problem der Sterbehilfe auch ohne das eine oder andere Zentraldogma der katholischen Kirche befrieden können, zumal in Kenntnis der Aufklärung im 21. Jahrhundert, die trotz großer Denker in der Vorzeit auch gegenwärtig voranschreitet.

Es gibt unüberbrückbare Gräben zwischen der Lehrmeinung der katholischen Kirche und der Funktion und Bedeutung der Grundrechte (hier insbesondere das Selbstbestimmungsrecht), so dass ein Konsens nur dann möglich wäre, wenn der parlamentarische Gesetzgeber sich in der Gänze an den Zentraldogmen der verfassten Amtskirchen halten würde. Dies freilich wird nicht geschehen, und zwar nicht nur, weil der Staat zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet ist, sondern in erster Linie deswegen, weil Grundrechte subjektive Rechte sind und der Staat gut beraten ist, hieran unverändert festhalten. Die Mär von der „Unverfügbarkeit des eigenen Lebens“ schleicht sich zwar in die offenen Ohren von so manchen dienstbeflissenen Oberethikern und Ärztefunktionären ein, nicht aber hingegen in diejenigen des parlamentarischen Gesetzgebers, dessen Gesetze den „Geist“ der Verfassung in sich tragen müssen, um nicht der Gefahr ausgesetzt zu werden, vom Verfassungsgericht verworfen zu werden.

Es ist dringend vor einer weiteren Klerikalisierung der Debatte um den frei verantwortlichen Tod eines schwersterkrankten und sterbenden Menschen zu warnen und gerade die Medizinethiker sind aufgefordert, hier das „Therapeutikum erster Wahl“ zu bemühen: Die Erinnerung des Ärztefunktionäre an den rechtsethischen Standard unseres Grundgesetzes, der nicht (!) durch das „Grundgesetz der ärztlichen Sittlichkeit“ verdrängt resp. ersetzt wird!

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