Keine reine Frage des Angebots

Spahn beharrt auf Psychotherapie-Steuerung

Gesundheitsminister Spahn macht im Petitionsausschuss klar, dass allein mehr Psychotherapeuten das Problem für ihn nicht lösen.

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Spahn versus Psychotherapeuten: Wie kann die Psychotherapie am besten gesteuert werden?

Spahn versus Psychotherapeuten: Wie kann die Psychotherapie am besten gesteuert werden?

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BERLIN. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) besteht darauf, den Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung durch organisatorische Verbesserungen zu beschleunigen und nicht allein auf eine Erhöhung der Angebotskapazitäten durch mehr Psychotherapeuten zu setzen. Dies machte Spahn diese Woche im Petitionsausschuss des Bundestages deutlich, der in einstündiger Sitzung die Eingabe von rund 217.000 Petenten beriet.

Die außergewöhnlich hohe Zahl der Unterzeichner der Petition, die auf Initiative der Psychotherapeutenverbände gestartet worden war, wertete Ariadne Sartorius von der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung als Zeichen dafür, dass das Anliegen ihrer Berufsgruppe „in der Mitte der Gesellschaft angekommen“ sei.

Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung: Kontraproduktiver Plan

Der Plan, mit dem Terminservicegesetz (TSVG) den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) zu verpflichten, Regeln für eine gestufte Versorgung einzuführen und Anlaufstellen von qualifizierten Psychotherapeuten zu schaffen, sei gerade in der Psychotherapie kontraproduktiv, argumentierte Sartorius.

Diese ausgewählten Psychotherapeuten sollen die Aufgabe haben, diagnose- und bedarfsabhängig Patienten beschleunigt in die Versorgung zu leiten. In ganz besonderer Weise komme es für psychisch Kranke auch darauf an, ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Therapeuten zu finden und deshalb auch die freie Therapeutenwahl zu gewährleisten.

Diese werde mit dem Gesetz eingeschränkt. Das Stufenmodell schaffe eine Hürde zur Versorgung und verknappe außerdem die Kapazitäten um etwa zehn Prozent oder rund 2300 Psychotherapeuten. Außerdem sei es sinnvoll, die Wirkung der 2017 in Kraft getretenen neuen Psychotherapie-Richtlinien abzuwarten und Erkenntnisse etwa aus dem nordrheinischen Versorgungsmodell zu nutzen.

Zugang zur Therapie beschleunigen

Spahn betonte seinen Willen, den Zugang zur Therapie für psychisch kranke Menschen zu beschleunigen. Mit der Inanspruchnahme eines qualifizierten Erstkontakts soll die Garantie verbunden werden, im Notfall auch binnen zwei Wochen einen geeigneten Therapeuten zu finden.

Anders als der Sachverständigenrat schlage er keine Steuerung oder Koordination durch Hausärzte, sondern durch Psychotherapeuten selbst vor. Die Ausgestaltung des Steuerungskonzepts solle sachverständig durch den GBA und die Partner der Bundesmantelverträge erfolgen.

Eine Ausweitung der Angebotskapazität in der Psychotherapie allein hält Spahn nicht für zielführend. So ist die Zahl der Psychotherapeuten zwischen 2012 und 2017 von 17.400 auf 23.000 gestiegen. Auch in Regionen mit hoher Angebotsdichte gebe es das Phänomen langer Wartezeiten, erinnerte er. (HL)

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Kommentare
Dipl.-Psych. Achim Bormuth 16.01.201911:47 Uhr

Nicht die "Zahl der Psychotherapeuten" ist entscheidend

Auch hier wird lediglich mit der "Zahl der Psychotherapeuten" argumentiert, wie bereits früher bei der Festlegung der maximal zuzulassenden Psychotherapeuten.

Hierbei wird außer acht gelassen:

1. daß bei der Steigerung der "Zahl der Psychotherapeuten zwischen 2012 und 2017 von 17.400 auf 23.000" viele Psychotherapeuten/innen das Rentenalter erreicht und einen halben Praxissitz abgegeben haben. Die Möglichkeit der Behandlung und Abrechnung ist bei einem halben Praxissitz gedeckelt. Es handelt sich also nur scheinbar um eine Vergrößerung des Angebots.

2. daß die ganz große Mehrheit der Psychotherapeuten/innen Frauen sind, die den Beruf der Psychotherapeutin in einer eigenen Praxis gut mit der eigenen Familie, eigenen Kindern vereinbaren können - aber nicht in vollem Umfang für die Praxis zur Verfügung stehen wollen oder können. Auch wenn die Väter in gleichem Umfang für die Familie und die Kinder im Alltag gewünscht werden, ist die Realität weit davon entfernt.

3. daß die Tätigkeit als Psychotherapeut/in ein hohes Maß an Empathie für die Patienten erfordert. Ohne dem ist keine gute Therapie möglich. Ganz im Gegensatz zum Beispiel zu einem Chirurgen. Für Chirurgen ist es notwendig während einer OP innerlich so weit wie möglich in Distanz zum jeweiligen Patienten zu gehen um selber gut durch die OP zu kommen. Er operiert den Magen, die Niere etc. und "vergißt" dabei im positiven Sinne den konkreten Menschen; das ist richtig und gut so für seine eigene Gesundheit.
Die Notwendigkeit des Psychotherapeuten sich empathisch auf jeden Patienten einzulassen, ist sein Handwerkszeug, bedeutet aber unweigerlich eine hohe, eigene psychische Belastung durch die Konfrontation mit dem jeweiligen Leid, auch wenn man professionelle Strategien entwickelt, dies nicht zu sehr an sich heranzulassen. Die Notwendigkeit zu einer hohen Empathie während der psychotherapeutischen Behandlung setzt der Anzahl psychisch kranker Patienten Grenzen, die behandelt werden können, ohne selber zu erkranken.

4. Bei der während der Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes um 1999 festgelegten Anzahl der maximal zuzulassenden Psychotherapeuten/innen ging man von einer wesentlich höheren Anzahl von Behandlungsstunden je Psychotherapeut aus, als dies in der Realität der Fall ist. Unter Kostengesichtspunkten haben die Krankenversicherungen dadurch erheblich weniger Geld für Psychotherapien ausgeben müssen, als wenn die hohen, maximalen Behandlungsstunden stattgefunden hätten.

Dringend notwendig ist nach 20 Jahren die überfällige Korrektur dieser Anzahl der maximal zuzulassenden Psychotherapeuten auf einen realistischen, höheren Wert, der für eine angemessene Versorgung notwendig ist.

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