Spahn heizt Kassen ein

Die Kassen sollen ihre Versicherten besser über das fette Finanzpolster informieren. Das verlangt CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn und droht mit Sanktionen: Notfalls will er die Kassen schon jetzt verpflichten, ihre Hosen runterzulassen.

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Jens Spahn, Gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion.

Jens Spahn, Gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion.

© Prange / imago

BERLIN (sun). Der CDU-Politiker Jens Spahn erhöht den Druck auf die Krankenkassen: Sie sollen gegebenenfalls bereits vor dem Jahr 2014 ihre Bilanzen veröffentlichen, kündigte Spahn am Dienstag in Berlin an.

Hintergrund ist, dass einige Krankenkassen über hohe Rücklagen verfügen, "zum Teil deutlich mehr als eine Milliarde Euro", sagte Spahn.

Sollten die Kassen die Versicherten weiterhin "im Trüben fischen lassen", müsse die schwarz-gelbe Koalition sie zwingen, ihre Bilanzen zu veröffentlichen. Denn das täten bislang nur wenige freiwillig.

Ausschlaggebend für den Vorstoß zu mehr Transparenz bei den Kassenbilanzen war ursprünglich die Pleite der City BKK im vergangenen Jahr. Im Versorgungsstrukturgesetz ist daher vorgesehen, dass die Kassen ihre Bilanzen ab dem Jahr 2014 veröffentlichen müssen. "Damit wollten wir allen eine Vorlaufzeit geben", so Spahn.

Diese Übergangszeit sollte eine Schonfrist für jene Kassen darstellen, denen es finanziell nicht so gut ginge. Die Koalition habe verhindern wollen, dass die Versicherten aufgrund schlechter Bilanzen wechseln.

Jetzt gehe es aber um die hohen Rücklagen mancher Kassen: Mitte Februar hat Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) eine Diskussion angestoßen, diese Kassen sollten ihre Überschüsse für Beitragsrückerstattungen verwenden. Gegen solche Forderungen wehrten sich Kassenverbände vehement. Die AOK warnte vor einem "Prämien-Jojo."

Keine flächendeckenden Zusatzbeiträge

Spahn kritisierte zudem, dass es nach wie vor keine flächendeckenden Zusatzbeiträge gibt. Gesundheitsexperten halten diese zusätzliche finanzielle Säule für politisch tot. Ihren Schätzungen zufolge werden sie auch im Wahljahr 2013 nicht kommen.

"Einige Kassen wetten offenbar auf einen Regierungswechsel im Jahr 2013", so Spahn. Doch: Erst wenn es einen flächendeckenden Zusatzbeitrag gebe, werde das "Mikadospiel" der Kassen aufhören. Bisher versuchten diese, den Zusatzbeitrag möglichst zu vermeiden.

Solange nur eine geringe Zahl der Kassen einen Zusatzbeitrag erhebe, gelte dies als ein "negatives Alleinstellungsmerkmal" der Kasse. Aufgrund der Erhebung von Zusatzbeiträgen haben 2010 Hunderttausende Versicherte ihre Kasse gewechselt.

Spahn: In der Gesundheitspolitik läuft alles bestens

Für 2012 habe die Koalition noch viele Pläne, so Spahn. Dass sich die schwarz-gelbe Koalition zurzeit mächtig in den Haaren liegt, was sich am Zoff um die Personalie Joachim Gauck als Nachfolger des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff gezeigt hat, spiele für die Gesundheitspolitik keine Rolle, betonte der CDU-Politiker.

Die Situation der Koalition sei zwar "herausfordernd", in der Gesundheitspolitik "klappt die Zusammenarbeit weiterhin sehr gut", so Spahn.

In den vergangenen zwei Jahren hätten FDP und CDU immer wieder gute Arbeit geleistet, betonte er und überspringt dabei Verbalschlachten um "Gurkentruppen" und "Wildsäue", die sich die Koalitionäre in der Vergangenheit geliefert hatten.

Für 2012 stehe noch zum Beispiel das Patientenrechtegesetz an, für das ein Referentenentwurf vorliegt. Die harsche Kritik des Finanz- und Sozialministeriums an der Pflegereform hält Spahn für "normale" Auseinandersetzungen bei den üblichen Ressortabstimmungen.

Pflichtgemäß vermisst das Finanzressort eine solide Kostenabschätzung, das Sozialressort kritisiert die fehlende Einbeziehung. Solche Konflikte, die in Wirklichkeit gar keine seien,würden von den Medien hochstilisiert..

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Giftpfeile in der Gesundheitspolitik

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Versorgung von Privatpatienten

PKV-Vergütung bringt Praxen knapp 74.000 Euro zusätzlich

Kommentare
Guido Frings 22.02.201208:01 Uhr

Populismus

Sehr geehrter Herr Spahn,

dass die Veröffentlichungspflicht in erster Linie dazu angedacht ist, finanzschwache Kassen und damit drohende Schließungsfälle zu entlarven sowie dem Grundstz der Haushaltswahrheit in der GKV wieder mehr Bedeutung zu verleihen, scheint in Vergessenheit zu geraten.

Der Bevölkerung jetzt permanent vermitteln zu wollen, dass die Kassen reich seien und auf dem Geld sitzen, obwohl Sie wissen, dass die Kostensteigerungen bald die aktuellen Überschüsse wieder zunichte machen werden, halte ich für unseriös.

Eine gute Begründung, die Beitragssatzgestaltung den Krankenkassen weiter zu verweigern, fehlt immer noch. Damit würden immense Überschüsse und Defzite kassenindividuell zeitnah und seriös ausgeglichen werden können.

Guido Frings

Dr. Thomas Georg Schätzler 21.02.201218:30 Uhr

Butter bei die Fische!

Mein lieber Spahn, Offenlegung und Transparenz bei den GKV-Kassenbilanzen bedeutet aber auch, dass die Politik "die Hosen runterlassen" muss:

• Wo sind die jährlichen Rückstellungsreserven von je 3 Milliarden Euro des Gesundheitsfonds geblieben?

• Wie wird der gesetzliche Bundeszuschuss von derzeit 14 Mrd. € an den GKV-Fonds kalkuliert?

• Welche "gesamtgesellschaftlichen Aufgaben der GKV" werden steuerfinanziert?

• Wie viele jährliche Überschüsse hat der Gesundheitsfonds, wie viel die einzelnen Krankenkassen?

• Welche Summen werden von den GKV-Versicherten durch Praxis- und Rezeptgebühren, Zuzahlungen, Zusatzbeiträgen und Leistungsausschlüsse in Eigenleistung erbracht?

• Welche direkt von der GKV zu finanzierenden Kosten entstehen jährlich durch Alkoholkonsum, Nikotinauswirkungen, Verkehrsunfälle?

• Welche Folgekosten bezahlt die GKV bei Umweltsünden, sonstigen Unfällen, Attentaten, Naturkatastrophen und Krankheitsfolgen von Straftaten?

• Wie hoch sind die Kosten für das Vorhalten von Infrastrukturen im Gesundheitswesen zur Bekämpfung von Pandemien, Epidemien, Großschadensfällen und neuen Krankheitsentitäten.

Bevor von fetten Finanzpolstern gefaselt wird, gibt es eine generelle Verpflichtung zur Transparenz bei a l l e n Beteiligten!

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund


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