Bundesweite Corona-Notbremse
Spahn: Ausgangssperren in der „aktuellen Lage“ vertretbar
An diesem Freitag berät der Bundestag erstmals über die geplante Corona-Notbremse. Besonders umstritten sind nächtliche Ausgangssperren. Der Gesundheitsminister nennt die Maßnahme „hart“, aber „wirksam“.
Veröffentlicht:Berlin. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die geplanten Ausgangssperren zur Eindämmung der Corona-Pandemie gegen Kritik verteidigt. Er halte Ausgangsbeschränkungen in der „aktuellen Lage“ als „vorübergehende Maßnahme“ für notwendig und auch mit geltendem Recht vereinbar, sagte Spahn am Donnerstag in Berlin. Dennoch rechne er damit, dass die Frage der Ausgangssperren vor dem Bundesverfassungsgericht landen werde. Bislang sei nahezu jede Maßnahme zur Eindämmung der Infektionen juristisch angefochten worden.
Der Bundestag will an diesem Freitag erstmals über die geplanten Änderungen am Infektionsschutzgesetz beraten. Nächtliche Ausgangssperren sind Teil des Pakets. Sie sollen bei einer Inzidenz von über 100 gelten. Medienberichten zufolge machen auch Mitarbeiter des Kanzleramts rechtliche Bedenken geltend.
„Klarer Schnitt für zwei, drei Wochen“
Spahn betonte, es gehe nicht darum, dass abends um 22 Uhr jemand allein unterwegs sei. „Die Frage ist, von wo nach wo sind wir unterwegs abends.“ Bisherige Erfahrungen zeigten, dass es vor allem in „privaten Zusammenhängen“ vermehrt zu Infektionen komme. Daher seien Ausgangsbeschränkungen ein „wirksames“, wenn auch „hartes“ Mittel zur Kontaktbeschränkung. Es brauche diesen „klaren Schnitt“ für „zwei, drei Wochen“, um die dritte Welle zu brechen.
An die Länder appellierte Spahn, nicht auf die „Bundes-Notbremse“ zu warten, sondern sofort zusätzliche Maßnahmen gegen die Pandemie umzusetzen. „Jeder Tag zählt gerade in dieser schwierigen Lage.“ Die Infektionszahlen stiegen und die Situation auf den Intensivstationen spitze sich zu. Die Zahl der COVID-Intensivpatienten sei „die härteste Währung dieser Pandemie“.
Laut DIVI-Intensivregister müssen derzeit knapp 5000 COVID-19- Patienten auf Intensivstationen versorgt werden. Bis Ende April könne die Zahl auf die 6000 hochschnellen.
Städte und Landkreise
Wo es relativ viele COVID-19-Patienten auf Intensivstationen gibt
Intensivstationen fehlt Personal
Nach Angaben des Chefs des Robert Koch-Instituts (RKI), Professor Lothar Wieler, sind aktuell sechs von zehn Krankenhauspatienten miteiner schweren Atemwegsinfektion an COVID-19 erkrankt. Acht von zehn Patienten, bei denen aktuell eine künstliche Lunge (ECMO) zum Einsatz komme, seien mit Corona infiziert. Immer mehr Intensivstationen müssten ihren Betrieb aufgrund fehlenden Personals einschränken.
Wieler rief die Krankenhäuser auf, ihr Elektivprogramm „deutlich“ zu reduzieren. „Es sollte nur noch ein eingeschränkter Regelbetrieb stattfinden, um die Intensivkapazitäten bestmöglich zu schonen.“ Stabile Patienten seien aus Regionen mit akutem Mangel an Intensivbetten in weniger betroffene Regionen zu verlegen. „Damit verhindern wir, dass für die noch kommenden schweren COVID-19-Fälle keine Intensivbetten mehr zur Verfügung stehen oder andere Patienten überhastet verlegt werden müssen.“ Patientenverlegungen seien „einschneidende Maßnahmen“ für Betroffene wie Angehörige. Angesichts der aktuellen Lage sei aber solidarisches Handeln nötig, erklärte Wieler.
Noch keine Triage-Situation
„Strategische Patientenverlagerungen“ seien bereits Realität, berichtete Professor Steffen Weber-Carstens von der DIVI. Nur so lasse sich der starke Patientenstrom bewältigen. In den meisten Regionen seien nur noch zehn Prozent der Intensivbetten frei. Das sei eine alarmierende Größe, da dort ja auch andere schwere Fälle versorgt werden müssten.
Zu einer „Triage-Situation“ sei es bislang aber nicht gekommen. „Und ich glaube, wenn wir die genannten Maßnahmen, Kontaktbeschränkungen plus Impfungen, gut umsetzen, werden wir auch nicht in eine Triage-Situation hineinlaufen.“